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Ein Gen gegen Dengue

Gentechnik. - Dengue ist eine schwere, schmerzhafte Virus-Infektion, die jedes Jahr auch Todesopfer fordert. Ein Mittel dagegen ist noch nicht gefunden. Deshalb behelfen sich die betroffenen Länder bisher mit Mückeninspektionen und besserer ärztlicher Versorgung. - Das Virus wird von der Mücke Aedes aegypti übertragen, wo es diese Mücken nicht gibt, verschwindet auch Dengue. Um das zu erreichen, läßt sich Brasilien auf ein umstrittenes Experiment mit genmanipulierten Mücken ein. Seit zwei Jahren schwärmen im Nordosten Brasiliens Hunderttausende dieser Genmücken aus. Jetzt soll in einer zweiten Stadt die nächste Etappe dieses Experiments beginnen.

Von Gudrun Fischer |
    Eine Lagerhalle der Firma Moscamed in Juazeiro, Brasilien. Techniker packen Mückendosen in Styroporkisten, die Kisten kommen auf die Ladefläche eines Pickups. Dann setzt sich auch Ismael Santos an den Rand der Ladefläche. Im Schneckentempo rollt der Pickup durch die staubigen Straßen des Stadtteils Mandacarú. Ismael Santos nimmt immer wieder eine Dose zur Hand. Er klopft daran, um die Tiere aufzuscheuchen, und kippt die Mücken in die Luft. Die britische Firma Oxitec hat diese Mücken hergestellt, in ihrem Erbgut tragen sie ein tödliches Gen. Nur solange sie das Antibiotikum Tetrazyklin erhalten, ist dieses Gen blockiert. So bleibt ihnen gerade genug Zeit, die wilden Weibchen zu befruchten, und das tödliche Gen an die Nachkommen weiterzugeben. Danach sterben sie, und mit ihnen die Nachkommen. Nach einer Stunde sind 100.000 männliche Mücken frei. Mehr sind momentan nicht nötig, um den Stand der Mückensuppression zu halten, erklärt der Biologe Danilo Carvalho, Leiter des Versuchs. Er zeigt auf ein Plastiktöpfchen, das in einem Hinterhof hängt. 400 dieser Ei-Fallen wurden verteilt.

    "Wir benutzen diese Plastiktöpfchen, um die Eier für unsere Zählungen zu sammeln. Hier ist ein wenig Wasser drin, das lockt das Weibchen an. Auf diesen Holzspachtel legt es die Eier."

    Die Menschen in diesem Stadtteil sind arm. Die meisten ernten Tomaten oder Mangos auf Plantagen – wie auch die Anwohnerin Gilmar Lourenço dos Santos. Was denkt sie über die Versuche?

    "Hören Sie, ich finde diese Mücke vom Projekt gut, denn sie verhindert, dass die stechende Mücke kommt. Sie sollen sie ruhig frei lassen, diese Mücke."

    Heute schwirren in diesem Teil Juazeiros 85 Prozent weniger Mücken durch die Straßen also noch vor zwei Jahren. Dennoch ist sein Versuch umstritten: Carvalho kann keine Daten präsentieren, ob mit den Mücken auch Dengue zurückgeht. Das Forschungsgebiet ist dafür zu klein und liegt nicht isoliert genug. Und was passiert mit dem Gen in der Umwelt? Das fragt der Biologe José Maria Gusman Ferraz. Er lehrt an der Universität Campinas im Staat São Paulo und sitzt außerdem in der staatlichen Biosicherheitskommission. Diese Kommission hat den Freisetzungsversuch vor zwei Jahren genehmigt. José Maria Gusman Ferraz warnt davor, dass sich der neue Genabschnitt in die verwandte Mückenart Aedes albopictus einkreuzen könnte.

    "Die Mücke Aedes albopictus ist in der Region zwar nicht sehr verbreitet, wird dort aber angetroffen. Verschwindet die Population von Aedes aegypti, besetzt eventuell Albopictus die Nische. Sie sticht genauso und kann das Denguefieber übertragen."

    Das Hauptargument der Befürworter ist, dass die Mücke nach Ende des Versuchs wegen des tödlichen Gens sofort verschwindet. Sofern Tetrazyklin in der Umwelt auftaucht, ist das nicht garantiert, halten Kritiker dagegen. Und Tetrazyklin werde in der Tiermast eingesetzt, sagen sie. Es ist die Firma Moscamed, die das Experiment verantwortet. Ihr Direktor, der Genetiker Aldo Malavasi, sieht die Kritik gelassen und betont stattdessen die Möglichkeiten:

    "Mit der gentechnisch veränderten Aedes-Mücke liefern wir die ideale Lösung für das Dengueproblem in kleinen und mittleren Städten. Aber Sie müssen nicht denken, dass wir nach Gewinn streben. Wir haben mit der Firma Oxitec keine Geschäftsverbindung; wir haben nichts für den Protoyp der Mücke bezahlt."

    Nun beginnt ein neues Experiment, diesmal in der zwei Autostunden entfernten Stadt Jacobina. Dort leben 45.000 Menschen. Gerade gehen die ersten Mücken in die Luft, bald sollen es vier Millionen sein.

    Hinweis: Am Sonntag, 21.07., 16:30 Uhr, sendet der Deutschlandfunk in der Sendung "Wissenschaft im Brennpunkt" das Feature Mückenplage zum Thema.