Kaltes Neonlicht, meterhohe graue Wände bis unter die Bühnendecke, ein Tisch und zwei Stühle, eine Metalltür mit Sichtfenster und ein großes Fenster aus dunklem Glas in der Rückwand: Robert Schenkkans Stück "Building the Wall" spielt im Hochsicherheitstrakt eines texanischen Gefängnisses. Im Mittelpunkt des Zwei-Personen-Dramas steht die Unterhaltung zwischen der liberalen Geschichtsprofessorin Gloria und des in Einzelhaft sitzenden ehemaligen Gefängnisaufsehers Rick, der auf der Warteliste für die Todesstrafe sitzt. Gloria will Ricks Motive verstehen und ihm Gelegenheit geben, die Dinge ein für alle Mal richtig zu stellen.
"Er sagte diese extremen Dinge, die man nicht sagen soll"
James Badge Dale spielt Rick bemerkenswert ruhig, als wäre er Herr der Situation. Er sieht sich als Opfer von mächtigen Intrigen und als jemanden, der nur versucht hat, das Beste aus einer sehr schwierigen Situation zu machen. Erst die detaillierten Fragen einer sehr um ihre Fassung kämpfenden Gloria alias Tamara Tunie, die viele als Gerichtsmedizinerin aus der Fernsehserie "Law and Order" kennen dürften, lässt seine Fassade bröckeln. Als sie ihn zu Trump befragt, erinnert er sich lächelnd an seine erste Kundgebung:
"Er sagte diese extremen Dinge, die man nicht sagen soll. Eine Grenze wurde überschritten, öffentlich. Du konntest fühlen wie die Menge sich entspannte, als wäre eine große Last von den Schultern genommen."
Das Stück spielt 2019, ein Jahr nachdem ein Attentat auf dem Time Square Präsident Trump veranlasste, den Notstand auszurufen. Landesweit werden Muslime und illegale Immigranten in großem Stile verhaftet und in Lager untergebracht, wo sie auf ihre Ausreise warten müssen. Als die betroffenen Länder sich aus politischem Protest weigern, die Ausgewiesenen aufzunehmen, entstehen in den völlig überfüllten Gefängnissen chaotische Zustände. Rick hat große Mühe, die Ordnung in seinem Privatgefängnis aufrecht zu halten. Als eine Choleraepidemie ausbricht und die Betreiberfirma ihm weder zusätzliches Personal noch Medikamente zur Verfügung stellt, werden die Methoden immer brutaler. "I was not comfortable", sagt er zu Gloria fast entschuldigend.
Von der Banalität des Bösen
Die Firmenleitung taucht plötzlich mit Mitgliedern der NSA, dem amerikanischen Inlandsgeheimdienst, auf und lässt eine nahegelegene Fabrikhalle zu einer großen Verbrennungsanlage umbauen. Rick sieht sich vor die Wahl gestellt: das Problem diskret ein für alle mal zu lösen, oder wegen unzähliger bereits begangener Gesetzesverstöße selbst ins Gefängnis zu gehen. Er entscheidet sich, die Anordnungen auszuführen: 35.000 Personen verlieren in den kommenden Wochen ihr Leben, bis ein Gefangener es endlich schafft, ein Foto der Anlage ins Netz zu stellen.
Hannah Ahrendts Bericht "Eichmann in Jerusalem – von der Banalität des Bösen" kommt einem unwillkürlich in den Sinn. Ricks Entwicklung von einem weißen texanischen Jugendlichen mit autoritärem Vater zu jemanden, der einfach gut in dem sein will, was er tut und durch Trump Anerkennung erfährt, erzählt dieselbe Geschichte: Wie einfach es ist, in einem autoritären System aus normalen Menschen Massenmörder zu machen. Und für Dramatiker Robert Schenkkan ist dies keine weit hergeholte Geschichte. Denn sie basiert auf der bereits bestehenden Gesetzeslage, Trumps Rhetorik und seinen letzten Verordnungen.
Man tritt auf die Straße in genau die Welt, die das Stück beschreibt
"Der Präsident hat davon gesprochen, eine große schöne Mauer zu bauen, die Mexiko bezahlen wird. Und alle haben darüber gelacht, all ihr klugen Leute, weil es natürlich absurd war. Du kannst keine noch so hohe Mauer bauen, die Leute davon abhalten könnte, zu kommen, wenn sie wirklich kommen wollen."
Am Ende spricht Rick davon, dass Trump eine unsichtbare Mauer gemeint habe und dass sein Handeln eine viel größere und sicherere Mauer gegen illegale Immigranten aufgebaut habe, als jede reale Mauer es sein könnte: eine Mauer aus purer Angst.
Doch der wichtigste Moment des mit großer emotionalen Dringlichkeit gespielten Abends ist nach dem Applaus und den Standing Ovations des begeisterten Publikums: Man tritt auf die Straße, in genau die Welt, die das Stück beschreibt. Düstere Fiktion bleibt allein das Attentat auf dem wenige Meter entfernten Times Square.