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"Durchbruch durch die Schallmauer"

Für 15,5 Millionen Euro bauen die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden eine Datenbank für ihre Bestände auf. "Ohne Forschungsarbeit in der Zukunft werden unsere Museen nicht mehr allzu viel bieten können. Und hier haben wir jetzt endlich die Plattform, um in der Hinsicht deutlich mehr leisten zu können", erläuterte Generalsekretär Martin Roth die Bedeutung der Investition.

Moderation: Karin Fischer |
    Karin Fischer: Daphne, so heißt ein wertvolles Trinkgefäß vom Ende des 16. Jahrhunderts aus dem Grünen Gewölbe, eines der wertvollen Schätze der Dresdner Kunstsammlungen. Eine silbervergoldete Nymphe ist da zu sehen, deren Kopf und Hände sich in einen Baum verwandeln in Zweige aus roter Koralle. Die Koralle selbst ist ja ein vielfältig Ding, Tier, Pflanze und harter Stein zugleich. Vielleicht ist es diese wundersame Verwandlungsfähigkeit, die einem Projekt dem Namen gab, mit dem sich Dresden jetzt an die Spitze musealer Erschließungstechnik katapultiert.

    Daphne heißt nämlich eine Datenbank, ein elektronisches Verzeichnis, in dem die gut eine Million Kunstwerke aus dem Dresdner Bestand aufgelistet werden sollen. 15,5 Millionen Euro werden dafür vom Freistaat zur Verfügung gestellt. Personal gibt es auch, die Software wurde eigens für Dresden entwickelt. Ich habe Martin Roth, den Generaldirektor der Stiftung Kunstsammlung Dresden, vor der Sendung gefragt, ob das eher ein technischer oder ein inhaltlicher Quantensprung für sein Haus ist.

    Martin Roth: Es ist beides, Frau Fischer. Es ist auf der technischen Seite wirklich der Durchbruch durch die Schallmauer, endlich ein vernünftiges Werkzeug, mit dem wir sowohl die Inhalte als auch sozusagen die technischen Fragen zusammenbringen können. Und was es in Bezug auf die Forschung dazu zu sagen gibt, das ist natürlich grandios, weil: Ohne Forschungsarbeit in der Zukunft werden unsere Museen nicht mehr allzu viel bieten können. Und hier haben wir jetzt endlich die Plattform, um in der Hinsicht deutlich mehr leisten zu können.

    Fischer: Vielleicht können wir es konkret haben, Herr Roth, an einem Beispiel, wie dieser technische Fortschritt mit den inhaltlichen Bedürfnissen Ihres Hauses und natürlich auch den politischen Anforderungen sozusagen zusammenzubringen ist.

    Roth: Nehmen Sie ein Objekt, nehmen wir Meissner Porzellan aus der Porzellansammlung. Vielleicht ein Objekt, von dem viele vorliegen, und trotzdem sind es sehr wertvolle Objekte, wie Sie wissen. Das heißt, man muss in den verschiedensten Hintergründen genügend Belegmaterial zusammenbringen, um die Herkunft klären zu können, aber auch, sagen wir mal, den Forschungszusammenhang richtig darstellen zu können. Dieses Werkzeug ermöglicht es nun, auf einem sehr großen Plan, in einem sehr großen Zusammenhang, die Daten zusammenzuführen, so dass wir die entsprechenden Schlussfolgerungen daraus ziehen können. Aber wenn es jetzt um die politische Dimension geht, bedeutet es natürlich auch, dass wir auf diese Art und Weise leichter klären können, ob es tatsächlich unser Besitz ist, oder ob es möglicherweise Besitzansprüche an uns geben könnte, die tatsächlich mit der jüngeren Geschichte, das heißt mit der Nachkriegsgeschichte, zu tun haben könnten.

    Fischer: Solche Kunstkammern wie Ihr Haus sind ja häufig tatsächlich, ich möchte nicht sagen, Grab oder Abstellkammern für die Kunstschätze. Kein Mensch weiß ganz genau, was alles wie oft existiert. In letzter Zeit hatten Sie die Frage zu klären anlässlich der Rückforderungen von wertvollen Kulturschätzen durch das sächsische Adelshaus. War das eine zusätzliche oder die eigentliche Motivation für diese Totalerfassung?

    Roth: Na, es war wirklich eine zusätzlich Motivation, aber bitte nicht nur auf die Wettiner bezogen, sondern auch wirklich auf den jüdischen Besitz und alles, was sozusagen das Unrecht des Dritten Reiches und der DDR auch mit sich gebracht hat. Aber das ist wirklich nicht der einzige Punkt. Ich wende mich natürlich auch mal ganz, ganz massiv dagegen, dass man von Grabkammern der Geschichte in Bezug auf die Museen spricht. Das sind die Schätze, von denen auch unsere Kinder und Enkelkinder leben werden. Das ist wirklich sozusagen das Archiv der deutschen Geschichte, und das muss gepflegt werden, und um diese Objekte deutlich auch für Ausstellungen in der Zukunft vorbereiten zu können, aber auch zum Teil, wenn Sie so wollen, Tiefenbohrungen in diesen Depots stattfinden zu lassen, das heißt, ganz neue Themen mit den Objekten zu verbinden, Zukunftsthemen mit den historischen Objekten zu verbinden. Dazu sind genau solche Forschungsprojekte notwendig, und dazu sind wir jetzt in der Lage, nachdem Daphne aufgelegt worden ist.

    Aber wissen Sie, Frau Fischer, es ist zum Teil nur das Werkzeug Daphne. Das andere ist natürlich schon auch sozusagen die politische Signalwirkung, die hier vom Freistaat Sachsen ausgeht, dass wir ein Bundesland haben, das 15 Millionen für Forschung zur Verfügung stellt, für Forschung und Dokumentation. Das setzt Zeichen, und das ist, glaube ich, europaweit ziemlich einzigartig.

    Fischer: Sie haben die Restitution ehemals jüdischen Besitzes erwähnt. In dieser Hinsicht haben die deutschen Museen ja noch nicht wirklich alle ihre Hausaufgaben gemacht.

    Roth: Ich glaube, wir haben alle, alle wirklich ausnahmslos sehr viel dazu gelernt im Zusammenhang mit diesem Thema in den letzten zehn Jahren seit der Washington-Konferenz, die sich im Herbst dieses Jahres eben zum zehnten Mal jährt. Ich denke, wir haben alle eine gewisse Aufgabe, eine gewisse Verantwortung in diesem Zusammenhang übernommen. Und ich habe auch eins gelernt in den letzten Jahren, dass es ziemlich sinnlos ist, sich um jedes Objekt wieder von Neuem zu streiten. Natürlich kann man keine grundlegenden Strukturen in diese Debatte bringen. Aber das, was wir sozusagen dokumentieren können, oder je mehr wir dokumentieren können, je mehr Klarheit und Transparenz wir in diese Vorgänge bringen, desto leichter werden die politischen Entscheidungen sein, das heißt, die Restitutionsentscheidungen.

    Fischer: Martin Roth war das, der Generalsekretär der Kunstsammlungen Dresden im Gespräch zur Datenbank Daphne.