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Dorothee Bär: Betreuungsgeld wird eine Erfolgsgeschichte

Ab dem 1. August 2013 haben junge Eltern, die ihre Kleinkinder zu Hause betreuen, Anspruch auf finanzielle Unterstützung vonseiten des Staates. Bisher allerdings bleibt der Ansturm aus. Das Betreuungsgeld sollte stärker beworben werden, meint Dorothee Bär, familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Dorothee Bär im Gespräch mit Gerd Breker | 29.07.2013
    Gerd Breker: Auf Drängen der bayerischen CSU hat die Union und dann später auch die schwarz-gelbe Bundesregierung das Betreuungsgeld beschlossen. Doch allem Anschein nach muss da irgendjemand sein Familienbild überarbeiten, denn die ersten Zahlen, die nun bekannt werden, zeigen, dass die Nachfrage nach dieser Sozialleistung weniger als gering ist. Selbst in Bayern, wo das Geldgeschenk des Staates umfangreich beworben wird, liegen gerade mal 500 Anträge vor. Das Betreuungsgeld scheint zum Ladenhüter zu werden und zu einem Flop!

    Am Telefon sind wir nun verbunden mit Dorothee Bär, für die CDU-/CSU-Bundestagsfraktion ist sie die Sprecherin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Guten Tag, Frau Bär!

    Dorothee Bär: Grüß Sie Gott, hallo!

    Breker: Stell dir vor, es gibt das Betreuungsgeld und keiner will es! – Offenbar floppt das Geldgeschenk vom Staat!

    Bär: Das ist nicht so, das läuft jetzt gerade erst an. Bezugsberechtigt sind ja jetzt erst mal nur wenige, weil wir ja Stichtag gemacht haben, alle, die nach dem 31.07.2012 auf die Welt gekommen sind, sprich, ab 1. August 2012, und deswegen sind ja dann tageweise erstens mal nicht viele Bezugsberechtigte, und dann kommt ja auch noch dazu, dass man seine Elterngeldmonate verbraucht haben muss, alle 14. Und deswegen wird sich jetzt sukzessive von Woche zu Woche, von Monat zu Monat der Bezugszeitraum weitern, und ich bin guter Dinge, dass das eine sehr gute Maßnahme ist, die auch gut angenommen wird.

    Breker: Nur, Frau Bär, wenn man die Zahlen selbst für Bayern nimmt, wo das Betreuungsgeld ja auch aufwendig beworben wird, dann ist auch dort das Interesse denkbar gering.

    Bär: Ich habe es ja gerade schon versucht zu erklären, das liegt natürlich auch an den Geburtsdaten. Also, geben Sie dem Ganzen jetzt mal eine Chance, dasselbe haben Sie behauptet beispielsweise auch beim Bundesfreiwilligendienst, und plötzlich waren es wesentlich mehr Interessenten, als wir überhaupt Plätze zur Verfügung haben. Lassen Sie uns mal in einem Jahr Bilanz ziehen, ab nächstem Jahr gibt es ja dann sogar noch 150 Euro. Und ich bin mir sicher, dass ein ganz großer Run auf das Betreuungsgeld einsetzen wird.

    Breker: In Bayern werden den betreffenden Eltern Anträge bereits vorausgefüllt zugeschickt, und dennoch ist der Rücklauf mit 500 Anträgen aus Ihrer Sicht zufriedenstellend?

    Bär: Der ist sehr gut, der Rücklauf. Und natürlich ist es toll, dass wir als Bayern mal wieder Vorreiter sind und sagen, wir reden nicht nur über Entbürokratisierung, sondern wir praktizieren auch Entbürokratisierung, indem wir sagen, ihr müsst nur ein paar Kreuzchen machen, unterschreiben und dann habt ihr die Möglichkeit. Ich finde es wirklich fatal, wenn einige Bundesländer jetzt meinen, ihr ideologisches Mütchen kühlen zu müssen, indem sie sagen, wir bewerben es nicht, wir klären die Eltern nicht auf, wir sagen ihnen nicht, welche Rechte sie haben, nur weil wir als zuständige rot-grüne Regierung beispielsweise dagegen sind. Das ist wirklich eine Unverschämtheit und ist auch ein Schlag ins Gesicht von jungen Eltern.

    Breker: Was ist denn das für eine Sozialleistung, die umfangreich beworben werden muss?

    Bär: Jede Leistung muss beworben werden, alles, was wir vom Staat machen, müssen die Menschen aufgeklärt werden. Sie glauben doch nicht, dass alles, was wir in Berlin bestimmen, bei jedem Bundesbürger sofort ankommt! Nur weil Sie vielleicht täglich politisch interessiert sind und ich auch, und wir glauben, jeder weiß alles, merke ich auch bei Veranstaltungen von Menschen, die wirklich politisch interessiert sind, dass die natürlich bei der Vielfalt der Angebote auch Probleme haben, den Überblick zu behalten. Und deswegen ist es doch wichtig, dass wir sagen, das steht dir zu und das steht dir zu. Und das wird bei jeder einzelnen Leistung gemacht. Und nur weil einige meinen, wir sind gegen das Betreuungsgeld, deswegen versuchen wir, das Ganze zu vertuschen, das ist doch nicht redlich! Also, das finde ich wirklich eine absolute Unverschämtheit jungen Müttern, jungen Vätern gegenüber!

    Breker: Rot-Grün hält das Betreuungsgeld für ein politisch falsches Signal. Also, von daher kann es doch gar nicht überraschen, dass die es nicht bewerben!

    Bär: Ja, aber das ist doch ein Wahnsinn! Nur, weil sie persönlich der Meinung sind, dass sie es nicht möchten, enthalten sie Eltern Informationen vor. Das muss man sich doch mal vorstellen! Und jetzt kann man sagen, ja gut, wir wollen zum Beispiel, dass es wenig Antragsteller gibt, deswegen halten wir es unter Verschluss, damit wir dann sagen können, bei uns wollte das keiner. Natürlich wollen es die Eltern, aber wenn die gar nicht wissen, wie es funktioniert, wenn hohe Hürden aufgebaut werden, wenn so bürokratisch wie möglich gestaltet wird, nur um junge Eltern davon abzuhalten, sich ihr eigenes Lebensmodell wählen zu können, dann muss ich sagen, das ist nicht die Politik, die ich vertrete. Wir vertreten die Politik der Wahlfreiheit, wir sagen, Eltern müssen selber wählen, selber entscheiden dürfen, wofür sie sich auch entscheiden wollen, und deswegen müssen alle Optionen, ob sie eine Kita in Anspruch nehmen. Wir sagen den Eltern genauso, ihr habt einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige, und wer den nicht möchte, hat einen Anspruch auf Betreuungsgeld! Und wenn nur eine Seite der Medaille jungen Eltern erklärt wird, dann muss ich ganz ehrlich sagen, dann ist das wirklich ein ideologisches Mütchen, gekühlt auf Kosten der jungen Eltern.

    Breker: Nur, Frau Bär, das Betreuungsgeld war dermaßen umstritten, dass inzwischen alle Menschen eigentlich wissen müssten, dass es das Betreuungsgeld genauso gibt wie den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz.

    Bär: Aber es gibt doch heute noch Interviews sogar von Leuten, die in der Politik sind, die nicht begriffen haben, dass es … Oder beziehungsweise, bewusst, wider besseren Wissens wird ja heute noch von der Opposition im Bundestag von Kindergartenkindern schwadroniert, obwohl es um Kinder geht zwischen 14 und 36 Monaten. Es wurde ja bewusst nicht aufgeklärt und es wurde bis zum Schluss und bis in die letzte Debatte … Ich habe die letzte Debatte zum Betreuungsgeld im Plenum am letzten Sitzungstag vor der Sommerpause geführt, wo immer noch Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün mit falschen Angaben, mit falschen Altersangaben und mit falschen Bezugsberechtigungen argumentiert haben, nur um die Leute zu verwirren, nur um die Menschen irgendwie hinter die Fichte zu führen! Und dann wundern Sie sich doch nicht, dass es der Normalverbraucher nicht bis ins Detail verstanden hat!

    Breker: Die Bundesregierung behauptet auf ihrer Internetseite, über die Hälfte der Eltern wollen ihre Kinder zu Hause betreuen. Wenn man jetzt die Zahlen der Anträge nimmt auf Betreuungsgeld, kann das überhaupt stimmen?

    Bär: Ja, das glaube ich auf jeden Fall, dass das stimmt. Noch mal, Sie müssen ja mal schauen, ab 1. August kann ich frühestens Betreuungsgeld bekommen, wenn mein Kind am 1. August 2012 auf die Welt gekommen ist und wenn alle 14 Monate Elterngeld verbraucht sind, sprich, zwölf Monate der eine und zwei Monate der andere oder zehn plus vier, wie auch immer das aufgeteilt wurde. Erst dann habe ich die Möglichkeit. Am 2. August für die am 2. August Geborenen, am 3. August und so weiter! Deswegen läuft es doch jetzt erst an! Und schon eine Woche vorher, bevor überhaupt, oder ein paar Tage vorher, bevor das jetzt überhaupt bezugsberechtigt ist, jetzt schon von einem Flop zu sprechen, das finde ich eine absolute Unverschämtheit, weil das auch wieder eine bewusste Täuschung Eltern, Mütter und Väter ist!

    Breker: Fassen wir zusammen, Frau Bär: Sie sind der Ansicht, das Betreuungsgeld ist ein richtiger Ansatz, Sie sind der Ansicht, das Betreuungsgeld wird, wenn denn die entsprechende Zeit verstrichen ist, ein Erfolg werden und die Eltern werden es dankbar annehmen?

    Bär: Ganz genau, sprechen wir uns in einem Jahr noch mal und dann werden Sie sehen, dass ich recht hatte.
    [Die Aufnahme brach leider kurz vor Ende des Interviews an dieser Stelle ab.]


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.