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Durchbohrt

"Kommen Sie schnell, der Specht ist da, das Styropor fliegt durch den Garten, der haut unser ganzes Haus kurz und klein." Solche Anrufe erreichen die Spechthotline häufig. Sie weiß Rat, wie man mit rabiaten Würmersuchern umgeht.

Von Anke Ulke | 09.08.2010
    "Schönen guten Tag, hier die Specht-Hotline, Holm Draber am Apparat, was kann ich für Sie tun?"

    Wer die Nummer der Spechthotline wählt hat einen Schaden. Nämlich an seiner frisch gedämmten und schön verputzten Hausfassade, wo dickes Styropor vor Kälte schützen soll. Doch wenn der Buntspecht zuschlägt, ist es vorbei mit dem Wärmeschutz. Die Anrufer sind erst mal verzweifelt, so der Berliner Malermeister Holm Draber:

    "Kommen Sie schnell, der Specht ist da, das Styropor fliegt durch den Garten, der haut unser ganzes Haus kurz und klein. Natürlich haut er das Haus nicht kurz und klein, aber wenn die das Styropor da aus der Dämmung rauspicken, sieht das schon beeindruckend aus. Und Tatsache ist, an diesen Stellen entsteht da schon ein Schaden, die Dämmung ist nicht mehr intakt, die Isolierung ist kaputt, das Wasser kann einlaufen, da muss man wirklich handeln und das möglichst schnell."

    Der 42-jährige Malermeister wird immer öfter angerufen, um Spechtschäden zu beseitigen. Die Löcher haben einige Zentimeter Durchmesser, sind bis zu zehn Zentimetern tief, meist sind mehrere in einer Fassade. Charlottenburg, Kudamm, Invalidenstraße, Nordbahnhof - im ganzen Stadtgebiet breiten sich die bunt gefiederten Vögel aus und nehmen sich die Wände vor. 150 kreisrunde Löcher in einem Stadtteil sind bisher der Rekord. Auch in Weißensee, wo Draber seine Firma hat, trommelt der Buntspecht fleißig an die Hauswand. Man muss nur um die Ecke gehen und eine gelb getünchte Fassade hochschauen:

    Hier hat ein Specht - ganz uneigennützig - bei der Nahrungssuche offenbar eine Nisthöhle für ein Spatzenpärchen geschaffen. Das Phänomen ist jedoch nicht neu. Jens Scharon vom NABU Berlin:

    "Wir verfolgen das etwa seit 12 Jahren, seitdem das mit der Wärmedämmung begonnen hat in verstärktem Maße und es gibt verschiedene Ursachen. Zum einen ist hier schon eine sehr grüne Gegend, wir haben einen großen Friedhof in der Nähe, mit dem Altbaumbestand, wir haben ein Naturschutzgebiet auf der anderen Seite mit einem Altbaumbestand, wo überall Spechte leben. Der Spechtbestand in Berlin hat sich ohnehin in den letzten Jahren positiv entwickelt, hat zugenommen und beides zusammen, die wärmegedämmten Fassaden und die Zunahme des Spechtes bringen dann eben das zur Folge, dass die Tiere dann auch an die Dämmung gehen."

    Vor allem am Abend, wenn die Sonne die Fassaden wärmt, sammeln sich viele Insekten an den Hauswänden. Das wissen nicht nur Spechte, sondern auch Sperlinge, Rotschwänze und Fledermäuse. Doch der Specht markiert mit dem Klopfen auch sein Revier – und Polystyrol unter Putz klingt ähnlich wie morsches Holz. Manchmal wurde aber auch beim Bauen nachlässig gearbeitet, weiß Klemens Steiof von der Obersten Naturschutzbehörde Berlin:

    "Es gibt auch Spechtlöcher an Fassaden, die an schadhaften Stellen auftreten. Wir hatten mal einen Fall in Berlin, da stand ein Gerüst direkt an einer solchen frisch Wärme gedämmten Wand und hatte an regelmäßigen Abständen den Putz etwas eingedrückt. Offenbar haben Insekten diese kleinen Löcher genutzt, um sich da zu verstecken, und der Specht hat dann in regelmäßigen Abständen die Fassade aufgeschlagen."

    Gegen den Buntspecht können Hausbesitzer nicht viel unternehmen. Die Vögel sind europaweit geschützt - fangen und weit weg wieder aussetzen ist umständlich, abschießen geht gar nicht und Gelege und Jungvögel auch anderer Arten wie Spatzen sind tabu; während der Brutzeit kann die Fassade nicht geflickt werden. Erst wenn die gefiederten Bewohner ausgezogen sind, legt Malermeister Holm Draber mit der Reparatur los. Meist kommen die Buntspechte nach dem Einsatz auch nicht wieder – Verlass ist allerdings nicht darauf.NABU-Experte Jens Scharon fordert Ideen von der Baustoffindustrie:

    "Dieses leichte Polystyrol – man beobachtet es auch wenn es irgendwo lagert, dann machen auch Krähen Schabernack und zerpflücken das und Ähnliches, und dann diese dünne Putzschicht darüber – da muss man nach anderen Lösungen suchen, wenn dieses Phänomen auftritt, weil letztendlich kommt es den Bauherren günstiger, wenn er einmal etwas mehr Geld in die Hand nimmt, als wenn er immer wieder die Fassade reparieren lassen muss."

    Wer sein Haus mit Mineralwolle statt billigerem Styropor dämmt, muss zwar etwas mehr Geld auf den Tisch legen, hat aber vor Spechten meist seine Ruhe. Denn der Buntspecht hat, ungern lange Fasern im Schnabel und außerdem stimmt die Akustik nicht. Manchmal helfen auch Raubvogelattrappen oder Flatterbänder. Nur selten hat ein Specht so einen Dickkopf, dass er sich gar nicht vertreiben lässt.