Titus Benjamin ist der Kapitän der Liemba. Ein stattlicher Mann, dessen weiße Uniform seine Haut noch schwärzer erscheinen lässt. Man sagt, er sei der Einzige, der die alte Lady Liemba steuern könne, wenn sich die Stürme über dem See zusammenbrauen.
"Die Liemba ist so wichtig für den See, weil die meisten Gebiete nicht über Straßen zu erreichen sind. Da kann man nur mit der Liemba hinkommen. Das heißt, die Leute brauchen die Liemba, um ihre Waren zu transportieren, und sie brauchen sie auch, um in ein Krankenhaus zu kommen. Deshalb ist das Schiff sehr wichtig."
600 Passagiere und 200 Tonnen Fracht kann das Schiff befördern.
"Wir haben manchmal Schwangere an Bord, die ihr Kind hier zur Welt bringen. Und die Mütter nennen ihr Kind dann oft Liemba oder sie wählen den Namen des Kapitäns. Es gibt wirklich viele Kinder, die auf diesem Schiff geboren wurden."
Unter den Passagieren tummeln sich Händler, die getrocknete Sardinen auf den Märkten im Hinterland verkaufen; Prostituierte, die für wenige Euro in einer Nische an Bord ihrem Geschäft nachgehen; Schmuggler, die Diamanten aus dem Kongo über die Grenze bringen; Soldaten, die in Kasanga, dem ehemaligen Bismarckburg, stationiert sind; Flüchtlinge aus Ruanda, die in ihre Heimat zurück wollen; und Touristen wie Lilo und Rudi Franken, die seit Monaten das südliche Afrika durchqueren. Die Liemba ist für sie ein Traumschiff, aber alles andere als ein Luxusliner:
"Alles klappert, alles wackelt, alles stinkt. Überall riecht es nach Diesel. Aber es ist eine ganz tolle Erfahrung."
Das Schiff ist bald 100 Jahre alt. Das Weiß der Planken wirkt eher schmuddelig als majestätisch. Etliche Beulen am Rumpf zeugen von den vielen Karambolagen. Dem tansanischen Staat fehlt das Geld für Reparaturen. Doch der Kapitän scheint vollstes Vertrauen in die Liemba zu haben, sagt Lilo Franken:
"Dann stehen Sie vorne da beim Captain, und dann geht immer die Lampe an: overloaded, overloaded. Immer mehr Ware drauf. Egal."
Rudi Franken: "Im Rheinland sagt man ja: Et hät noch emmer joot jejange."
Für die Liemba ist es nun seit fast 100 Jahren mehr oder weniger gut gegangen.
"Das Schiff wurde bei der Meyer Werft bestellt, lose zusammengebaut, nicht genietet, sondern nur zusammengeschraubt, aber es war ein fertiges Schiff, das da auf der Helling stand, mit eingebauten Maschinen, sodass man einen Probelauf auf der Helling durchführen konnte."
Berichtet der Historiker Michael Berg. Auf kaiserlichen Befehl wurde das Schiff, das damals auf den Namen Graf Götzen getauft wurde, 1913 in der Papenburger Werft gebaut. Das größte Schiff, das bis dahin auf der Meyer Werft zusammengeschraubt wurde. Die Graf Götzen sollte in Deutsch-Ostafrika den deutschen Herrschaftsanspruch vor allem gegenüber Belgisch-Kongo dokumentieren. Kaum war das Schiff fertig zum Stapellauf:
"Da wurde das Schiff wieder auseinandergenommen und in insgesamt 5000 Kisten verpackt, und diese ganzen Einzelteile wurden dann mit vier Transatlantikdampfern nach Daressalam geschafft und von dort aus ging es dann weiter mit der Bahn, 1200 Kilometer ins Landesinnere an den Tanganjikasee. Die Bahn war zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz fertiggestellt, die Schienen endeten etwa 35 Kilometer vor Kigoma, sodass die ersten Teile ausgeladen werden mussten und von einheimischen Trägern bis Kigoma transportiert werden mussten."
Um die Graf Götzen – nach einer Reise von rund 15.000 Kilometern – vor Ort wieder zusammenzusetzen, hatte die Meyer Werft drei Mitarbeiter abkommandiert. Der Historiker Michael Berg:
"Die einzelnen Kisten waren markiert und man wusste relativ genau, wo was zu finden war, und es war wie eine Art Lego-Baukasten."
Mir 160.000 Nieten wurde das 800 Tonnen schwere Schiff in der afrikanischen Hitze innerhalb von zehn Monaten zusammengebaut.
Im Frieden hatten die Papenburger mit dem Schiffsbau begonnen, beim Stapellauf der Graf Götzen in Kigoma, am 5. Februar 1915, befand sich das Kaiserreich mitten im Ersten Weltkrieg - und stand am Tanganjikasee – trotz der Götzen mit ihrer Länge von 76 Metern - auf verlorenem Posten. Gut ein Jahr nach dem Stapellauf wurde das damals größte Schiff auf afrikanischen Gewässern versenkt – von den eigenen Leuten:
"Diesen Befehl mussten die drei Papenburger Ingenieure ausführen, die das Schiff in einer mühevollen Kleinarbeit über ein Jahr hinweg zusammengebaut hatten. Es war ein Befehl und den konnten sie nicht ignorieren, aber sie haben das so gemacht, dass das Schiff wieder gehoben werden konnte, dass es keine irreparablen Schäden davontrug."
Noch 1916 hoben die Belgier die Graf Götzen. Doch vier Jahre später sank sie bei einem Sturm erneut – zum Glück in Küstennähe. Nun dauerte es sieben Jahre, bis die Briten, die neuen Kolonialherren am westlichen Ufer, das Schiff wieder flott machten und es Liemba nannten.
"Am Anfang haben wir uns schon gewundert, dass dieser alte Kahn, fast hundert Jahre alt, noch fährt. Dass er noch hier rumtuckert, so ein letztes Relikt deutscher Kolonialgeschichte. Aber es ist echt noch Realität."
Matthias Kresse, der ein halbes Jahr in einem sozialen Projekt auf Sansibar gearbeitet hat, genießt nun mit seinem Freund Matthias Hess die Fahrt auf der Liemba:
"Klar ist es ein bisschen enger, aber das ist Schiffsfeeling, ich brauche nicht, wenn ich auf so einem Schiff bin, ein Riesenzimmer. Das sind zwei Kojen, einer unten, einer oben, dann ist halt das Geile, dass man authentisch reist."
Sehr authentisch, findet Rudi Franken. Er und seine Frau haben auf dem Oberdeck die VIP-Kabine gebucht:
"Wir haben hier unsere Suite. Also das ist hier die Toilettenspülung. Die funktioniert, indem man einen Eimer Wasser hinterherkippt. Das ist das Beste, was es hier gibt an Bord."
Nur für Passagiere der ersten und der zweiten Klasse gibt es Kabinen; der Rest – und das sind mehr als 500 Menschen – schläft unter Deck; da, wo noch eine Ecke frei ist.
"Hier wird überall geschlafen. Aber man darf sich nicht nur hier oben aufhalten, man muss auch nach ganz unten, und das ist dann das wahre Afrika."
Normalerweise hält sich Rudi Franken auf dem Oberdeck auf, aber manchmal wagt er sich zwei Treppen tiefer in den Bauch der Liemba. Hier ist die Luft stickig und drückend, kaum ein Windhauch schafft es bis ins Unterdeck.
"Man kann hier kaum durchgehen. Alles voll Tüten, Kinder, Ziegen. Als Verpflegung für unterwegs, an jedem Hafen wird Federvieh angeboten. Hier durchzukommen ist ganz schwer."
Vor der steilen Treppe in die erste Klasse steht John Mutala. Er hat eine Pyramide aus Ananas gestapelt. Mit seiner scharfen Klinge teilt er die Ananas in vier Scheiben und verkauft die erfrischende Frucht für wenige Cent.
"Es hat einen Provinzpolitiker gegeben, das Bild hängt unten im Speiseraum, der das Schiff zurückführen wollte, sozusagen in den deutschen Schoß zurück."
"Mein Name ist Hermann Josef Averdung."
Jener Provinzpolitiker aus dem Emsland.
"Ich möchte die Graf Götzen gern nach Papenburg zurückholen und ich möchte die Graf Götzen der Nachwelt erhalten und ich finde, dieses historische Schiff ist es allemal wert, dass man sich dafür einsetzt. Heute ist es möglich, dass man das Schiff in drei Teile zerlegt, drei Teile, dafür reicht auch die Statik der Bahnlinie aus, in drei Teile von Kigoma nach Daressalam bringt und von Daressalam ist es kein Problem mehr."
"Die Idee ist meines Erachtens ein Fiebertraum."
Kanzelt der Historiker Michael Berg den Plan von Averdung ab.
"Das ist überhaupt nicht machbar, weil es von der Tragfähigkeit die Bahnlinie gar nicht hergibt. Das Schiff stellt ein gemeinsames deutsch-tansanisches Erbe dar. Das wurde von Deutschen und von Afrikanern am Tanganjikasee für den See gebaut und ich denke, es sollte dort bleiben."
Auch Hermann Josef Averdung will keineswegs als verträumter Nationalist dastehen, dem es nur um das koloniale Erbe geht. Er hält die Liemba aber für seeuntauglich und ein Risiko für Leib und Leben der Passagiere. Mit deutscher Hilfe soll für den Tanganjikasee ein neues Schiff gebaut werden. Während in Deutschland um die Zukunft des Schiffes gestritten wird, zieht die Liemba auf dem afrikanischen See weiter ihre Runden.
"Der Eindruck von der Liemba ist traumhaft schön. Wir hatten jetzt auch besonders Glück. Wir hatten Vollmond, und dadurch, dass die Sonne besonders stand, hatten wir einen gelben Vollmond, der über den Regenwäldern aufgegangen ist und sich dann auch schön im Wasser gespiegelt hat."
Die Liemba kann nur zwei Orte direkt anlaufen; ansonsten muss sich vor der Küste ankern – manchmal auch mitten in der Nacht.
"Das Schiff hupt, kurz bevor es ankommt, und dann wie Ameisen kommen die Boote angefahren. Beladen mit Menschen und Fracht. Die Boote sind so beladen, dass die Schiffer Wasser schippen müssen, weil die Boote volllaufen, einfach irre."
"Wenn halt um zwei oder um vier irgendwo ein Hafen erreicht wird, dann wird um zwei oder um vier ein- oder ausgeladen. Dann wird der Scheinwerfer vorne und hinten angemacht, dass der Personen- und Güteraustausch stattfinden kann, und dann geht es los."
Aus den Ruderbooten werfen die Menschen Taue an Bord in der Hoffnung, dass jemand sie auffängt. Dann klettern sie an den Tauen entlang an Deck. Viele schaffen es nicht auf Anhieb und fallen ins Wasser.
"Vor zwei Tagen kam eine große Jolle, da waren 50 Leute drauf, in der Mitte stand eine große Trommel und noch Trommeln drum rum und die haben da richtig Party gemacht, das war Wahnsinn. Da wurde eine Braut abgeholt, die mit der Liemba gefahren ist, und die durfte nicht gesehen werden, die war komplett verhüllt, und dann wurde die über ein Boot rüber auf dieses trommelnde Boot rübergeschafft und dann wurde die ganze Zeit gejohlt, und sie durfte aber nichts sehen und musste geführt werden, das war ziemlich cool, und wie die Leute dann gefeiert haben und wie sie dann Freude strahlend abgefahren sind, als sie auf dem Boot war, das war sehr schön."
Ob die Liemba rundum erneuert – weiter über den Tanganjikasee tuckern wird, ob sie als Museumsschiff in Papenburg vor Anker gehen oder ob sie von den Schrotthändlern im Hafen von Kigoma ausgeschlachtet wird – das steht noch dahin. Kapitän Benjamin Titus:
"Mit guter Wartung kann die Liemba noch mal 100 Jahre fahren. Die Wände des Schiffes sind sehr stabil. Mit guter Wartung der Maschinen und der Decks ist die Liemba in der Lage, noch mal 100 Jahre zu fahren."
"Die Liemba ist so wichtig für den See, weil die meisten Gebiete nicht über Straßen zu erreichen sind. Da kann man nur mit der Liemba hinkommen. Das heißt, die Leute brauchen die Liemba, um ihre Waren zu transportieren, und sie brauchen sie auch, um in ein Krankenhaus zu kommen. Deshalb ist das Schiff sehr wichtig."
600 Passagiere und 200 Tonnen Fracht kann das Schiff befördern.
"Wir haben manchmal Schwangere an Bord, die ihr Kind hier zur Welt bringen. Und die Mütter nennen ihr Kind dann oft Liemba oder sie wählen den Namen des Kapitäns. Es gibt wirklich viele Kinder, die auf diesem Schiff geboren wurden."
Unter den Passagieren tummeln sich Händler, die getrocknete Sardinen auf den Märkten im Hinterland verkaufen; Prostituierte, die für wenige Euro in einer Nische an Bord ihrem Geschäft nachgehen; Schmuggler, die Diamanten aus dem Kongo über die Grenze bringen; Soldaten, die in Kasanga, dem ehemaligen Bismarckburg, stationiert sind; Flüchtlinge aus Ruanda, die in ihre Heimat zurück wollen; und Touristen wie Lilo und Rudi Franken, die seit Monaten das südliche Afrika durchqueren. Die Liemba ist für sie ein Traumschiff, aber alles andere als ein Luxusliner:
"Alles klappert, alles wackelt, alles stinkt. Überall riecht es nach Diesel. Aber es ist eine ganz tolle Erfahrung."
Das Schiff ist bald 100 Jahre alt. Das Weiß der Planken wirkt eher schmuddelig als majestätisch. Etliche Beulen am Rumpf zeugen von den vielen Karambolagen. Dem tansanischen Staat fehlt das Geld für Reparaturen. Doch der Kapitän scheint vollstes Vertrauen in die Liemba zu haben, sagt Lilo Franken:
"Dann stehen Sie vorne da beim Captain, und dann geht immer die Lampe an: overloaded, overloaded. Immer mehr Ware drauf. Egal."
Rudi Franken: "Im Rheinland sagt man ja: Et hät noch emmer joot jejange."
Für die Liemba ist es nun seit fast 100 Jahren mehr oder weniger gut gegangen.
"Das Schiff wurde bei der Meyer Werft bestellt, lose zusammengebaut, nicht genietet, sondern nur zusammengeschraubt, aber es war ein fertiges Schiff, das da auf der Helling stand, mit eingebauten Maschinen, sodass man einen Probelauf auf der Helling durchführen konnte."
Berichtet der Historiker Michael Berg. Auf kaiserlichen Befehl wurde das Schiff, das damals auf den Namen Graf Götzen getauft wurde, 1913 in der Papenburger Werft gebaut. Das größte Schiff, das bis dahin auf der Meyer Werft zusammengeschraubt wurde. Die Graf Götzen sollte in Deutsch-Ostafrika den deutschen Herrschaftsanspruch vor allem gegenüber Belgisch-Kongo dokumentieren. Kaum war das Schiff fertig zum Stapellauf:
"Da wurde das Schiff wieder auseinandergenommen und in insgesamt 5000 Kisten verpackt, und diese ganzen Einzelteile wurden dann mit vier Transatlantikdampfern nach Daressalam geschafft und von dort aus ging es dann weiter mit der Bahn, 1200 Kilometer ins Landesinnere an den Tanganjikasee. Die Bahn war zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz fertiggestellt, die Schienen endeten etwa 35 Kilometer vor Kigoma, sodass die ersten Teile ausgeladen werden mussten und von einheimischen Trägern bis Kigoma transportiert werden mussten."
Um die Graf Götzen – nach einer Reise von rund 15.000 Kilometern – vor Ort wieder zusammenzusetzen, hatte die Meyer Werft drei Mitarbeiter abkommandiert. Der Historiker Michael Berg:
"Die einzelnen Kisten waren markiert und man wusste relativ genau, wo was zu finden war, und es war wie eine Art Lego-Baukasten."
Mir 160.000 Nieten wurde das 800 Tonnen schwere Schiff in der afrikanischen Hitze innerhalb von zehn Monaten zusammengebaut.
Im Frieden hatten die Papenburger mit dem Schiffsbau begonnen, beim Stapellauf der Graf Götzen in Kigoma, am 5. Februar 1915, befand sich das Kaiserreich mitten im Ersten Weltkrieg - und stand am Tanganjikasee – trotz der Götzen mit ihrer Länge von 76 Metern - auf verlorenem Posten. Gut ein Jahr nach dem Stapellauf wurde das damals größte Schiff auf afrikanischen Gewässern versenkt – von den eigenen Leuten:
"Diesen Befehl mussten die drei Papenburger Ingenieure ausführen, die das Schiff in einer mühevollen Kleinarbeit über ein Jahr hinweg zusammengebaut hatten. Es war ein Befehl und den konnten sie nicht ignorieren, aber sie haben das so gemacht, dass das Schiff wieder gehoben werden konnte, dass es keine irreparablen Schäden davontrug."
Noch 1916 hoben die Belgier die Graf Götzen. Doch vier Jahre später sank sie bei einem Sturm erneut – zum Glück in Küstennähe. Nun dauerte es sieben Jahre, bis die Briten, die neuen Kolonialherren am westlichen Ufer, das Schiff wieder flott machten und es Liemba nannten.
"Am Anfang haben wir uns schon gewundert, dass dieser alte Kahn, fast hundert Jahre alt, noch fährt. Dass er noch hier rumtuckert, so ein letztes Relikt deutscher Kolonialgeschichte. Aber es ist echt noch Realität."
Matthias Kresse, der ein halbes Jahr in einem sozialen Projekt auf Sansibar gearbeitet hat, genießt nun mit seinem Freund Matthias Hess die Fahrt auf der Liemba:
"Klar ist es ein bisschen enger, aber das ist Schiffsfeeling, ich brauche nicht, wenn ich auf so einem Schiff bin, ein Riesenzimmer. Das sind zwei Kojen, einer unten, einer oben, dann ist halt das Geile, dass man authentisch reist."
Sehr authentisch, findet Rudi Franken. Er und seine Frau haben auf dem Oberdeck die VIP-Kabine gebucht:
"Wir haben hier unsere Suite. Also das ist hier die Toilettenspülung. Die funktioniert, indem man einen Eimer Wasser hinterherkippt. Das ist das Beste, was es hier gibt an Bord."
Nur für Passagiere der ersten und der zweiten Klasse gibt es Kabinen; der Rest – und das sind mehr als 500 Menschen – schläft unter Deck; da, wo noch eine Ecke frei ist.
"Hier wird überall geschlafen. Aber man darf sich nicht nur hier oben aufhalten, man muss auch nach ganz unten, und das ist dann das wahre Afrika."
Normalerweise hält sich Rudi Franken auf dem Oberdeck auf, aber manchmal wagt er sich zwei Treppen tiefer in den Bauch der Liemba. Hier ist die Luft stickig und drückend, kaum ein Windhauch schafft es bis ins Unterdeck.
"Man kann hier kaum durchgehen. Alles voll Tüten, Kinder, Ziegen. Als Verpflegung für unterwegs, an jedem Hafen wird Federvieh angeboten. Hier durchzukommen ist ganz schwer."
Vor der steilen Treppe in die erste Klasse steht John Mutala. Er hat eine Pyramide aus Ananas gestapelt. Mit seiner scharfen Klinge teilt er die Ananas in vier Scheiben und verkauft die erfrischende Frucht für wenige Cent.
"Es hat einen Provinzpolitiker gegeben, das Bild hängt unten im Speiseraum, der das Schiff zurückführen wollte, sozusagen in den deutschen Schoß zurück."
"Mein Name ist Hermann Josef Averdung."
Jener Provinzpolitiker aus dem Emsland.
"Ich möchte die Graf Götzen gern nach Papenburg zurückholen und ich möchte die Graf Götzen der Nachwelt erhalten und ich finde, dieses historische Schiff ist es allemal wert, dass man sich dafür einsetzt. Heute ist es möglich, dass man das Schiff in drei Teile zerlegt, drei Teile, dafür reicht auch die Statik der Bahnlinie aus, in drei Teile von Kigoma nach Daressalam bringt und von Daressalam ist es kein Problem mehr."
"Die Idee ist meines Erachtens ein Fiebertraum."
Kanzelt der Historiker Michael Berg den Plan von Averdung ab.
"Das ist überhaupt nicht machbar, weil es von der Tragfähigkeit die Bahnlinie gar nicht hergibt. Das Schiff stellt ein gemeinsames deutsch-tansanisches Erbe dar. Das wurde von Deutschen und von Afrikanern am Tanganjikasee für den See gebaut und ich denke, es sollte dort bleiben."
Auch Hermann Josef Averdung will keineswegs als verträumter Nationalist dastehen, dem es nur um das koloniale Erbe geht. Er hält die Liemba aber für seeuntauglich und ein Risiko für Leib und Leben der Passagiere. Mit deutscher Hilfe soll für den Tanganjikasee ein neues Schiff gebaut werden. Während in Deutschland um die Zukunft des Schiffes gestritten wird, zieht die Liemba auf dem afrikanischen See weiter ihre Runden.
"Der Eindruck von der Liemba ist traumhaft schön. Wir hatten jetzt auch besonders Glück. Wir hatten Vollmond, und dadurch, dass die Sonne besonders stand, hatten wir einen gelben Vollmond, der über den Regenwäldern aufgegangen ist und sich dann auch schön im Wasser gespiegelt hat."
Die Liemba kann nur zwei Orte direkt anlaufen; ansonsten muss sich vor der Küste ankern – manchmal auch mitten in der Nacht.
"Das Schiff hupt, kurz bevor es ankommt, und dann wie Ameisen kommen die Boote angefahren. Beladen mit Menschen und Fracht. Die Boote sind so beladen, dass die Schiffer Wasser schippen müssen, weil die Boote volllaufen, einfach irre."
"Wenn halt um zwei oder um vier irgendwo ein Hafen erreicht wird, dann wird um zwei oder um vier ein- oder ausgeladen. Dann wird der Scheinwerfer vorne und hinten angemacht, dass der Personen- und Güteraustausch stattfinden kann, und dann geht es los."
Aus den Ruderbooten werfen die Menschen Taue an Bord in der Hoffnung, dass jemand sie auffängt. Dann klettern sie an den Tauen entlang an Deck. Viele schaffen es nicht auf Anhieb und fallen ins Wasser.
"Vor zwei Tagen kam eine große Jolle, da waren 50 Leute drauf, in der Mitte stand eine große Trommel und noch Trommeln drum rum und die haben da richtig Party gemacht, das war Wahnsinn. Da wurde eine Braut abgeholt, die mit der Liemba gefahren ist, und die durfte nicht gesehen werden, die war komplett verhüllt, und dann wurde die über ein Boot rüber auf dieses trommelnde Boot rübergeschafft und dann wurde die ganze Zeit gejohlt, und sie durfte aber nichts sehen und musste geführt werden, das war ziemlich cool, und wie die Leute dann gefeiert haben und wie sie dann Freude strahlend abgefahren sind, als sie auf dem Boot war, das war sehr schön."
Ob die Liemba rundum erneuert – weiter über den Tanganjikasee tuckern wird, ob sie als Museumsschiff in Papenburg vor Anker gehen oder ob sie von den Schrotthändlern im Hafen von Kigoma ausgeschlachtet wird – das steht noch dahin. Kapitän Benjamin Titus:
"Mit guter Wartung kann die Liemba noch mal 100 Jahre fahren. Die Wände des Schiffes sind sehr stabil. Mit guter Wartung der Maschinen und der Decks ist die Liemba in der Lage, noch mal 100 Jahre zu fahren."