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Dynamo Dresden
Fans werfen Polizei Unverhältnismäßigkeit vor

Anhänger von Dynamo Dresden fühlen sich zu Unrecht in die gewaltbereite Ecke gestellt. Konkretes Beispiel ist das Pokalspiel beim SC Freiburg vor einem Monat. Die Vorkommnisse dort hat das Fanprojekt Dresden nun untersucht und macht seinerseits der Polizei schwere Vorwürfe.

Von Bastian Rudde und Matthias Friebe | 23.11.2017
    Landfriedensbruch, Körperverletzung, Sachbeschädigung, Beleidigung, Verstöße gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz, Diebstähle. Die Liste möglicher Vergehen war lang, die die Freiburger Polizei einen Tag nach dem Pokalspiel veröffentliche und Dresdner Fans ankreidete.
    "Dieser Eindruck, den die Pressemitteilung der Polizei vermittelt, dass es ein Spiel war, wo es in massiver Art und Weise Fehlverhalten von Dresdner Fans gegeben hat, können wir so in dieser Form überhaupt nicht bestätigen", kontert Ronald Bec vom Fanprojekt Dresden im Gespräch mit dem Deutschlandfunk.
    Fanprojekt bemängelt unverhältnismäßiges Vorgehen der Polizei
    Das Fanprojekt kommt in seiner Rekonstruktion eher zu dem Fazit, dass die Freiburger Polizei an dem Pokalabend unverhältnismäßig hart bis schikanös gehandelt hat.
    "Mitten in Freiburg wurden wir von der Polizei völlig grundlos zu einer Kirche gelotst und komplett auseinandergenommen. Der Bus wurde sogar bis zum Motor durchsucht. Darüber hinaus wurde auch jede Person einzeln durchsucht, sogar im Intimbereich. Wir wurden ohne jeglichen Grund gefilmt und bekamen dabei eine Nummer. Dieses Prozedere dauerte über eine Stunde, so dass wir die komplette erste Halbzeit verpassten", berichtet ein Dresdner Anhänger in einer Befragung, die das Fanprojekt nach jedem Auswärtsspiel durchführt.
    Zu dem in Freiburg haben sich laut dem Fanprojekt 1.238 Personen zurückgemeldet. Die berichten, dass es nicht nur auf der Anreise, sondern auch im Stadion fragwürdiges Verhalten der Polizei gegeben habe. Ein Anhänger schreibt dem Fanprojekt, er sei anlasslos mit etwa 15 anderen im Stadion in Gewahrsam genommen worden.
    "Uns wird in der Zelle mitgeteilt, dass wir eine erkennungsdienstliche Maßnahme durchführen müssen. Wir haben den Polizisten mitgeteilt, dass dies bereits geschehen ist und sie gerne die Kollegen draußen fragen können. Nach wenigen Minuten kommt eine neue Polizistin und teilt uns mit, dass die Kollegen draußen vergessen haben zu protokollieren und deswegen die Maßnahme erneut durchgeführt werden muss."
    Die Gruppe verpasst das komplette Spiel – so wie viele andere Dynamo-Anhänger auch, schreibt das Fanprojekt.
    Hoffen auf stärkere Differenzierung bei Bewertung von Vorfällen
    Mitarbeiter Ronald Bec beziffert die Zahl der betroffenen Anhänger in Freiburg auf bis zu 200.*
    "Also wir reden hier nicht von Fans, denen man vermeintliches Fehlverhalten schneller zuschreibt wie jungen Männern von 18 bis 25, sondern durchaus auch von Leuten jenseits der 60, die uns Schilderungen haben zukommen lassen, deren Fahrzeuge beispielsweise kontrolliert worden sind. Und obwohl in den Fahrzeugen nichts gefunden wurde, sind ihnen Aufenthaltsverbote für die Stadt Freiburg ausgeteilt worden, beziehungsweise Platzverweise, und die mussten dann die Heimreise antreten noch vor dem Spiel."
    Ronald Bec räumt ein, dass der Ruf der Dresdner Fans nicht von Ungefähr kommt. Und der sagt, dass es in wenigen Fällen auch in Freiburg Gewalt durch Dynamo-Anhänger gab. Die rechtfertigt seiner Meinung nach aber nicht das Verhalten der Polizei. Bec hält es für möglich, dass Ausschreitungen bei einem Spiel in Karlsruhe im Mai als Vorgeschichte eine Rolle gespielt haben.
    Für die Zukunft hofft er auf eine stärkere Differenzierung bei der Bewertung von Vorfällen: "Dass es eben nicht nur eine polizeiliche Sichtweise auf Vorkommnisse an dem Spieltag gibt, sondern möglicherweise auch eine Sichtweise von mehreren Hundert oder Tausend Fußballfans, die so ein Spiel sehen. Aber es gibt auch eine Perspektive des Vereins, der so ein Spiel veranstaltet. Möglicherweise auch von Sicherheitsbeauftragten, die von dem Verein angestellt sind."
    Nur wenn man die Perspektiven aller Beteiligten einfließen lasse, davon ist Bec überzeugt, könne auf lange Sicht eine Verbesserung der Situation geschehen.
    * Ein Nachtrag der Redaktion, diese Information ist im Audio-Beitrag nicht enthalten.