"Genosse Edathy, warum findet der Prozess nicht in Berlin statt?Das Oberlandesgericht in München ist doch vollkommen überfordert, die bauen nur Mist und werden weiter Mist bauen."
Berlin-Hellersdorf, rund 200 Menschen sind an diesem Abend in die Aula der Alice-Salomon-Hochschule gekommen. Sie haben Fragen, wollen von Sebastian Edathy wissen, was er über den Rechtextremismus in Deutschland denkt. Hören, was er über seine Arbeit im NSU-Untersuchungsausschuss zu sagen hat, den er seit mehr als einem Jahr leitet. Angesprochen auf das Vorspiel vor dem NSU-Prozess in München übt sich der SPD-Bundestagsabgeordnete in diplomatischer Zurückhaltung. Seine Worte wählt er sorgfältig:
"Es ist nicht meine Aufgabe und entspricht auch nicht meinem Rollenverständnis als Vorsitzender eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, ein Gericht zu kommentieren, das sich mit derselben Materie beschäftigt wie ich."
Anfang dieser Woche gab das Oberlandesgericht in München bekannt, dass es den Prozess gegen Beate Zschäpe und die mutmaßlichen Unterstützer des Nationalsozialistischen Untergrundes um einige Wochen verschieben werde. Im Terminkalender von Sebastian Edathy hat das Platz geschaffen. Denn zum Auftakt wollten viele Journalisten von ihm wissen, was er von dem Verfahren erwartet. Doch auch in dieser Frage: vorsichtige Zurückhaltung. Der 43-jährige studierte Soziologe warnt vor zu großen Erwartungen, erinnert an die Aufgabenteilung zwischen Justiz und Politik. Das Gericht befasse sich mit der Schuld der Täter. Sein Ausschuss dagegen müsse klären, ...
"... wie es eigentlich möglich sein konnte, dass über mehr als ein Jahrzehnt diese Rechtsterroristen morden und rauben konnten in Deutschland, ohne dass unsere Sicherungseinrichtungen dieser Gruppe auf die Spur gekommen wären."
Hellersdorf liegt im tiefen Osten Berlins. Über die Karl-Marx-Allee geht es hinaus, vorbei an vielen Plattenbausiedlungen, die inzwischen bunt angestrichen sind. Der Verwaltungsbezirk Marzahn-Hellersdorf ist der Wahlkreis von Petra Pau, 1998 wurde sie hier das erste Mal direkt in den Bundestag gewählt. Und seitdem immer wieder. Die linke Abgeordnete ist Vizepräsidentin des Bundestages und arbeitet zusammen mit Sebastian Edathy im Untersuchungs-Ausschuss. Sie hat ihn an diesem Abend in die Alice-Salomon-Hochschule eingeladen, schätzt ihn als Kollegen:
"Ich empfinde die Zusammenarbeit in diesem Ausschuss, sowohl mit dem Vorsitzenden Herrn Edathy, der sehr überparteilich die Arbeit leitet, wie auch mit allen anderen Kollegen bis hin zur CSU, als sehr wohltuend. Wenn man das bei diesem ekelhaften Thema von Menschenfeindlichkeit überhaupt sagen kann."
Auch Sebastian Edathy plagen keine Berührungsängste: Dies ist schon die dritte Podiumsdiskussion mit Petra Pau. Und so ein gemeinsamer Auftritt an einer Berliner Hochschule sei schließlich keine Koalitionsaussage. Denn eine Rot-Rot Kooperation auf Bundesebene weist der Sozialdemokrat weit von sich. Im Ausschuss aber legt auch er großen Wert auf die überparteiliche Zusammenarbeit. Auf seiner Facebook-Seite präsentiert er sich mit den Ausschuss-Kollegen aller anderen Fraktionen. Er selbst steht in der Mitte, vor ihm aufgebaut zahlreiche Mikrofone. Der NSU-Untersuchungsausschuss hat ihm viel Aufmerksamkeit beschert. Es ist seine Chance, sich in der Bundespolitik zu profilieren. An diesem Abend auf dem Podium der Alice Salomon Hochschule wirkt er sehr ernst - die Stirn in Falten gelegt, kaum ein Lächeln auf den Lippen:
"Der Punkt, den man kritisieren muss, ist, dass die Ermittlungen nicht ergebnisoffen geführt worden sind. Dass man mit einer vorurteilsbelasteten und – behafteten Grundthese an die Ermittlungsarbeit herangetreten ist: nämlich toter Türke gleich Mafia-Hintergrund."
Das alles hat Vertrauen in den Rechtsstaat zerstört – nicht nur bei Menschen mit Migrationshintergrund. Dem SPD-Politiker ist es ein Anliegen, eben dieses Vertrauen wiederzustellen:
"Ich bin auch der festen Überzeugung, dass es zu Demokratie und Rechtsstaat zwingend gehört, dass Frau Zschäpe die bestmögliche Verteidigung bekommt. Und wenn das, wenn die Verteidiger gut sind, dazu führt, dass der Prozess länger dauert, dann dauert der Prozess eben länger."
Der Untersuchungsausschuss wird nicht mehr allzu lange tagen, die meiste Arbeit ist erledigt, im Sommer sollen die Ermittlungen abgeschlossen sein. Sebastian Edathy wird sich dann ganz dem Wahlkampf in seinem niedersächsischen Wahlkreis Nienburg-Schaumburg widmen. 1998 ist er von dort zum ersten Mal als Direktkandidat in den Bundestag eingezogen - genauso wie in den folgenden Legislaturperioden. Während der Großen Koalition von 2005 bis 2009 war er Vorsitzender des Innenausschusses, danach wurde es erst einmal ruhiger um ihn.
Integration war schon immer eines seiner Themen:
"Das ist ein Thema, das mich interessiert. Aber in erster Linie als Demokrat und nicht aufgrund meiner Familienbiografie."
Denn in seiner Familienbiografie finden sich eine deutsche Mutter und ein indischer Vater. Mit vollem Namen heißt er Sebastian Edathiparambil – was wörtlich so viel heißt wie "linkes Grundstück". Irgendwann hat er sich für die Kurzform entschieden. Edathy allein heißt "links" – für einen Sozialdemokraten ganz passend.
Berlin-Hellersdorf, rund 200 Menschen sind an diesem Abend in die Aula der Alice-Salomon-Hochschule gekommen. Sie haben Fragen, wollen von Sebastian Edathy wissen, was er über den Rechtextremismus in Deutschland denkt. Hören, was er über seine Arbeit im NSU-Untersuchungsausschuss zu sagen hat, den er seit mehr als einem Jahr leitet. Angesprochen auf das Vorspiel vor dem NSU-Prozess in München übt sich der SPD-Bundestagsabgeordnete in diplomatischer Zurückhaltung. Seine Worte wählt er sorgfältig:
"Es ist nicht meine Aufgabe und entspricht auch nicht meinem Rollenverständnis als Vorsitzender eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, ein Gericht zu kommentieren, das sich mit derselben Materie beschäftigt wie ich."
Anfang dieser Woche gab das Oberlandesgericht in München bekannt, dass es den Prozess gegen Beate Zschäpe und die mutmaßlichen Unterstützer des Nationalsozialistischen Untergrundes um einige Wochen verschieben werde. Im Terminkalender von Sebastian Edathy hat das Platz geschaffen. Denn zum Auftakt wollten viele Journalisten von ihm wissen, was er von dem Verfahren erwartet. Doch auch in dieser Frage: vorsichtige Zurückhaltung. Der 43-jährige studierte Soziologe warnt vor zu großen Erwartungen, erinnert an die Aufgabenteilung zwischen Justiz und Politik. Das Gericht befasse sich mit der Schuld der Täter. Sein Ausschuss dagegen müsse klären, ...
"... wie es eigentlich möglich sein konnte, dass über mehr als ein Jahrzehnt diese Rechtsterroristen morden und rauben konnten in Deutschland, ohne dass unsere Sicherungseinrichtungen dieser Gruppe auf die Spur gekommen wären."
Hellersdorf liegt im tiefen Osten Berlins. Über die Karl-Marx-Allee geht es hinaus, vorbei an vielen Plattenbausiedlungen, die inzwischen bunt angestrichen sind. Der Verwaltungsbezirk Marzahn-Hellersdorf ist der Wahlkreis von Petra Pau, 1998 wurde sie hier das erste Mal direkt in den Bundestag gewählt. Und seitdem immer wieder. Die linke Abgeordnete ist Vizepräsidentin des Bundestages und arbeitet zusammen mit Sebastian Edathy im Untersuchungs-Ausschuss. Sie hat ihn an diesem Abend in die Alice-Salomon-Hochschule eingeladen, schätzt ihn als Kollegen:
"Ich empfinde die Zusammenarbeit in diesem Ausschuss, sowohl mit dem Vorsitzenden Herrn Edathy, der sehr überparteilich die Arbeit leitet, wie auch mit allen anderen Kollegen bis hin zur CSU, als sehr wohltuend. Wenn man das bei diesem ekelhaften Thema von Menschenfeindlichkeit überhaupt sagen kann."
Auch Sebastian Edathy plagen keine Berührungsängste: Dies ist schon die dritte Podiumsdiskussion mit Petra Pau. Und so ein gemeinsamer Auftritt an einer Berliner Hochschule sei schließlich keine Koalitionsaussage. Denn eine Rot-Rot Kooperation auf Bundesebene weist der Sozialdemokrat weit von sich. Im Ausschuss aber legt auch er großen Wert auf die überparteiliche Zusammenarbeit. Auf seiner Facebook-Seite präsentiert er sich mit den Ausschuss-Kollegen aller anderen Fraktionen. Er selbst steht in der Mitte, vor ihm aufgebaut zahlreiche Mikrofone. Der NSU-Untersuchungsausschuss hat ihm viel Aufmerksamkeit beschert. Es ist seine Chance, sich in der Bundespolitik zu profilieren. An diesem Abend auf dem Podium der Alice Salomon Hochschule wirkt er sehr ernst - die Stirn in Falten gelegt, kaum ein Lächeln auf den Lippen:
"Der Punkt, den man kritisieren muss, ist, dass die Ermittlungen nicht ergebnisoffen geführt worden sind. Dass man mit einer vorurteilsbelasteten und – behafteten Grundthese an die Ermittlungsarbeit herangetreten ist: nämlich toter Türke gleich Mafia-Hintergrund."
Das alles hat Vertrauen in den Rechtsstaat zerstört – nicht nur bei Menschen mit Migrationshintergrund. Dem SPD-Politiker ist es ein Anliegen, eben dieses Vertrauen wiederzustellen:
"Ich bin auch der festen Überzeugung, dass es zu Demokratie und Rechtsstaat zwingend gehört, dass Frau Zschäpe die bestmögliche Verteidigung bekommt. Und wenn das, wenn die Verteidiger gut sind, dazu führt, dass der Prozess länger dauert, dann dauert der Prozess eben länger."
Der Untersuchungsausschuss wird nicht mehr allzu lange tagen, die meiste Arbeit ist erledigt, im Sommer sollen die Ermittlungen abgeschlossen sein. Sebastian Edathy wird sich dann ganz dem Wahlkampf in seinem niedersächsischen Wahlkreis Nienburg-Schaumburg widmen. 1998 ist er von dort zum ersten Mal als Direktkandidat in den Bundestag eingezogen - genauso wie in den folgenden Legislaturperioden. Während der Großen Koalition von 2005 bis 2009 war er Vorsitzender des Innenausschusses, danach wurde es erst einmal ruhiger um ihn.
Integration war schon immer eines seiner Themen:
"Das ist ein Thema, das mich interessiert. Aber in erster Linie als Demokrat und nicht aufgrund meiner Familienbiografie."
Denn in seiner Familienbiografie finden sich eine deutsche Mutter und ein indischer Vater. Mit vollem Namen heißt er Sebastian Edathiparambil – was wörtlich so viel heißt wie "linkes Grundstück". Irgendwann hat er sich für die Kurzform entschieden. Edathy allein heißt "links" – für einen Sozialdemokraten ganz passend.