Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


"E10 noch lange nicht durch"

Ohne verbindliche Garantien der Autoindustrie sei der Agrosprit nicht vermittelbar und werde über kurz oder lang wieder aus dem Verkehr gezogen, sagt der Verbraucherschützer Holger Krawinkel.

Holger Krawinkel im Gespräch mit Martin Zagatta | 08.03.2011
    Martin Zagatta: Verbunden sind wir jetzt mit Holger Krawinkel, Verkehrsexperte des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, der gleich an diesem Gipfelgespräch im Wirtschaftsministerium teilnehmen wird. Guten Tag, Herr Krawinkel!

    Holger Krawinkel: Guten Tag!

    Zagatta: Herr Krawinkel, gehen Sie da hin, um zuzuhören, wie sich die Regierung und die Verbände gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben, oder haben Sie auch ganz konkrete Forderungen?

    Krawinkel: Nein, es gibt natürlich eine klare Forderung: Wer tatsächlich an E10 festhalten will, der muss jetzt dafür sorgen, dass es verbindliche Garantien der Autohersteller gibt für diejenigen Fahrzeuge, deren Motoren E10 tatsächlich vertragen. Wenn es diese verbindlichen Garantien nicht gibt, dann bin ich ziemlich sicher, wird sich E10 nicht durchsetzen lassen.

    Zagatta: Gehen Sie davon aus, dass die Autohersteller dazu bereit sind, oder muss die Regierung das durchsetzen?

    Krawinkel: Ich denke schon, dass die Regierung ordentlichen Druck auf die Autohersteller ausüben wird. Wenn es nicht gelingt, wie gesagt, dann ist dieser Agrosprit nicht vermittelbar und dann wird er über kurz oder lang wieder aus dem Verkehr gezogen.

    Zagatta: Aber auch wenn es diese Garantie der Hersteller geben sollte, wie wollen Sie denn als Autofahrer nachweisen, dass ein möglicher Schaden auf die neue Spritmischung zurückzuführen ist? Da sagt Ihnen die Werkstatt doch wahrscheinlich, das ist normaler Verschleiß.

    Krawinkel: Ja, das ist natürlich eine sehr interessante Frage, ich denke, da muss es eben einfach eine Beweislastumkehr geben. Wenn garantiert wird, dass E10 keine Schäden anrichtet und der Autofahrer hat trotzdem ein Problem, dann muss der Autohersteller umgekehrt nachweisen, dass der Autofahrer sich trotzdem in irgendeiner Weise falsch verhalten hat, weil dass es sich um normalen Verschleiß handelt.

    Zagatta: Ist denn für Sie – Sie beschäftigen sich mit dem Thema ja schon länger und hören da ganz genau hin, was die Mineralölindustrie sagt – ist denn für Sie mittlerweile klar, ob diese E10-Beimischung, ob die Autos möglicherweise jetzt schädigt oder nicht? Sind die Zweifel für Sie ausgeräumt, zumindest für neuere Fahrzeuge?

    Krawinkel: Das ist natürlich wirklich schwer zu sagen, weil die Hersteller sich um klare Aussagen drücken. Wenn es so ist, wie sie sagen – dafür spricht einiges –, dann sollte es ja auch kaum ein Problem sein, eine verbindliche Garantie abzugeben, dass der Motor tatsächlich keine Schäden davonträgt. Wenn die Autohersteller selber Zweifel daran haben, dann ist natürlich auch klar, dass sie keine verbindlichen Garantien abgeben wollen.

    Zagatta: Wie ist es dann, glauben Sie, dass der Verbraucher, wenn es zu diesen Garantien käme, dass er diesen Sprit dann annimmt? Denn man hört ja auch, was am Preis spart, das geht dann durch den Mehrverbrauch wieder drauf – warum sollte man dann diesen neuen Sprit überhaupt tanken?

    Krawinkel: Tja, das ist natürlich genau das nächste Problem. Super Plus hat einen deutlich höheren Energiegehalt, das heißt, die Verwendung von E10 führt zu einem Mehrverbrauch, sodass der Preisunterschied fast aufgebraucht wird, der beträgt vielleicht noch ein bis zwei Cent, und das macht natürlich E10 auch nicht gerade sonderlich attraktiv.

    Zagatta: Haben Sie eine Erklärung, warum das mit solchen Spritsorten in anderen Ländern funktioniert und ausgerechnet im Autoland Deutschland nicht?

    Krawinkel: Na ja, soweit ich weiß, hat ja nur Frankreich E10 eingeführt, da ist es offensichtlich problemlos gelaufen. Andere Länder setzen auf andere Strategien, dort wird sozusagen Hochprozentiges verteilt, also E85 und so weiter, also praktisch eher reine Ethanol- oder Biotreibstoffe, die dann allerdings nur von einem bestimmten Anteil der Autos auch tatsächlich vertragen werden. Da ist Deutschland mit Frankreich eines der wenigen Länder, die auf diese Strategie setzen.

    Zagatta: Sie vertreten ja die Verbraucher, glauben Sie, dass das Vertrauen der Verbraucher in diesen E10-Sprit jetzt überhaupt kurzfristig zurückzugewinnen ist, oder ist es nicht sinnvoll, was wir ja auch schön hören, erste Stimmen, die da sagen, den Verkauf dieses Biosprits vorerst mal ganz auszusetzen, bis das sinnvoll geregelt ist?

    Krawinkel: Na ja, ich meine, das passiert ja faktisch. Das jetzt auszusetzen, ist ja das, was die Verbraucher bereits faktisch veranlassen. Er wird ja nicht verkauft, jedenfalls nicht in den Mengen, wie das mal geplant war, von daher sind wir faktisch schon in einer Moratoriumsphase. Nein, diese Garantien, die von mir angesprochen sind, das wäre sicher eine notwendige Bedingung – ob es reicht, da habe ich auch meine Zweifel, weil, wie gesagt, kommt das Problem Mehrverbrauch hinzu, sodass es wirtschaftlich nicht sonderlich attraktiv ist, auf E10 umzusteigen. Und die ökologischen Probleme, die werden ja sicher auch einige Autofahrer davon abhalten, E10 zu tanken, also die Frage Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion, stimmt tatsächlich die Klimabilanz. Und dann muss man auch dazusagen, dass E10 wieder eines dieser sehr teuren Klimaschutzmaßnahmen ist, also im Bereich von Fotovoltaik, was die Vermeidungskosten angeht, und da gibt es deutlich günstigere Möglichkeiten. Das Potenzial an Gleichlaufrädern ist nicht ausgeschöpft, auch Leichtöle können viel mehr im Motor eingesetzt werden, Leichtlauföle, sodass wir mindestens die gleiche Menge an CO2 gespart werden kann, ohne dass hier wesentliche zusätzliche Kosten verursacht werden. Ich denke, die Regierung wird unabhängig von dem Energiegipfel heute nicht umhinkommen – und diese Stimmen gibt es ja auch –, diese gesamte Bio-, ich würde eher sagen Agrospritstrategie noch mal gründlich zu überdenken.

    Zagatta: Und was raten Sie jetzt den Verbrauchern oder wie machen Sie das selbst, werden Sie, wenn Sie diese Garantie von den Herstellern bekommen, werden Sie dann diesen Biosprit tanken?

    Krawinkel: Es wird sich dann zeigen. Ich meine, im Moment ist es wirklich so, wer hier als – wie es so schön neudeutsch heißt – als First Mover das ausprobiert, ist natürlich möglicherweise im Moment der Gelackmeierte, deswegen werden wahrscheinlich nach wie vor sehr viele Verbraucher abwarten, ob es zu Schäden kommt, wie die Schäden dann reguliert werden. Ich glaube, selbst wenn es die Garantien gibt, ist E10 noch lange nicht durch.

    Zagatta: Holger Krawinkel, der Verkehrsexperte des Verbraucherzentrale Bundesverbandes in Berlin, der gleich an diesem Gipfelgespräch im Wirtschaftsministerium auch teilnimmt. Herr Krawinkel, danke schön für das Gespräch!

    Krawinkel: Ich danke Ihnen!