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Ein Glas Orangensaft genügt

Viele Verbraucher schlucken Ascorbinsäure, also künstliches Vitamin C, um sich vor Erkältungen zu schützen und etwas für ihre Gesundheit zu tun. Dabei haben die Vitaminpräparate häufig keine Wirkung.

Von Axel Denecke |
    Säften und Salaten wird Ascorbinsäure zugefügt, und auch Mehl und Sauerkraut enthalten oft das geschmack- und geruchlose Konservierungsmittel, besser bekannt als Vitamin C. Die Verwendung von Vitamin C zur Verlängerung der Haltbarkeit eines Lebensmittels ist nichts Neues, weiß Ernährungswissenschaftler Christof Meinold, freier Ernährungsberater aus Köln.

    "Es ist ja eine Säure. Und eine Säure ist immer geeignet, das Wachstum von Bakterien und andern Mikroorganismen zu unterdrücken. Also ist es konsequenterweise auch ein Konservierungsstoff. Da denke ich, ist kein großer Unterschied, ob ich nun klassischerweise einen Zitronensaft über die Äpfel schütte, damit sie nicht braun werden, oder ob ich da ein Vitamin-C-Pulver drüber gebe."

    Der Großteil der jährlich produzierten 110.000 Tonnen Ascorbinsäure wird jedoch nicht als Konservierungsstoff verwendet, sondern kommt als angeblich gesundheitsförderndes Pülverchen in den Handel. Davon konnte die Schweizer Firma Roche nur träumen, als sie 1933 das Patent zur künstlichen Produktion von Vitamin C erwarb, ohne eine Idee für die Vermarktung zu haben. Anfangs verabreichte man den neu entdeckten Stoff Radrennfahrern und Profifußballern zur vermeintlichen Leistungssteigerung.

    Alltagskonsumenten legte der Chemiker und Nobelpreisträger Linus Pauling in den 70er-Jahren nahe, Vitamin C gleich grammweise am Tag zu sich zu nehmen, um sich insbesondere vor Erkältungen zu schützen. Heute greifen allein in Deutschland immerhin acht von 100 Konsumenten häufig zu künstlichen Vitamin-C-Präparaten, weiter 14 Prozent nehmen sie ab und zu. Zwar ist es dem menschlichen Organismus egal, ob das Vitamin C aus natürlicher oder aus künstlicher Quelle stammt, doch der durchschnittliche Bedarf lässt sich sehr einfach auf natürliche Weise decken.

    "Um die reinen Mangelerscheinungen zu vermeiden, werden mit Sicherheit 50 Milligramm reichen. Die Empfehlungen liegen ja bei 75Milligramm, diskutiert werden Empfehlungen von 100 bis 200 Milligramm. Bei den Orangen bräuchte ich ein Glas, also 200 Milliliter, um diese 100 Milligramm abzudecken."

    Vitamin C erfüllt wichtige Funktionen im Körper, insbesondere bei der Neubildung von Zellen in Haut und Knochen und beim Abbau von Abfallstoffen, den sogenannten freien Radikalen. Überdosen an Vitamin C schützen aber nicht vor Erkältungen und anderen Gebrechen. Neueste Untersuchungen der Universität Helsinki zeigen, dass es allenfalls für Extremsportler und Menschen, die unter arktischen Klimabedingungen leben, interessant sein kann, zusätzliches Vitamin C zu sich zu nehmen. Für den Normalverbraucher sind Vitaminpülverchen und -tabletten entbehrlich. Zuviel davon kann sogar negative Folgen haben.

    "Vitamin C ist ein wasserlösliches Vitamin. Man scheidet es irgendwann aus, wenn es zu viel ist. Wenn es sehr hoch dosiert ist, kann es zu Magenübersäuerung führen und zu Durchfall führen. Wenn wir daran gewöhnt sind, viel Vitamin C zu nehmen, und diese Dosis dann absetzen, dann rutschen wir in einen Skorbut, weil der Körper es gar nicht mehr gewohnt war, mit ganz minimalen Mengen auszukommen."
    Die Einnahme von Ascorbinsäure als Konservierungsmittel hingegen hält auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung für unbedenklich - denn in der Summe handele es sich trotz der großen Verbreitung um kleine Mengen. Für eine gesunde Ernährung sollte der Verbraucher aber nicht auf Zusatzstoffe bauen, sondern auf Obst und Gemüse, empfiehlt Ernährungsberater Christof Meinold - es sei denn, Allergien oder andere Gründe erlauben keine normale Ernährung. Denn für den Großteil der Konsumenten ist die Vitamin-C-Tablette vor allem eins: das Beruhigungsmittel, doch etwas mehr für die Gesundheit getan zu haben.