Es ist ein Mädchen. Doch über das erste prominente Revolutionsbaby freut sich kaum einer. Gaddafis Tochter hat es zur Welt gebracht, offenbar nur wenige Stunden nach ihrer Flucht von Libyen nach Algerien. Mit ihr eingereist sind zwei Brüder und ihre Mutter. Reine Gastfreundschaft sagt die Regierung in Algier. Der libysche Übergangsrat schäumt vor Wut. Informationsminister Mahmud Schamman:
"Dies ist ein Akt der Aggression gegen das libysche Volk. Wir werden alles tun, um diese Kriminellen festzunehmen und zu verurteilen, wo auch immer sie sich befinden."
Die Nerven liegen blank auf libyscher Seite. Viele Rebellen fühlen sich von Algerien verraten, fürchten, dass der große Nachbar im Westen Gaddafi die Stange hält. Kopfschütteln über Algeriens Haltung auch bei der internationalen Gemeinschaft, besonders in Frankreich. Dem Land, das die Luftangriffe der NATO auf Gaddafis Stellungen maßgeblich vorangetrieben hat. Der französische Außenminister Alain Juppé:
"Algerien hatte in der ganzen Sache eine doppeldeutige Haltung, um es vorsichtig auszudrücken. Ich habe selbst mit Präsident Bouteflika gesprochen, er hat mir versichert, dass Algerien hier nur humanitäre Hilfe leistet. Ich hoffe, das wird sich eines Tages bestätigen und überprüfen lassen."
Einspruch von Algeriens Außenminister Mourad Medelci. Auf der Libyen-Konferenz in Paris machte er klar: Algerien habe zwar den Übergangsrat noch nicht anerkannt. Auch habe das Land in der Arabischen Liga gegen den NATO-Militäreinsatz gestimmt. Aber niemals habe Algerien Partei für Gaddafi ergriffen – ein Asyl für den Ex-Machthaber werde es nicht geben.
"Wenn man heute behauptet, wir hätten eine doppeldeutige Haltung, dann ist das schon ein Erfolg für uns. Denn vor ein paar Tagen hieß es noch, wir seien auf der Seite Gaddafis. Wir haben nie ein doppeltes Spiel gespielt, wir waren neutra. In Libyen hat es vor unserer Haustür einen internationalen Militäreinsatz gegeben, und der weckt schmerzhafte Erinnerungen in unserem Land, deswegen mögen wir anders reagiert haben, als es von uns erwartet wurde."
Fakt ist: Algerien hatte immer ein Problem mit fremden Mächten in seiner Nachbarschaft. Vor allem, wenn es sich dabei um Frankreich handelt, die frühere Kolonialmacht. Kader Abderrahim, Politikwissenschaftler am Pariser Institut für Internationale Beziehungen:
"Algerien hat hart für seine Souveränität kämpfen müssen. Deswegen kann es internationale Militärinterventionen nicht akzeptieren. In erster Linie ging es Algerien immer ums Prinzip. Nichteinmischung ist Grundlage der algerischen Diplomatie, und das nehmen sie auch für sich in Anspruch."
Fakt ist aber auch: Algerien hat nie erklärt, was seine Position eigentlich ist. Außerdem halten sich Gerüchte, dass Algier Gaddafi in seinem Kampf gegen die Rebellen mit Waffen und Söldnern unterstützt hat. Die Aufnahme der Gaddafi-Familie befeuert diese Gerüchte zusätzlich. Algerien sei außenpolitisch geradezu isoliert, glaubt Maghreb-Experte Francis Ghiles vom Forschungszentrum für Internationale Diplomatie in Barcelona.
"Algerien ist in großer Verlegenheit. Es hat riesige interne Probleme – die Regierung ist erstarrt, der Präsident ist alt und krank, gleichzeitig rumort es auf der Straße – also, Algeriens Regime fühlt sich sehr verletzlich. In Tunesien ist Ben Ali gestürzt, in Ägypten Mubarak, und jetzt Gaddafi nebenan. Also reagiert Algerien gerade extrem nervös."
Es ist nicht die alte Solidarität zwischen den beiden revolutionären Staaten, die heute Algeriens Politik bestimmt. Präsident Bouteflika kann Muammar al-Gaddafi nicht ausstehen. Er soll sich sogar geweigert haben, ans Telefon zu gehen, als Gaddafi ihn um Asyl bitten wollte. Kader Abderrahim:
"Die Algerier beobachten sehr genau, was an ihren Grenzen passiert. Natürlich wissen sie, dass Libyen in den letzten Wochen zu einem regelrechten Einkaufszentrum für Waffen geworden ist. Und dass sich da gerade viele bedienen, die Algerien gefährlich werden könnten."
Algerien hat Sorge, dass der libysche Übergangsrat mit Menschen durchsetzt ist, die alles andere als eine weiße Weste haben. Einige von ihnen sollen Verbindungen zu radikalen Islamisten oder gar El-Kaida-Anhängern haben. Doch Algerien könne es sich nicht leisten, den Übergangsrat zu schneiden, sagt der französische Historiker Pierre Vermeren. Beide Länder müssten zusammenarbeiten und ein neues Kapitel aufschlagen - auf Gedeih und Verderb.
"Algerien und Libyen müssen miteinander auskommen. Wegen der Grenzen, wegen des Öls, wegen der Sicherheit im Sahel, wegen der Bedrohung durch El Kaida im Islamischen Maghreb. Da wird dann letzten Endes die Aufnahme der Gaddafi-Familie keine große Rolle mehr spielen."
"Dies ist ein Akt der Aggression gegen das libysche Volk. Wir werden alles tun, um diese Kriminellen festzunehmen und zu verurteilen, wo auch immer sie sich befinden."
Die Nerven liegen blank auf libyscher Seite. Viele Rebellen fühlen sich von Algerien verraten, fürchten, dass der große Nachbar im Westen Gaddafi die Stange hält. Kopfschütteln über Algeriens Haltung auch bei der internationalen Gemeinschaft, besonders in Frankreich. Dem Land, das die Luftangriffe der NATO auf Gaddafis Stellungen maßgeblich vorangetrieben hat. Der französische Außenminister Alain Juppé:
"Algerien hatte in der ganzen Sache eine doppeldeutige Haltung, um es vorsichtig auszudrücken. Ich habe selbst mit Präsident Bouteflika gesprochen, er hat mir versichert, dass Algerien hier nur humanitäre Hilfe leistet. Ich hoffe, das wird sich eines Tages bestätigen und überprüfen lassen."
Einspruch von Algeriens Außenminister Mourad Medelci. Auf der Libyen-Konferenz in Paris machte er klar: Algerien habe zwar den Übergangsrat noch nicht anerkannt. Auch habe das Land in der Arabischen Liga gegen den NATO-Militäreinsatz gestimmt. Aber niemals habe Algerien Partei für Gaddafi ergriffen – ein Asyl für den Ex-Machthaber werde es nicht geben.
"Wenn man heute behauptet, wir hätten eine doppeldeutige Haltung, dann ist das schon ein Erfolg für uns. Denn vor ein paar Tagen hieß es noch, wir seien auf der Seite Gaddafis. Wir haben nie ein doppeltes Spiel gespielt, wir waren neutra. In Libyen hat es vor unserer Haustür einen internationalen Militäreinsatz gegeben, und der weckt schmerzhafte Erinnerungen in unserem Land, deswegen mögen wir anders reagiert haben, als es von uns erwartet wurde."
Fakt ist: Algerien hatte immer ein Problem mit fremden Mächten in seiner Nachbarschaft. Vor allem, wenn es sich dabei um Frankreich handelt, die frühere Kolonialmacht. Kader Abderrahim, Politikwissenschaftler am Pariser Institut für Internationale Beziehungen:
"Algerien hat hart für seine Souveränität kämpfen müssen. Deswegen kann es internationale Militärinterventionen nicht akzeptieren. In erster Linie ging es Algerien immer ums Prinzip. Nichteinmischung ist Grundlage der algerischen Diplomatie, und das nehmen sie auch für sich in Anspruch."
Fakt ist aber auch: Algerien hat nie erklärt, was seine Position eigentlich ist. Außerdem halten sich Gerüchte, dass Algier Gaddafi in seinem Kampf gegen die Rebellen mit Waffen und Söldnern unterstützt hat. Die Aufnahme der Gaddafi-Familie befeuert diese Gerüchte zusätzlich. Algerien sei außenpolitisch geradezu isoliert, glaubt Maghreb-Experte Francis Ghiles vom Forschungszentrum für Internationale Diplomatie in Barcelona.
"Algerien ist in großer Verlegenheit. Es hat riesige interne Probleme – die Regierung ist erstarrt, der Präsident ist alt und krank, gleichzeitig rumort es auf der Straße – also, Algeriens Regime fühlt sich sehr verletzlich. In Tunesien ist Ben Ali gestürzt, in Ägypten Mubarak, und jetzt Gaddafi nebenan. Also reagiert Algerien gerade extrem nervös."
Es ist nicht die alte Solidarität zwischen den beiden revolutionären Staaten, die heute Algeriens Politik bestimmt. Präsident Bouteflika kann Muammar al-Gaddafi nicht ausstehen. Er soll sich sogar geweigert haben, ans Telefon zu gehen, als Gaddafi ihn um Asyl bitten wollte. Kader Abderrahim:
"Die Algerier beobachten sehr genau, was an ihren Grenzen passiert. Natürlich wissen sie, dass Libyen in den letzten Wochen zu einem regelrechten Einkaufszentrum für Waffen geworden ist. Und dass sich da gerade viele bedienen, die Algerien gefährlich werden könnten."
Algerien hat Sorge, dass der libysche Übergangsrat mit Menschen durchsetzt ist, die alles andere als eine weiße Weste haben. Einige von ihnen sollen Verbindungen zu radikalen Islamisten oder gar El-Kaida-Anhängern haben. Doch Algerien könne es sich nicht leisten, den Übergangsrat zu schneiden, sagt der französische Historiker Pierre Vermeren. Beide Länder müssten zusammenarbeiten und ein neues Kapitel aufschlagen - auf Gedeih und Verderb.
"Algerien und Libyen müssen miteinander auskommen. Wegen der Grenzen, wegen des Öls, wegen der Sicherheit im Sahel, wegen der Bedrohung durch El Kaida im Islamischen Maghreb. Da wird dann letzten Endes die Aufnahme der Gaddafi-Familie keine große Rolle mehr spielen."