Der Zorn der Kinoverbände richtet sich aber nicht nur gegen die reichen Vetter in den Sendeanstalten, die – so meinen sie – von der Politik mit Samthandschuhen angefasst werden. Auch die Veränderung der Kriterien der Referenzförderung steht in der Kritik. Mehr als bisher nämlich 150.000 Besucher muss ein Film haben, um sich aus dem großen Topf der Kinokartenabgabe bedienen zu können. Diese Grenze halten die Kinobetreiber für entschieden zu hoch und zu unflexibel. Manch ein kleiner billiger Hochschulfilm kann schon mit 10.000 Besuchern ein ausgesprochener Erfolg sein und auch die deutlich niedrigeren Quoten für Dokumentarfilme und Kinderfilme gehen den Kritikern nicht weit genug.
Das neue Kriterium der Teilnahme an einem der großen Festivals in Cannes, Berlin und Venedig wird zwar im Grundsatz begrüßt, sei aber nicht konsequent durchgehalten. Schließlich müssten dann eigentlich alle Festivals zählen, denen von der Dachorganisation aller Festivals den so genannten "A-Status" zuerkannt bekommen worden ist, also beispielsweise auch das Schweizer Renommierfestival in Locarno. Dass ein deutscher Film einen Oskar bekommt, der dem Gesetz genauso viel Wert wäre wie 150.000 Zuschauer kommt ja eher selten vor.
Auf praktisch gar keine Gegenliebe stößt die Idee einen deutschen "Filmrat" zu gründen, ein ständiges Beratungsgremium, dass das "Bündnis für den Film" ablosen soll und ebenso wie dieses kaum Kompetenzen hätte. Kritisiert wird außerdem die Besetzung der Gremien vorwiegend mit Politikern und Produzentenvertretern. Eine "Ohrfeige für die Kreativen" sieht darin Thomas Bauermeister vom "Verband Deutscher Drehbuchautoren". Überhaupt wird Kultur ziemlich klein geschrieben im neuen Gesetz, das ganz auf die Bedürfnisse einiger großer Produzenten zugeschnitten ist. Dabei, so die "Bundesvereinigung des deutschen Films" der Verband der kleinen Produzenten, besteht die deutsche Filmwirtschaft vorwiegend aus Klein und Kleinstbetrieben. Viele Dokumentarfilmer arbeiten sogar als Ein-Personen-Firma.
Kaum auf der Welt steht der Entwurf des neuen Filmförderungsgesetzes also schon da wie ein zerrupftes Huhn. Dabei sollte er doch endlich die stark divergierenden Interessen der Filmbranche auf eine neue, breite und moderne Basis stellen. Die Kinos und die Videoauswerter die zur Kasse gebeten werden sehen sich als unfreiwillige Mäzene des deutschen Films und wollen ihre Zahlungen unter den Vorbehalt der Rückzahlung stellen. Schließlich sind ihnen die kassenstärksten Filme die allerliebsten und die kommen gemeinhin aus Amerika.
Joachim A. Birr vom Bundesverband Audiovisueller Medien, in dem die Videobranche zusammengeschlossen ist, wurde bei einer Podiumsdiskussion in Hamburg pampig: "Wir brauchen den deutschen Film nicht, aber der deutsche Film braucht die Videoauswertung." So viel Gift ist selten verspritzt worden in der deutschen Filmbranche. Was wird geschehen? Viel Zeit für Nachbesserungen bleibt der Kulturstaatsministerin nicht. Am 1.Januar 2004 soll das Gesetz schließlich in Kraft treten. Der Entwurf müsste also schleunigst in den Bundestag. Schon jetzt ist aber fraglich ob er tatsächlich dem deutschen Film nach vorne bringt. Christina Weiss erklärte inzwischen kleinlaut, sollte sich herausstellen, dass nach den neuen Kriterien zu viele Filme aus der Referenzförderung herausfallen würden, dann müsse man einen Sondertitel zur Förderung "ungewöhnlicher Filme" einführen. Als ob unser schöner Förderdschungel nicht schon kompliziert genug wäre.
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