Es war die wohl größte Autisten-Versammlung der Weltgeschichte: An einem riesigen ringförmigen Holztisch von fast 40 Metern Durchmesser saßen 112 Menschen - zum Teil mit Ohrstöpseln, um nicht vom Nachbarn gestört zu werden - und redeten vor sich hin. Jeder hatte eine Kamera als Gegenüber und ein Mikrofon, das ihm geduldig zuhörte.
Das Publikum auf dem Berliner August-Bebel-Platz bekam von dem Gesagten allerdings nichts mit außer unverständlichem Gemurmel, weshalb es sich denn schon am Vormittag verflüchtigte. Lachhaft und höchst anmaßend wirkte plötzlich das Werbefoto der Veranstaltung, das eine riesige Menschenmasse am selben Ort zeigte. Das aufgeregte Getue der Veranstalter im Vorfeld, welche Plätze für die Presse reserviert seien und wer sich überhaupt bis wohin bewegen dürfe, wurde durch das Desinteresse der Öffentlichkeit ganz von allein gegenstandslos.
In der Tat: Weder Wim Wenders in roten Turnschuhen noch das einstige Fotomodell Bianca Jagger noch die übrigen 110 Viertelpromis aus Kultur, Politik und Antiglobalisierungsaktivismus sind so attraktiv, dass man sich auf dem besonnten, aber doch recht zugigen Bebel-Platz, wo einst die Bücherverbrennung der Nazis stattgefunden hatte und jetzt ein Mahnmal daran erinnert, länger als drei Minuten aufhalten mochte. Die Teilnehmer am Tisch hatten aber hundert Fragen je drei Minuten lang zu beantworten, das macht mit An- und Absagen und Essens- und Kaffeepausen gut und gern neun Stunden.
Drei Minuten für Menschheitsfragen wie: "Welche Religion hat Gott?", "Was können wir von Afrika lernen?" oder: "Warum gibt es noch keinen Frieden in Nahost?" sind natürlich ein Witz. Schon um diese nichtige Aktion umrissweise darzustellen, braucht man länger als drei Minuten.
Vielleicht hätte das Projekt besser Dripping Knowledge heißen sollen, denn mehr als gedankliches Getröpfel kam in keinem Fall heraus. Fast immer waren die Knowledge-Dropper noch am Reden, als das Abbrechen-Kommando ertönte und ihnen die nächste Frage aufgegeben wurde.
Die Antwort-Rudimente sollen eine elektronische Enzyklopädie ergeben, denn fürs Internet, nicht für Berliner Passanten war die Veranstaltung gedacht. Sie wollten "eine digitale Plattform für neues soziales Denken" schaffen, hatten die Initiatoren des Projekts verkündet.
Schon dieser technoakademische Jargon ließ ahnen, dass hinter den gigantischen intellektuellen Prätentionen eine Form von radikaler Plattheit und Banalität steckt, deren Garant Ralf Schmerberg heißt. Er hat bisher Videoclips für die "Toten Hosen" und eine Menge Werbefilme gedreht, doch jetzt, da er nicht mehr aufs Portemonnaie schauen muss, liegt ihm die Weltverbesserung am Herzen. Übrigens ist Dropping Knowledge auch kein wirkliches Verlustgeschäft für ihn, denn allein im letzten Jahr flossen dem Verein eine Million Euro Spendengelder zu.
Offenbar hat Schmerberg mit seiner Fragen-Liste einen Nerv der Zeit und der Sponsoren getroffen. Es gibt ja schon die wichtigsten Bücher und das schönste Wort, die größten Deutschen und das umwerfendste Welterbe - da war es höchste Zeit für die Erstellung eines ultimativen Fragen-Kanons. Gerade in unserer Experten-Welt kommt die Unbefangenheit des Dilettanten zu neuen Ehren. Der reine Tor, der wie Parzifal die rechte Frage stellt, erscheint als ein Erlöser von komplexen Problemen.
Doch es gibt auch Formen des Sich-Dumm-Stellens, die nicht so harmlos sind, wie sie tun. Mit der Masche "Man wird doch wohl mal fragen dürfen" zum Beispiel werden geschichtliche Tatsachen dreist auf den Kopf gestellt. So wächst unter dem Deckmantel intelligenter Skepsis auch das Unkraut des Negationismus. Um hier die Spreu vom Weizen zu trennen, kommt es auf wirkliche Expertise an, auf Referenzen und Credentials jenseits von politischem Aktionismus und medialer Berühmtheit.
In dieser Hinsicht hatten die meisten Dozenten an jenem runden Tisch freilich wenig zu bieten, was einem irgendwie Vertrauen in ihre Weisheitsproduktion einflößen könnte. Im Gegenteil, man kann nur staunen, wie ausgerechnet Bundesaußenminister Steinmeier dazu kam, die Schirmherrschaft über diese Scharlatanerie zu übernehmen.
Vielleicht dachte er, es handele sich in erster Linie um ein Kunstprojekt. Und wahrhaftig: spätestens als ein eingeflogener Eskimo den Teilnehmern ein Mondlied sang, wusste man mit dreißig Jahren Happening-Erfahrung auf dem Buckel, was die Schmerberg-Stunde geschlagen hatte.
Das Publikum auf dem Berliner August-Bebel-Platz bekam von dem Gesagten allerdings nichts mit außer unverständlichem Gemurmel, weshalb es sich denn schon am Vormittag verflüchtigte. Lachhaft und höchst anmaßend wirkte plötzlich das Werbefoto der Veranstaltung, das eine riesige Menschenmasse am selben Ort zeigte. Das aufgeregte Getue der Veranstalter im Vorfeld, welche Plätze für die Presse reserviert seien und wer sich überhaupt bis wohin bewegen dürfe, wurde durch das Desinteresse der Öffentlichkeit ganz von allein gegenstandslos.
In der Tat: Weder Wim Wenders in roten Turnschuhen noch das einstige Fotomodell Bianca Jagger noch die übrigen 110 Viertelpromis aus Kultur, Politik und Antiglobalisierungsaktivismus sind so attraktiv, dass man sich auf dem besonnten, aber doch recht zugigen Bebel-Platz, wo einst die Bücherverbrennung der Nazis stattgefunden hatte und jetzt ein Mahnmal daran erinnert, länger als drei Minuten aufhalten mochte. Die Teilnehmer am Tisch hatten aber hundert Fragen je drei Minuten lang zu beantworten, das macht mit An- und Absagen und Essens- und Kaffeepausen gut und gern neun Stunden.
Drei Minuten für Menschheitsfragen wie: "Welche Religion hat Gott?", "Was können wir von Afrika lernen?" oder: "Warum gibt es noch keinen Frieden in Nahost?" sind natürlich ein Witz. Schon um diese nichtige Aktion umrissweise darzustellen, braucht man länger als drei Minuten.
Vielleicht hätte das Projekt besser Dripping Knowledge heißen sollen, denn mehr als gedankliches Getröpfel kam in keinem Fall heraus. Fast immer waren die Knowledge-Dropper noch am Reden, als das Abbrechen-Kommando ertönte und ihnen die nächste Frage aufgegeben wurde.
Die Antwort-Rudimente sollen eine elektronische Enzyklopädie ergeben, denn fürs Internet, nicht für Berliner Passanten war die Veranstaltung gedacht. Sie wollten "eine digitale Plattform für neues soziales Denken" schaffen, hatten die Initiatoren des Projekts verkündet.
Schon dieser technoakademische Jargon ließ ahnen, dass hinter den gigantischen intellektuellen Prätentionen eine Form von radikaler Plattheit und Banalität steckt, deren Garant Ralf Schmerberg heißt. Er hat bisher Videoclips für die "Toten Hosen" und eine Menge Werbefilme gedreht, doch jetzt, da er nicht mehr aufs Portemonnaie schauen muss, liegt ihm die Weltverbesserung am Herzen. Übrigens ist Dropping Knowledge auch kein wirkliches Verlustgeschäft für ihn, denn allein im letzten Jahr flossen dem Verein eine Million Euro Spendengelder zu.
Offenbar hat Schmerberg mit seiner Fragen-Liste einen Nerv der Zeit und der Sponsoren getroffen. Es gibt ja schon die wichtigsten Bücher und das schönste Wort, die größten Deutschen und das umwerfendste Welterbe - da war es höchste Zeit für die Erstellung eines ultimativen Fragen-Kanons. Gerade in unserer Experten-Welt kommt die Unbefangenheit des Dilettanten zu neuen Ehren. Der reine Tor, der wie Parzifal die rechte Frage stellt, erscheint als ein Erlöser von komplexen Problemen.
Doch es gibt auch Formen des Sich-Dumm-Stellens, die nicht so harmlos sind, wie sie tun. Mit der Masche "Man wird doch wohl mal fragen dürfen" zum Beispiel werden geschichtliche Tatsachen dreist auf den Kopf gestellt. So wächst unter dem Deckmantel intelligenter Skepsis auch das Unkraut des Negationismus. Um hier die Spreu vom Weizen zu trennen, kommt es auf wirkliche Expertise an, auf Referenzen und Credentials jenseits von politischem Aktionismus und medialer Berühmtheit.
In dieser Hinsicht hatten die meisten Dozenten an jenem runden Tisch freilich wenig zu bieten, was einem irgendwie Vertrauen in ihre Weisheitsproduktion einflößen könnte. Im Gegenteil, man kann nur staunen, wie ausgerechnet Bundesaußenminister Steinmeier dazu kam, die Schirmherrschaft über diese Scharlatanerie zu übernehmen.
Vielleicht dachte er, es handele sich in erster Linie um ein Kunstprojekt. Und wahrhaftig: spätestens als ein eingeflogener Eskimo den Teilnehmern ein Mondlied sang, wusste man mit dreißig Jahren Happening-Erfahrung auf dem Buckel, was die Schmerberg-Stunde geschlagen hatte.