Das ist das Ergebnis einer Studie, die im Fachjournal "Nature Sustainability" erschienen ist. Als Klima-Nische bezeichnet man den Temperaturbereich, in dem Menschen historisch bevorzugt siedeln. Experten sprechen von diesen Regionen als Klima-Nischen, in denen die durchschnittlichen Jahrestemperaturen zwischen 6 und 28 Grad liegen.
Wie das in Köln ansässige Wissenschaftsportal Science Media Center berichtet, untersuchten die Forscherinnen und Foscher, wie sich ein Anstieg der globalen durchschnittlichen Temperatur um 2,7 Grad auswirken würde - so wie es bei der aktuellen Klimapolitik erwartbar sei. Außerdem gehen sie von einem Bevölkerungsanstieg auf 9,5 Milliarden Menschen bis 2070 bei anschließendem Rückgang aus. Würde die Erwärmung auf 1,5 Grad beschränkt, wären laut Studie "nur" 14 Prozent aller Menschen von dieser Entwicklung betroffen.
Indien, Mali und Katar außerhalb von Klima-Nische bei weiterem Temperatur-Anstieg
Nach Erkenntnissen der Wissenschaftler wären beim 2,7-Grad-Modell viele Menschen in Indien, Nigeria und Indonesien in Mitleidenschaft gezogen. Besonders große Flächenanteile eines Landes wären in Burkina Faso, Mali und Katar betroffen, die nahezu komplett außerhalb der Klima-Nische liegen würden.
Wird zusätzlich noch die demografische Entwicklung einbezogen, steigt der globale Anteil von 33 auf 40 Prozent - da das stärkste Bevölkerungswachstum vor allem in Regionen stattfinden wird, die höhere Temperaturen aufweisen. Die Forschenden weisen zudem darauf hin, dass je 0,3 Grad vermiedenem Temperaturanstieg 350 Millionen Menschen weniger betroffen sein würden.
Faktor "Klima-Nische" beim Klimawandel wird wichtiger
Die Forscher betonen, dass die Folgen des Klimawandels häufig vor allem in wirtschaftlichen Kategorien beschrieben würden. Zunehmend gebe es jedoch Bemühungen, mit der "menschlichen Klima-Nische" eine neue Größe in der Diskussion zu etablieren. Sie beschreibt die Regionen der Erde, in denen Menschen in der Vergangenheit dank günstiger klimatischer Bedingungen bevorzugt lebten. Die optimale Jahresmitteltemperatur dieser Nische liegt bei etwa 11 bis 15 Grad Celsius. Aktuell leben laut Studie bereits über 600 Millionen Menschen und damit über neun Prozent der Weltbevölkerung außerhalb derartiger Gebiete.
Die Forscherinnen und Forscher verweisen zugleich darauf, dass die ideale Nische für den Menschen neben der Temperatur auch von anderen Faktoren abhängig sei, unteren anderem von der Luftfeuchtigkeit, der Wasserverfügbarkeit und auch den Lebensbedingungen der für die Ernährung gehaltenen Tiere und angebauten Pflanzen.
Der Stockholmer Klimaforscher Richard J.T. Klein verwies darauf, dass neben den Temperaturen weitere Faktoren für ein menschenwürdiges Leben wichtig seien - etwa Wasser, Luftfeuchtigkeit und Lebensbedingungen der für die Ernährung gehaltenen Tiere und angebauten Pflanzen. "Was diese Studie sehr gut zeigt, ist das direkte menschliche Leid, das der Klimawandel verursachen könnte", sagte er. "Das Leben außerhalb der Nische bedeutet Leiden aufgrund eines unerträglich heißen und möglicherweise feuchten Klimas."
Forscher rechnen mit mehr Migrationsbewegungen und Konflikten
Technisch gesehen könnten sich manche Regionen an die neuen Lebensbedingungen anpassen, so Klein. "Menschen in manchen Teilen der Welt können die meiste Zeit ihres Lebens in klimatisierten Gebäuden verbringen und ihre Lebensmittel von anderswo importieren, sofern sie die Mittel dazu haben." Für viele sei dies jedoch keine Option. Der Klimawandel werde deshalb vermutlich zu stärkeren Migrationsbewegungen und Konflikten führen.
Diese Nachricht wurde am 22.05.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.