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"Dügida"
Eine Herausforderung für die ganze Stadt

Busse und Bahnen werden umgeleitet, die Innenstadt teilweise gesperrt und hunderte Polizisten sind im Einsatz - wenn Woche für Woche das islamfeindliche Dügida-Bündnis in Düsseldorf auf die Straße geht, dann spüren tausende Düsseldorfer die Folgen. Dabei sind es meistens nur um die 60 Demonstranten. Das finden viele Betroffene nicht verhältnismäßig.

Von Vivien Leue | 14.04.2015
    Die Dügida-Demonstration vor dem Düsseldorfer Hauptbahnhof.
    Die Dügida-Demonstration vor dem Düsseldorfer Hauptbahnhof. (Deutschlandradio / Vivien Leue)
    "Es ist meistens so, dass die Leute normalerweise vom Bahnhof unsere Straße erreichen. Da alles vom Bahnhof gesperrt ist, macht sich das natürlich bemerkbar, die Menschen kommen nicht ungehindert auf diese Straße. Wer hier unbedingt sein will, muss Umwege auf sich nehmen. Und um eine Pommesbude oder eine Bäckerei aufzusuchen, macht man keinen Umweg."
    Gülsen Celebi sitzt hinter ihrem Schreibtisch in der Düsseldorfer Graf-Adolf-Straße, es ist Montag, früher Abend. Vom dritten Stock ihrer Kanzlei kann sie direkt auf die Straße blicken - normalerweise eine der Hauptverkehrsadern Düsseldorfs. Heute ist sie wie leer gefegt - statt Dutzender Autos im Feierabendverkehr steht ein halbes Dutzend Polizeiwagen auf der Straße. Beamte in Einsatzkleidung besprechen sich, einige Polizisten rücken schon einmal die Absperrungen zurecht. Gleich geht hier nichts mehr. Gleich kommt Dügida, und das jetzt schon seit gut drei Monaten. Hotelier Hans-Günter Felser vom Hotel Central hat seinen Betrieb direkt auf der Demonstrationsstrecke:
    "Wir sind noch geduldig, es ist allerdings nicht nachvollziehbar, dass mittlerweile ein paar Dutzend die Stadt hier in Beschlag nehmen. Das, was sie gesagt haben, haben sie gesagt, und dann sollte nicht hier die ganze Stadt immer in Geiselhaft genommen werden."
    Tatsächlich hat sich die Teilnehmerzahl der Dügida-Demonstration in den letzten Wochen auf um die 60 Menschen eingependelt. Nicht viel, mag man denken - aber auch diese 60 haben Rechte:
    "Wir haben die Polizei darauf aufmerksam gemacht, dass das so nicht weiter gehen kann, das sind ja schon mehrere Wochen, die das so geht. Man hat uns darauf hingewiesen, dass das Demonstrationsrecht höherrangig ist und das wir das hinnehmen müssen."
    Teilnehmer vor allem aus anderen Städten
    Dabei kommen die allermeisten Demonstrationsteilnehmer gar nicht selbst aus Düsseldorf. Laut Polizei reisen sie aus Dortmund, Wuppertal, Köln oder Bonn an - und sind den Behörden aus der rechten Szene gut bekannt:
    Polizeisprecher Andreas Czogalla erklärt, dass seinen Kollegen die Hände gebunden sind: "Wir als Polizei sind Anmeldebehörde. Das heißt, jeder kann eine Demonstration anmelden. Und wenn wir nicht ganz konkrete Gefahren sehen, die durch diese Veranstaltung entstehen, können wir eine Veranstaltung auch nicht verbieten."
    So haben sich Anwohner ihre eigene Strategie gegen die montägliche Dügida-Veranstaltung überlegt: Ein Straßenfest soll ihnen den Weg abschneiden - denn auch ein Straßenfest muss geschützt werden. Und: Die Dügida-Veranstalterin Melanie Dittmer hat Anfang März selbst dafür gesorgt, dass die Route verkürzt wurde: Denn bis dahin ging sie vorbei an einer Moschee - und dort rief Dittmer zu Straftaten auf:
    "Frau Dittmer hatte insbesondere bei der Demonstration eine Woche zuvor den Aufruf ‚Wir wollen keine Salafistenschweine' angestimmt. Und damit hatte sie den Schutzbereich des Versammlungsrechts verlassen. Dieses Verhalten ist durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nicht mehr gedeckt gewesen", erklärt Verwaltungsrichterin Nicola Haderlein. Aber trotzdem: Montag für Montag hört es sich am Hauptbahnhof und den umliegenden Straßen so an.
    Polizeisprecher Czogalla: "Wir haben fast 600 Beamte jeden Montag hier im Einsatz. Das ist aus polizeilicher Sicht auch notwendig, wir haben schon abgespeckt, ganz am Anfang hatten wir fast 1000 Beamte im Einsatz. Wir haben eine Anmeldung von Dügida, wir haben aber ganz viele Gegenanmeldungen, also Gegendemonstrationen. Und weil wir davon ausgehen müssen, dass es da auch zu Konfrontationen kommen kann, müssen wir uns entsprechend stark aufstellen."
    Deutlich mehr Gegendemonstranten
    Ja, tatsächlich: Nur etwa 50 Meter vom Pulk der Dügida-Anhänger entfernt stehen Dutzende Gegendemonstranten hinter einer Polizeiabsperrung, es sind gefühlt dreimal so viele wie die Dügida-Demonstranten. So geht es jeden Montag hin und her, Dügida kommt, noch mehr Gegendemonstranten folgen und letztlich steht stundenlang das Leben rund um den Hauptbahnhof fast still. Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel erklärt:
    "Man muss sich schon fragen, ob es bei aller überragenden Wichtigkeit der Demonstrationsfreiheit, die ich in keinster Weise einschränken möchte, ein Stück weit muss man sich schon fragen, ob zwei Dutzend Leute den gesamten ÖPNV in diesem Bereich lahmlegen können, wahnsinnige Verkehrsstaus verursachen, den Einzelhandel schädigen, und dann natürlich auch die Beeinträchtigung von Menschen, Muslimen, die sich beschimpfen lassen müssen, da muss man schon abwägen, ob das gerechtfertigt ist."
    Geht es nach der Veranstalterin Melanie Dittmer, macht Dügida erst einmal so weiter - sie hat die Demo schon vorsorglich bis Ende des Jahres angemeldet. Für den Pizzeria-Inhaber Massimo Fresa wäre das fatal: Sein Restaurant liegt auf der Demonstrationsstrecke und er klagt schon jetzt über Umsatzeinbußen, die so hoch sind wie seine Monatsmiete:
    "Ein Monat lang geht, wir können das verkraften, aber wenn das ist ein Jahr lang, wer soll das ersetzen?"