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Eigenbluttherapie auch für Spitzensportler?

In der Erfurter Dopingaffäre um den Sportarzt Andreas Franke wird demnächst entschieden, ob auf die mit der UV-Blutbestrahlung behandelten Sportler eine Dopingsperre zukommt. Jetzt hat sich der renommierte Heilpraktiker Volker Müller aus Bayrischzell in Oberbayern dazu geäußert. Müller behandelt seit Jahren deutsche und internationale Weltklasseathleten und fordert nun ein Umdenken beim Thema Eigenbluttherapie für Spitzensportler.

Von Sebastian Krause | 04.03.2012
    Gerade mal rund 50 Kilometer entfernt von Ruhpolding, wo in diesen Tagen die Biathlon-WM gefeiert wird, liegt Bayrischzell - ein kleiner Wintersportort am Fuße der Alpen in Oberbayern. Seit Jahren pilgern Spitzensportler aus aller Welt hierher, um sich von Heilpraktiker Volker Müller kurieren zu lassen. Im Ort ist er schon lange ein Star, ergibt eine Umfrage:

    "Der Mann ist gigantisch/Ich würde sagen, der kann immer helfen/ Von überall kommen die Leute her/ Von Schweden meine ich sind auch welche da, oder Slowenien/ Den Markus Wasmeier habe ich schon getroffen, den Georg Hackl, die Uschi Disl und die Maria Riesch"

    Die Tür zur Praxis schwingt auf: Volker Müller, braun gebrannt, fit, durchtrainiert - in einem Alter, in dem andere in Rente sind, behandelt er mit seinem Sohn und Kollegen rund 100 Patienten am Tag.

    "Es sind absolute deutsche, österreichische, schweizerische, russische Weltklasseathleten. Ob Biathleten, Langläufer, Alpinfahrer, Skispringer – manche haben einen Hexenschuss und Wadlkrämpfe oder Tinnitus und das ist bei uns Gang und Gäbe, die Sportler gehen bei uns ein und aus."

    Volker Müller gilt als Wunderheiler: Bei fünf Olympischen Spielen war er schon dabei. Er hilft Spitzensportlern bei Hexenschüssen, nach Verletzungen, bei Entzündungen - und das, wie er sagt: mit Alternativ-Medizin, homöopathischen Mitteln, Chiropraktik, Naturheilkunde.

    Die Dopingaffäre in Erfurt verfolgt er mit Interesse, weil er selbst in seiner Praxis in Bayrischzell eine Eigenblutbehandlung anbietet, die auf der Dopingliste steht – und die Müller deshalb bei Spitzensportlern nicht anwenden darf.

    "Was mir am nächsten ist, ist, dass diese lächerliche homöopathische Eigenbluttherapie, das ist ja nichts, mit 0,2 ml Blut und dann steigernd auf 2 ml, dass man das von der Dopingliste nimmt… Es heißt nur: Eigenblut ist verboten. Das ist auch ein Zeichen, dass diese Leute, die diese Reglements aufstellen, diese Therapieform gar nicht kennen. Und deswegen geht man damit so flapsig um… Mir geht es darum, dass die Athleten die Möglichkeit haben, adäquat behandelt zu werden. Ein Sportler, der quetscht seinen Körper dermaßen aus, und darf viel weniger für die Prophylaxe, vorbeugend, tun, als es bei einem Durchschnittsbürger der Fall ist. Und das ist doch ungerecht."

    Dabei haben sich die Dopingjäger mit dem generellen Verbot von Eigenblutbehandlungen schon etwas gedacht. Weil niemals nachgewiesen werden kann, ob das Blut nur mit vermeintlich harmlosen homöopathischen Mitteln versetzt wird, oder doch in größeren Mengen, etwa mit Sauerstoff angereichert, zu einer verbotenen Leistungssteigerung verhilft.

    Die vom Erfurter Sportarzt Franke durchgeführte Blutbestrahlung mit UV-Licht habe Müller noch nie angewendet – weder bei Spitzensportlern noch bei anderen Patienten.

    Allerdings war Volker Müller im Betreuerteam der österreichischen Wintersportler bei Olympia in Salt Lake City 2002 dabei, als der damalige Trainer Walter Mayer die UV-Behandlung an Athleten durchführte.

    Wie Mayer wurde Müller zunächst gesperrt, später vom Internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne aber freigesprochen. Statt einer Sperre bekam der Heilpraktiker aus Bayrischzell eine strenge Verwarnung und wurde vier Jahre später wieder zu den Spielen nach Turin mitgenommen.

    Der frühere Generalsekretär des Österreichischen Olympischen Komitees, Heinz Jungwirth.

    "Ich kann es nur sagen von langen Gesprächen mit dem Walter Mayer. Der hat mir gesagt: Wenn die normale, ordentliche Medizin, die Schulmedizin, nicht mehr weiter weiß, da hat z.B. Volker Müller geholfen. Für uns war er der Guru. Ich habe damals immer gesagt: geh bitte, wer braucht den? Dann haben mir alle gesagt: Das ist der Guru, den brauchen wir unbedingt. Soll ich mich als Administrator dagegen wehren? Wenn die eine Medaille weniger haben, bin ich Schuld, weil der Guru nicht dabei war. Und so kam es dazu."

    Auch als in Turin 2006 im Quartier der Österreicher bei einer Razzia wieder Blutdopingbestecke gefunden wurden, war Müller also als Betreuer dabei – die Beteiligung an Dopingpraktiken wurde ihm aber nie nachgewiesen.

    Die Negativschlagzeilen und die strenge Verwarnung nach 2002 haben Müller – was die Zusammenarbeit mit deutschen Wintersportlern angeht – jedenfalls keine Probleme bereitet. Eine Abneigung oder Ablehnung vom deutschen Skiverband habe er nie gespürt.

    "Nein. Da habe ich nichts gemerkt davon. Wir haben Kontakt zum Trainer, zum Cheftrainer - Herren und Damen, und zum Disziplintrainer und zu den Physiotherapeuten und Ärzten."

    Bis heute behandele er Sportler des deutschen Skiverbandes. Zum Beispiel Biathletin Andrea Henkel beim Weltcup in Antholz im Januar nach einer Entzündung am Fuß:

    "Der Fuß war super. Ich muss auch ein ganz dickes Dankeschön an Volker Müller sagen, ohne den ich heute wahrscheinlich nicht hätte laufen können."

    Für den renommierten Sportmediziner und Anti-Doping-Experten Kurt Moosburger aus Hall in Tirol ist das Verhalten der Sportverbände in Bezug auf Volker Müller nicht nachvollziehbar.

    "Wenn ich der ÖSV bin, dann haue ich den hochkant raus, den Herrn Müller. Dann würde ich sagen, ich verbiete ihnen jeglichen Kontakt zu unseren Sportlern. Und wenn Sie den Kontakt nicht unterlassen, dann bekommen Sie eine Anzeige. So würde ich handeln. Dass das nicht so passiert, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Kollegen. Aber das zeigt, wie konsequent die Verbände arbeiten. Nämlich das sind alles nur scheinheilige Lippenbekenntnisse. Und das zeigt, wie schwach diese Verbände eigentlich wirklich sind."

    Vom Deutschen Ski-Verband, sagt Müller, bekomme er jedes Jahr ein Dankesschreiben für die gute Zusammenarbeit. Der DSV hingegen will sich auch auf wiederholte Anfrage hin seit vier Wochen nicht zu dem Wunderheiler aus Bayrischzell äußern.

    Müller ist weniger zurückhaltend, auch was die Causa Erfurt betrifft. Für den im Sport so hoch geschätzten Heilpraktiker bleiben Manipulationen mit Eigenblut nützliche Therapien. Bevor demnächst über Dopingsperren nach UV-Behandlungen entschieden wird, fordert er:

    "Die Leute die das prüfen, sollten Leute sein, die diese Therapieformen und den Therapieansatz der UV-Bestrahlung und der Eigenbluttherapien kennen und bewerten können. Wenn jetzt dort jemand hingeht, der das nicht kennt, dann schaut der nur in seinem Kalender nach und sagt: das ist Doping und das ist Doping, auf Wiedersehen, den sperren wir ein."