Der Gegensatz könnte größer nicht sein: Draußen das Gewusel der New Yorker Upper East Side, drinnen gedämpftes Licht und stummes Grauen. Draußen die Welt und drinnen die Unterwelt in Gestalt des intimen Horrorkabinetts, das Besucher der Alfred-Kubin-Ausstellung in der Neuen Galerie erwartet. Nicht dass der "Österreichische Goya”, wie Kubin auch genannt wurde, je für besonders gemütserhebende Darstellungen des Dies- oder Jenseits bekannt gewesen wäre. Nur dürfte die Begegnung mit dem zeichnenden Apokalyptiker aus der europäischen Provinz das hiesige Publikum zunächst einmal ziemlich erschrecken, ist dies doch die erste Kubin-Ausstellung überhaupt in einem amerikanischen Museum.
Man hat sich dafür entschieden, den 1877 in Nordböhmen geborenen und 1959 im oberösterreichischen Zwickledt verstorbenen Künstler hier mit seinem Frühwerk vorzustellen. Genauer: Mit etwa hundert Arbeiten aus den Jahren zwischen 1897 bis 1909.
"Zum einen, weil es natürlich das spektakulärste seines Schaffens ist, der spektakulärste Teil mit diesen provozierenden und düsteren Visionen,"
erklärt Annegret Hoberg von der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München, die die Schau als Gastkuratorin organisiert hat.
"Zum anderen auch, weil das spätere Werk, also ab den zwanziger Jahren, für ein internationales Publikum sehr schwer vermittelbar ist. Es hat schon sehr viel mit Österreich, mit Mitteleuropa, mit Böhmen und so weiter zu tun."
Was also ist zu sehen? Zuerst eine Reihe von Originalen der Illustrationen zu jenem Roman, mit dem Alfred Kubin 1909 in Künstler- und Schriftstellerkreisen für Aufsehen sorgte. "Die andere Seite”, so der Titel, spielt in einem Traumreich, das sich als Alptraum entpuppt. Auf den ersten Blick pittoreske Ansichten der fiktiven Hauptstadt Perle wechseln sich ab mit Tuschzeichnungen von Gespensterpferden, Schädeln im Astwerk und Menschen am Spieß.
Als Illustrator fantastischer Literatur unter anderem von Edgar Allen Poe und Nikolai Gogol trat Kubin später noch häufig hervor. Doch die Ausstellung führt zurück zu den Anfängen von Kubins Faszination für Folter, Tod und Einsamkeit, für Unterwerfung und Sexualität. Dazu Annegret Hoberg:
"Er hat sich für sein Werk, also gerade für das Frühwerk, auf bestimmte traumatische Kindheitserinnerungen bezogen. Unter anderem die Verführung durch eine schwangere Frau in seiner Kindheit, als er elf Jahre war. Oder dieses strafende harte Wesen seines Vaters. Also Ohnmacht, Übermacht und Verderben, was er damit in Zusammenhang gebracht hat. Oder auch bestimmte Mordszenen, die er mitansehen musste als Kind."
Zerstückelte Leiber, groteske Monster, geschwollene Bäuche, der Mensch als Spielball des Schicksals und Sklave der eigenen Begierden - war Alfred Kubin nicht einfach ein Fall für den Psychiater? Vermutlich schon. Doch einem befreundeten Priester, der ihm statt einer Analyse gleich die Rettung der Seele an sich versprach, soll Kubin warnend gesagt haben: "Sie wollen mir meine Ängste nehmen - aber die Angst ist ja mein Kapital!"
Alfred Kubins Schaffen ausschließlich als künstlerischen Ausdruck eines gequälten Geistes zu verstehen, wäre freilich verfehlt. Diese Innenansichten hätten durchaus zur Zeit gepasst, so Annegret Hoberg:
"Sigmund Freud hat seine Traumdeutung geschrieben, also überhaupt die Entdeckung des Unbewussten lag in der Luft, und die moderne Seele sozusagen hat sich im Werk Kubins irgendwie einen Ausdruck gesucht."
"Alfred Kubin - Drawings 1897-1909" ist eine konzentrierte und eben deshalb gelungene Ausstellung. Die Leihgaben stammen hauptsächlich aus den drei weltweit bedeutendsten Kubin-Sammlungen, aus der Albertina in Wien, dem Oberösterreichischen Landesmuseum in Linz und dem Münchner Lenbachhaus. Sie bilden, wie Annegret Hoberg zu Recht betont, ein in dieser Form noch nie zuvor versammeltes "Best of Alfred Kubin". Die merkwürdigen Hintergrundgeräusche, die entfernt an das Glucksen und Hecheln einer Beatmungsmaschine erinnern, oder das in schwarzen Samt gehüllte menschliche Skelett, das in einem gläsernen Sarg liegt - diese mitgelieferten Spezialeffekte wären da gar nicht nötig gewesen.
Man hat sich dafür entschieden, den 1877 in Nordböhmen geborenen und 1959 im oberösterreichischen Zwickledt verstorbenen Künstler hier mit seinem Frühwerk vorzustellen. Genauer: Mit etwa hundert Arbeiten aus den Jahren zwischen 1897 bis 1909.
"Zum einen, weil es natürlich das spektakulärste seines Schaffens ist, der spektakulärste Teil mit diesen provozierenden und düsteren Visionen,"
erklärt Annegret Hoberg von der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München, die die Schau als Gastkuratorin organisiert hat.
"Zum anderen auch, weil das spätere Werk, also ab den zwanziger Jahren, für ein internationales Publikum sehr schwer vermittelbar ist. Es hat schon sehr viel mit Österreich, mit Mitteleuropa, mit Böhmen und so weiter zu tun."
Was also ist zu sehen? Zuerst eine Reihe von Originalen der Illustrationen zu jenem Roman, mit dem Alfred Kubin 1909 in Künstler- und Schriftstellerkreisen für Aufsehen sorgte. "Die andere Seite”, so der Titel, spielt in einem Traumreich, das sich als Alptraum entpuppt. Auf den ersten Blick pittoreske Ansichten der fiktiven Hauptstadt Perle wechseln sich ab mit Tuschzeichnungen von Gespensterpferden, Schädeln im Astwerk und Menschen am Spieß.
Als Illustrator fantastischer Literatur unter anderem von Edgar Allen Poe und Nikolai Gogol trat Kubin später noch häufig hervor. Doch die Ausstellung führt zurück zu den Anfängen von Kubins Faszination für Folter, Tod und Einsamkeit, für Unterwerfung und Sexualität. Dazu Annegret Hoberg:
"Er hat sich für sein Werk, also gerade für das Frühwerk, auf bestimmte traumatische Kindheitserinnerungen bezogen. Unter anderem die Verführung durch eine schwangere Frau in seiner Kindheit, als er elf Jahre war. Oder dieses strafende harte Wesen seines Vaters. Also Ohnmacht, Übermacht und Verderben, was er damit in Zusammenhang gebracht hat. Oder auch bestimmte Mordszenen, die er mitansehen musste als Kind."
Zerstückelte Leiber, groteske Monster, geschwollene Bäuche, der Mensch als Spielball des Schicksals und Sklave der eigenen Begierden - war Alfred Kubin nicht einfach ein Fall für den Psychiater? Vermutlich schon. Doch einem befreundeten Priester, der ihm statt einer Analyse gleich die Rettung der Seele an sich versprach, soll Kubin warnend gesagt haben: "Sie wollen mir meine Ängste nehmen - aber die Angst ist ja mein Kapital!"
Alfred Kubins Schaffen ausschließlich als künstlerischen Ausdruck eines gequälten Geistes zu verstehen, wäre freilich verfehlt. Diese Innenansichten hätten durchaus zur Zeit gepasst, so Annegret Hoberg:
"Sigmund Freud hat seine Traumdeutung geschrieben, also überhaupt die Entdeckung des Unbewussten lag in der Luft, und die moderne Seele sozusagen hat sich im Werk Kubins irgendwie einen Ausdruck gesucht."
"Alfred Kubin - Drawings 1897-1909" ist eine konzentrierte und eben deshalb gelungene Ausstellung. Die Leihgaben stammen hauptsächlich aus den drei weltweit bedeutendsten Kubin-Sammlungen, aus der Albertina in Wien, dem Oberösterreichischen Landesmuseum in Linz und dem Münchner Lenbachhaus. Sie bilden, wie Annegret Hoberg zu Recht betont, ein in dieser Form noch nie zuvor versammeltes "Best of Alfred Kubin". Die merkwürdigen Hintergrundgeräusche, die entfernt an das Glucksen und Hecheln einer Beatmungsmaschine erinnern, oder das in schwarzen Samt gehüllte menschliche Skelett, das in einem gläsernen Sarg liegt - diese mitgelieferten Spezialeffekte wären da gar nicht nötig gewesen.