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Ein ganzes Album mit einem Winterthema

Normalerweise braucht die britische Songwriterin lange, bis sie ein neues Album herausbringt. In diesem Jahr sind gleich zwei erschienen: "50 Words For Snow" heißt ihr neuestes Werk, das zu den mit Spannung erwarteten Veröffentlichungen des Jahres 2011 zählt. Corso hat mit Kate Bush darüber gesprochen.

Kate Bush im Gespräch mit Christiane Rebmann | 26.11.2011
    Christiane Rebmann: Ms. Bush, Sie brauchen normalerweise viele Jahre, um ein Album aufzunehmen. Bevor Sie sich jetzt nach Ihrem letzten Album "Aerial" zurückmeldeten, vergingen sechs Jahre. Und nun kommen Sie gleich mit zwei Veröffentlichungen. Im Mai erschien ein Album mit neuen Versionen Ihrer alten Songs. Und jetzt kommt "Fifty Words for Snow", eine Kollektion mit ganz neuen Songs. Für Ihre Verhältnisse ein sehr ungewöhnlich hoher Output.

    Kate Bush: Ja, das ging alles sehr schnell. Das liegt wohl vor allem auch daran, dass ich eben kurz vorher "Director's Cut" aufgenommen hatte, mit neuen Versionen meiner alten Songs. Dabei musste ich mich ja damit auseinandersetzen, wie ich damals diese beiden alten Platten gemacht hatte. Ich wollte das Ganze aus heutiger Sicht angehen. Und ich denke, diese Auseinandersetzung mit meinen alten Werken hat die Basis für dieses neue Album gelegt. An Directors Cut zu arbeiten war ziemlich schwierig. Und als ich endlich fertig war, war ich sehr erleichtert. Weil ich endlich neue Songs schreiben konnte. Das ist wohl einer der Gründe, warum es bei diesem Album sehr schnell ging.

    Rebmann: In allen sieben Songs auf "Fifty Words for snow" geht es um das Thema Schnee. Wie kamen Sie darauf?

    Kate Bush: Ich hatte mich schon länger für das Thema Schnee interessiert. Ich hatte es schon einige Male als Basis für die Grundatmosphäre verwendet. Und ich hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt, ein ganzes Album mit einem Winterthema zu schreiben. Das war der Ausgangspunkt. Aber als ich anfing, die Songs zu schreiben, stellte ich fest, dass sie mehr mit Schnee zu tun hatten als allgemein mit dem Winter.

    Mit dem Wort Schnee kann man so viel verbinden. Schnee kann jungfräulich sauber sein. Er ist auf jeden Fall kalt. Er hat eine flüchtige Konsistenz, zumindest bei uns in England. Er kommt, und am nächsten Tag kann er schon wieder weg sein. Ich war überrascht, wie interessant es sein kann, über Schnee zu schreiben.

    Rebmann: Zum Beispiel über eine mysteriöse Frau, die sich seit Jahrhunderten im Lake Tahoe an der Grenze zwischen Kalifornien und Nevada versteckt hält.

    Kate Bush: Dieser Song basiert auf einer Geschichte, die mir ein Freund erzählt hatte. Es geht da um diese außergewöhnliche Sage, die über Lake Tahoe erzählt wird. Lake Tahoe ist ja ein riesiger Bergsee, mit sehr kaltem Wasser. Und es geht die Sage von einer Frau, die in der viktorianischen Zeit darin ertrank. Hier und da schwebt sie angeblich kurz nach oben, und man sieht sie unter der Wasseroberfläche, in ihrem viktorianischen Kleid, das sie anhatte, als sie reinfiel. Und dann taucht sie wieder ab. Mir gefiel dieses Bild, weil es etwas Luftiges hat, aber auch sehr stark ist.

    Rebmann: Das Wort luftig trifft auch auf Ihre Musik zu. Sie klingt tatsächlich luftiger als früher, nicht mehr so überladen.

    Kate Bush: Das ist etwas, das ich gelernt habe, als ich an meinem Album "Director's Cut arbeitete. Ich war sehr zufrieden mit meinen alten Songs. Aber als ich sie mir noch mal anhörte, aus meiner jetzigen Warte, wurde mir schnell klar, die ich in der neuen Version unbedingt eines erreichen wollte: Ich wollte der Essenz der Songs unbedingt mehr Platz einräumen. Ich wollte, dass sie atmen können. Es war ja auch das erste Mal, dass ich die Gelegenheit hatte, mit Steve Gadd am Schlagzeug zu arbeiten. Und das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Er hat eine sehr außergewöhnliche Art, Musik zu interpretieren. Nach der Erfahrung mit ihm wollte ich unbedingt auch bei diesem Album mit ihm arbeiten.

    Rebmann: Sie gelten als Vorbild vieler sehr junger Künstlerinnen. Ihre britische Kollegin Florence Welch orientiert sich an Ihnen. Und auch die US Musikerin Lady Gaga sagt, sie habe eine Zeit lang sehr viel Kate Bush gehört.

    Kate Bush: Ja, das höre ich immer wieder. Es schmeichelt mir natürlich, dass wenn ich höre, dass ich junge Künstlerinnen inspiriere. Aber zu Lady Gaga muss ich doch sagen – abgesehen davon, dass sie eine sehr liebenswerte Person ist – ihre Musik klingt sehr individuell.

    Rebmann: Sie haben sich als Duettpartner für das Stück "Snowed in at Wheeler Street wiederum eines Ihrer alten Idole ins Studio geholt, Ihren britischen Kollegen Elton John.

    Kate Bush: Er ist einer meiner größten Helden. Als ich anfing, Songs zu schreiben, gehörte er zu meinen wichtigsten Vorbildern. Ich träumte immer davon, so Piano zu spielen wie er und so Songs schreiben zu können wie er. Die meisten Singer Songwriter schrieben ja damals ihre Songs zur Gitarre. Damals spielte ich seine Platten immer und immer wieder. Und als ich jetzt diesen Song schrieb und klar wurde, dass das ein Duett sein würde, dachte ich sofort an ihn. Ich sagte mir: Es wär doch fantastisch, wenn er da mitsingen würde.

    Rebmann: Das ist jetzt meine persönliche Meinung, aber ich finde, er klingt in Ihrem Song besser, als in vielen seiner eigenen Kompositionen.

    Kate Bush: Ich finde, dass Elton in diesem Song ganz außergewöhnlich klingt, so gefühlvoll. Seine Stimme ist in dieser tieferen Tonlage besonders schön. Sie klingt in jeder Tonlage gut, aber das hier hat etwas ganz Besonderes.

    Rebmann: Das passt zu der Geschichte, die Sie im Text erzählen. Von einem Mann und einer Frau, die sich über die Jahrhunderte immer wieder begegnen, zuerst im brennenden Rom. Dann bei den Anschlägen auf das New Yorker World Trade Center im Jahr 2001. Durch Reinkarnation oder Zeitreise.

    Kate Bush: Es klingt so, nicht wahr. Als ich den Song schrieb, wurde mir klar, dass es hier um Zeitreise gehen würde. Und dann entwickelte sich das Ganze zu einer Geschichte über zwei alte Seelen, die sich immer wieder treffen, zu unterschiedlichen Lebzeiten. Und ich versuchte, sehr markante Geschehnisse der Zeitgeschichte zu verwenden, vor deren Hintergrund sich die beiden treffen. Und dann werden sie wieder auseinander gerissen. Es geht hier auch um den Gedanken, dass die Liebe eine Macht ist, die die Zeit übersteht.

    Rebmann: Im Gegensatz zum Song "Misty", in dem Sie beschreiben, wie eine Frau ein Verhältnis mit einem Schneemann eingeht.

    Kate Bush: Die Frau in diesem Song baut einen Schneemann. Und der besucht sie nachts in ihrem Schlafzimmer. Ich dachte zuerst: Diese Idee ist vielleicht ein bisschen albern. Aber ich hoffe, dass der Song jetzt nicht zu lächerlich klingt. Er ist ja auf eine Art ein ziemlich dunkler Song. Der Mann hält ja nicht lange, nicht wahr?