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"Ein Geschmäckle hat es allemal"

Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus soll Bayern Manager Uli Hoeneß 20 Millionen D-Mark gegeben haben. Später stieg der Sportartikelhersteller dann bei dem Verein ein. Derzeit gebe es keinen Beleg dafür, dass das eine mit dem anderen tatsächlich in Zusammenhang gestanden habe, sagt Hans Leyendecker von der "Süddeutschen Zeitung". Ein "Geschmäckle" habe es aber allemal.

Hans Leyendecker im Gespräch mit Friedbert Meurer | 23.04.2013
    Friedbert Meurer: Heute Abend werden Dutzende Kameras im Stadion des FC Bayern München vor allen Dingen nach einer Person Ausschau halten: Nicht nach einem Spieler, nicht nach Lionel Messi, sondern Uli Hoeneß hat angekündigt, natürlich zum Halbfinalspiel der Bayern gegen den FC Barcelona zu kommen. Es wäre sein erster öffentlicher Auftritt, nachdem bekannt wurde, dass er sich wegen Steuerhinterziehung selbst angezeigt hat. Hoeneß hat schon drei Millionen Euro Steuern plus Zinsen nachgezahlt. Das Geld, das auf einem Schweizer Konto liegt, soll sauber sein; davon geht man bislang jedenfalls aus. Aber die Süddeutsche Zeitung berichtet heute, Uli Hoeneß habe im Jahr 2000 insgesamt 20 Millionen D-Mark vom damaligen Chef des Sportartikelherstellers Adidas privat zur Verfügung gestellt bekommen – zum Großteil über eine Bürgschaft. Adidas wurde dann später Sponsor und Anteilseigner beim FC Bayern München. – Hans Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung hat diese Geschichte unter anderem recherchiert. Guten Tag, Herr Leyendecker.

    Hans Leyendecker: Guten Tag!

    Meurer: Was ist damals 2000 zwischen Hoeneß und Robert Louis-Dreyfus abgelaufen, dem Adidas-Chef?

    Leyendecker: Zunächst mal eine angebliche tatsächliche Freundschaftsgeschichte. Beide waren Zocker und Herr Dreyfus hat ihm damals auf mehreren Wegen in der Schweiz 20 Millionen Mark Spielgeld gegeben, um Devisengeschäfte und andere Geschäfte zu machen. Dreyfus hat zum Teil auch zunächst mitgemacht, dann hat Hoeneß es alleine gemacht, und er hat Dreyfus dann das Geld zurückgezahlt. Das ist sozusagen das Konto, das bei der Vontobel-Bank in Zürich eingerichtet war.

    Meurer: Reden wir im Prinzip über dieses Geld oder die Gewinne aus diesem Geld, die dann Uli Hoeneß nicht versteuert hat?

    Leyendecker: Ja. Das ist das, was in der Selbstanzeige dann auch formuliert wird. Da geht es ausschließlich um dieses Konto und da geht es um die Frage, ob die Selbstanzeige wirksam ist oder nicht. Selbstanzeigen müssen peniblen Vorschriften genügen. Dann wird immer zunächst ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Wenn sie den Vorschriften genügen, wird es wieder eingestellt.

    Meurer: In Ihrem Artikel, Herr Leyendecker, heute gehen Sie nicht so weit, dass hier Korruption im Spiel gewesen sein soll. Warum hat der Adidas-Chef denn dem Bayern-Manager dann so viel Geld gegeben?

    Leyendecker: Es gibt eigentlich zwei Motivlagen. Der Adidas-Manager war ein reicher Mann, dem es auf 20 Millionen Mark nicht ankam, und Uli Hoeneß war sein Freund, glaube ich. Das ist die eine Geschichte, das ist die gute Geschichte. Die weniger gute Geschichte wäre ein bisschen anders. Die würde so aussehen, dass Adidas zwar traditionell mit Bayern München verbunden war, dass aber damals Verhandlungen anliefen über eine Sponsortätigkeit, Verhandlungen anliefen über den Ausrüstervertrag und über anderes, und es gab dann auch andere Anbieter wie Nike, die auch auf den Markt wollten. Dann ist 2001 im März Herr Dreyfus – das ist der gute Geber – ausgeschieden bei Adidas. Dann ist im Herbst der Vertrag gemacht worden, aber der hat natürlich seine Vorlaufzeit. Und wenn man bösartig ist, sagt man, Adidas hat sich auch über den Vorstandsvorsitzenden einen Vorteil zugutekommen lassen – dadurch, dass Uli Hoeneß, der maßgeblich bei Bayern in den Geschäften tätig war.

    Meurer: Sie stellen das ein bisschen als Hypothese quasi hin und eine These, der Sie anscheinend eher nicht zuneigen. Aber liegt das nicht nahe, wenn ein Jahr später Adidas bei Bayern einsteigt, dass da ein Zusammenhang besteht?

    Leyendecker: Wir sind dabei, uns noch mal genau anzusehen, wie die Lage damals war. Man muss praktisch mit allen Ausrüstern noch mal reden, wie verhandelt wurde, was geboten wurde, wer das höhere Gebot abgegeben hat, wo der Nachteil des Gebotes lag, um das wirklich auch - - Ich glaube, man muss ergebnisoffen da reingehen. Es gibt bisher sozusagen das Signal, da ist alles richtig gelaufen. Das muss man, finde ich, auch ernst nehmen. Wenn sich dann aber zeigen sollte bei der Rekonstruktion dieses Vorganges, dass es Merkwürdigkeiten gab oder Merkwürdigkeiten sogar in Serie, müsste man das anders betrachten. Aber ich finde, man kann nicht herangehen und sagen, das stinkt gewaltig. Ein Geschmäckle hat es allemal, das ist ohne jede Frage so. Das macht man nicht, das wäre heute auch unvorstellbar, glaube ich, in einem Unternehmen, dass einer so was macht, der an einem Geschäft beteiligt ist. Nur es gibt keinen Beleg dafür, dass das eine mit dem anderen tatsächlich in Zusammenhang stand.

    Meurer: Aber da Sie, Herr Leyendecker, viel in Wirtschaftsstrafsachen und Angelegenheiten recherchieren – in der freien Wirtschaft wäre ein Manager doch weg nach so einer Geschichte?

    Leyendecker: Heute ja. Ich weiß nicht, wie es 2000 war. Wir haben unseren Blickwinkel geändert seit Siemens. Siemens, das große Siemens-Korruptionsverfahren hat ein Stück Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis verändert. 2000 gab es schon noch Dinge, die auch ganz anders waren. Das muss man mit Blick aufs Ganze auch einräumen.

    Meurer: Selbst wenn ein Zusammenhang bestehen sollte zwischen dem privat gegebenen Geld und dem späteren Einstieg von Adidas bei Bayern München, wäre dieser Fall von Korruption noch justiziabel heute?

    Leyendecker: Es ist sozusagen die Fortsetzung eines Vertragsverhältnisses. Bayern München ist von heute an betrachtet seit 50 Jahren eng verbunden mit Adidas. Das ist so. Aber ein Straftatbestand – das ist ja Ihre Frage – wäre das auf keinen Fall. Das wäre verjährt, ja.

    Meurer: Nach wie vielen Jahren verjährt Korruption?

    Leyendecker: Korruption nach fünf Jahren, wobei es auf die letzte Handlung ankommt. In diesem Falle müsste man sagen – theoretisch, aber das spielt in der Praxis, glaube ich, keine Rolle bei der Betrachtung: Wenn jetzt 2008 noch eine Handlung wäre zwischen Dreyfus – das war der Adidas-Manager – und Hoeneß, dann könnte man sagen, es ist nicht verjährt, weil es dann noch diese Handlung gegeben hat. Nur dafür brauche ich erst mal einen Grundstock und dieser Grundstock ist im Moment jedenfalls nicht da.

    Meurer: Hans Leyendecker von der "Süddeutschen Zeitung" über die Verbindungen von Adidas zu Uli Hoeneß. Danke und auf Wiederhören, Herr Leyendecker.

    Leyendecker: Ich danke Ihnen.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.