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Druckwasserreaktor Flamanville
Prestige-Projekt mit Pannen-Serie

Vom Hoffnungsträger zum Skandalbauwerk: Frankreichs Stromkonzern EDF wollte mit dem Europäischen Druckwasserreaktor EPR den Anstoß für eine neue Generation von sicheren und wirtschaftlich effektiven Kernkraftwerken geben. Doch nun laufen die Kosten aus dem Ruder und der Zeitplan ebenso. EDF-Aktien geraten unter Druck.

Von Ursula Welter | 03.09.2015
    Bauarbeiten an einem neuen Block im Kernkraftwerk Flamanville; aufgenommen am 07.11.2012. Das Kernkraftwerk Flamanville, an der Westküste der französischen Halbinsel Cotentin am Ärmelkanal, hat insgesamt zwei in Betrieb befindliche Blöcke und einen in Bau befindlichen Block. Foto: PHOTOPQR/OUEST FRANCE/Stéphane GEUFROI/MaxPPP
    Bauarbeiten an einem neuen Block im Kernkraftwerk Flamanville (picture alliance / dpa / Stéphane Geufroi)
    Im Mai hörte sich das noch anders an:
    "Wir denken Nein", sagte der Chef des staatlichen Stromversorgers EDF Jean-Bernard Lévy im Sender Europe 1 damals auf die Frage, ob sich die Inbetriebnahme des Druckwasserreaktors in Flamanville über 2017 hinaus verschieben könne.
    "Das Ziel ist, den Druckwasserreaktor von Flamanville so rasch wie möglich in Betrieb zu nehmen, nach den Verzögerungen, die es bereits gab, hoffe ich, es wird 2017."
    Diese Hoffnung ist dahin. Heute früh bestätigte der staatliche Stromversorger EDF als Bauherr, dass der Reaktortyp der dritten Generation im vierten Quartal 2018 ans Netz gehen werde.
    Das Ursprungsdatum hatte 2012 geheißen, eine Serie von Pannen hatte den Zeitplan und die Kostenkalkulation bereits durcheinander gewirbelt, zuletzt war deshalb 2017 angepeilt worden. Aber im Frühjahr, im Zuge der Kontrollen nach dem Unglück von Fukushima, hatte die französische Atomaufsicht Unregelmäßigkeiten auf der Baustelle am Ärmelkanal gemeldet.
    "Es stellten sich Produktionsfehler heraus, die einige Jahre zurücklagen", erklärte der Chef der Atomaufsicht ASN, Pierre Franck Chevet damals. Produktionsfehler, die gravierende Folgen für die Sicherheit haben. Die Tests hatten ergeben, dass einzelne Stahlbestandteile für den Reaktordruckbehälter nicht sachgemäß zusammengesetzt wurden, damit besteht die Gefahr von Rissbildungen am Herzstück der Anlage.
    Bau-Verzögerung wirkt sich auf Abschaltung alter Kraftwerke aus
    "Das sind Unregelmäßigkeiten, die wir als sehr schwerwiegend bezeichnen!"
    Der Druck auf das Gefäß, das die Brennstäbe enthält, ist enorm. Die erneute Verzögerung beim Bau des Druckwasserreaktors in Flamanville am Ärmelkanal hat nun auch Folgen für die Abschaltung der älteren Kernkraftwerke Frankreichs.
    "Der Staat, der Präsident, die Umweltministerin haben ja gesagt, dass zwei Reaktoren abgeschaltet werden, sobald Flamanville ans Netz geht", hatte der EDF-Chef Jean-Bernard Lévy, zuletzt bestätigt. "Und es wurde entschieden, dass dies die beiden Reaktorgebäude von Fessenheim sein sollen."
    Mit dem Rückbau von Fessenheim sei aber noch nicht begonnen worden. Und das, obwohl Staatspräsident Hollande im Wahlkampf die Abschaltung des ältesten Kernkraftwerks Frankreichs, das am Rheinseitenkanal im Oberelsass steht, für 2016 zugesagt hatte, bevor er auch dieses Datum auf 2017 verschieben musste.
    Nun, mit den erneuten Verzögerungen auf der Baustelle am Ärmelkanal, rückt auch diese Zielmarke, 2017, nach hinten.
    Die Entscheidung, die Inbetriebnahme des Druckwasserreaktors der nächsten Generation weiter zu verschieben, trifft die französische Atombranche in schwierigen Zeiten. Außerdem hat EDF gerade erst die Übernahme des angeschlagenen Atomkonzerns AREVA, ebenfalls mehrheitlich in Staatsbesitz, bekannt gegeben. Und nun die anhaltenden Probleme mit dem Druckwasserreaktor in Flamanville, der mit 10,5 Milliarden Euro nun deutlich teurer werden wird.