Freitag, 10. Mai 2024

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Drahtlos im Zug

Sightseeing Unter den Linden bot die Deutsche Telekom Journalisten in der vergangenen Woche in Berlin. Doch nicht der neue Glanz des Brandenburger Tores stand dabei im Vordergrund, sondern vielmehr eine Fahrt mit dem UMTS-Testmobil, bei der das so genannte ''Handover'' von Antenne zu Antenne vorgeführt wurde. Die Technik ist ein wichtiger Baustein im Netzaufbau des GSM-Nachfolgers. Bis Ende des Jahres sollen zweihundert Städte mit der neuen Technik versorgt sein und selbst die Bahn soll von der neuen Multimediatechnologie für mobile Menschen dann profitieren.

01.02.2003
    Markus Stänger selbst sitzt Hunderte Kilometer entfernt im Bonner Rechenzentrum des so genannten Future-Labs der Deutschen T-Mobile GmbH und seine Stimme klingt etwas blechern für moderne Dititaltechnik. Doch etwas anderes braucht die Bandbreite: die parallel über das UMTS-Handy laufende Videokonferenz. "Der Klang ist eingeschränkt, weil wir ja eigentlich nicht telefonieren, sondern die Verbindung für eine Videokonferenz über Notebooks nutzen. Dabei hängt die Sprachqualität eben auch von der Güte der verwendeten Ausgabe ab." Dafür entschädigen aber die exzellent wiedergegebenen Details des in Bonn aufgenommenen Bildes. Ganz ohne Laboratorium will das Unternehmen solche Konferenzen ab kommenden Herbst in rund zweihundert deutschen Städten anbieten. Dann kann beispielsweise die Webkamera eines ortsunkundigen Fahrers auf die Straße gerichtet sein, während ein Gesprächspartner ihn durch die fremde Stadt zum Ziel führt. Die Technik soll dann auf ein einziges Gerät zusammengeschrumpft sein, unterstreicht Ralf Wilking, Produkttestleiter der Deutschen Telekom: "Hier geht es uns darum, zu demonstrieren, dass das Netzwerk funktioniert. Bei dieser Videokonferenz benutzen wir das Telefon quasi als Modem für eine Verbindung von 128 Kilobits pro Sekunde im Downlink und der Hälfte davon im Uplink. Diese Datenleitung kann man an jedes beliebige Gerät anschließen, wie etwa eine Kamera, um dann Internetprotokoll basiert eine Konferenz aufzubauen." In den kommenden Versionen der Endgeräte werden aber auch beispielsweise Videoplayer integriert sein, so dass dafür nicht zuerst der sperrige Laptop an das UMTS-Handy angeschlossen werden muss. Bereits auf der kommenden CeBit sollen solche Systeme gezeigt werden.

    Zeitgleich geht die Deutsche Telekom gemeinsam mit der Deutschen Bahn mit einem Projekt an den Start, das Reisenden eine permanente Verbindung an das Internet gestattten wird. Die Planung der Bahn, eine Übertragung nur an den Bahnhöfen zu ermöglichen, erwies sich indes während des Pilotprojektes als zu praxisfremd, da Reisende, die dort aussteigen wollen, ihren Laptop dann bereits wieder eingepackt haben. Besser ist da der nahtlose Netzübergang, den Uwe Maurer von T-Systems Nova demonstriert: "Wenn der Zug den Bahnhof verlässt, wird ein automatisches Umschalten auf ein anderes Übertragungsmedium aktiviert. Dabei handelt es sich derzeit noch um GPRS, aber auch UMTS wird dafür zukünftig verwendet werden. Der Benutzer merkt aber von dem Wechsel der Medien nichts. Der PC oder PDA bleibt dabei ständig mit dem Internet verbunden, lediglich die Geschwindigkeit der Datenübertragung kann etwas schwanken."

    Nichts mehr selbst einstellen zu müssen und auch nicht mehr wissen zu müssen, über welchen Zugang man einen Wireless-LAN-Hotspot oder eine UMTS-Zelle erreicht, weil die technische Überleitung in die verschiedenen Netze inzwischen funktioniert, so lautet der Wunsch der Deutschen Telekom. Das wegen der vielen Milliarden Euro teueren Investitionen in Lizenzen und Entwicklung negativ vorbelastete UMTS-Netz soll angesichts der möglich gewordenen Dienste möglichst schnell in den Hintergrund geraten. Doch die Technik muss diese Gelder wieder einspielen, um nicht als Milliardengrab zu enden. So dürfte der neue digitale Komfort auf allen Wegen auf absehbare Zeit seinen vermutlich stolzen Preis haben.

    [Quelle: Wolfgang Noelke]