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Effizientes Treppenlaufen

Biomechanik. - In vielen berühmten Hochhäusern der Welt werden regelmäßig solche Wolkenkratzer-Rennen veranstaltet. Italienische Physiologen haben die Gunst der Stunde genutzt und beim jährlichen Treppenlauf im Mailänder Pirelli Tower die Leistungen der Läufer medizinisch unter die Lupe genommen. Ihre Ergebnisse stellten sie heute auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Experimentelle Biologie in Marseille vor.

Von Michael Stang | 09.07.2008
    Am 24. Februar fand in Mailand der jährliche Treppenlaufwettbewerb im Pirelli Tower statt. 710 Stufen verteilt auf 31 Stockwerke und 127 Höhenmeter mussten die zahlreichen Teilnehmer bewältigen. Eine einmalige Gelegenheit für Alberto Minetti, die körperlichen Beanspruchungen bei einem solchen Rennen zu untersuchen. Viele Wettkämpfer - darunter einheimische Bergläufer und Profis - erklärten sich bereit, an der Studie der Universität Mailand teilzunehmen.

    " Bei unseren Probanden waren Männer und Frauen vertreten, der Jüngste war 15 Jahre alt, und das ging hoch bis 65. Wir haben alle verkabelt, aber so, dass es sie beim Laufen nicht störte. Jeder Proband bekam dann noch einen digitalen Höhenmesser, der zehnmal pro Sekunde die jeweilige Position des Läufers angab. "

    Treppenlaufen ist für Physiologen wie Alberto Minetti völliges Neuland, da bei dieser Sportart nicht die horizontale Bewegung wichtig ist, sondern die vertikale. Stoffwechseldaten von Läufern gibt es zwar schon zur Genüge, jedoch beschränken sich alle nur auf die zurückgelegte Strecke. Daten, die Auskunft liefern über die Leistung beim Bewältigen von Steigungen - also das Treppensteigen als Rennen in die Höhe - gibt es bislang nicht.

    " Wir konnten also alle Prozesse im Körper verfolgen, die sich im Zusammenhang der mechanischen Belastung - also das Treppenlaufen als Bewegung - und dem Stoffwechsel der Wettkämpfer abspielen. Wir hatten also die Zeiten, die der Athlet bis zum Ziel benötigte, und konnten dann mit den anderen Daten ausrechnen, welche Energie die Muskeln maximal zu leisten imstande waren. "

    Ziel der italienischen Forscher war auch, aus den gewonnenen Erkenntnissen die beste Renntaktik abzuleiten. Dazu verglichen sie die Belastungen bei konstantem Tempo und bei Tempowechseln. Zahlt es sich wirklich aus, das Tempo ab und zu anzuziehen, um die Konkurrenten mürbe zu machen? Oder hat der konstante Läufer am Ende doch die größere Puste?

    " Wir konnten also sehen, wie nah die Athleten am Limit waren, welche Energiereserven sie noch hatten und welche sie davon noch freisetzen konnten. Das Spannende war, dass einige ihren Stoffwechsel überforderten. Dadurch bekamen sie nicht genug Energie und wurden langsamer. Mithilfe unserer Messgeräte konnten wir die zunehmende Belastung während des gesamten Rennens praktisch Meter für Meter und Sekunde für Sekunde exakt verfolgen. "

    Alberto Minetti und seine Kollegen kamen bei der Auswertung der Daten zu zwei Ergebnissen. Zum einen gab es große Unterschiede beim Stoffwechsel in den einzelnen Altersklassen - unabhängig vom Trainingszustand -, die sich zwischen den Jahren 15 bis 20, 20 bis 30, 30 bis 40 und 40 bis 50 und 50 bis 65 eindeutig einordnen lassen. Zum anderen haben sie Algorithmen entwickelt, die für einen Athleten ein so genanntes metabolisches Profil erstellen. Das ist nichts anderes als eine detaillierte Analyse des Stoffwechsels. Dieses Profil zeigt, wo die maximale Leistungsgrenze liegt, um eine bestimmte Geschwindigkeit halten zu können, ohne einzubrechen. Daraus lässt sich eine individuelle und optimale Renntaktik aus den medizinischen Daten bestimmen.

    " Die beste Strategie ist natürlich, so viel wie möglich vorher zu trainieren. Beim Wettkampf haben wir aber deutlich gesehen, dass die Teilnehmer weit vorne lagen, die ihre Geschwindigkeit konstant halten konnten. Viele Athleten, die am Anfang ein hohes Tempo gegangen sind, sind zum Teil völlig eingebrochen und mussten zeitweilig gehen. Gute Chancen haben daher die Läufer, die nicht zu schnell anlaufen und ihre Geschwindigkeit bis zum Schluss halten können. "

    Konstant das Tempo halten konnte der deutsche Treppenläufer Thomas Dold. Er siegte in neuer Rekordzeit. Gerade einmal 3:30 Minuten benötigte er für die 31 Stockwerke im Pirelli Tower.