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Ein harmlos wirkender Klimakiller

Umwelt. - Kohlendioxid, reichhaltig durch die Verbrennung fossiler Energieträger anfallend, gilt unumstritten als Treibhausgas Nummer 1. Dies unterstrich der letzte Klimabericht der Vereinten Nationen nachdrücklicher als je zuvor. Doch zu der Liste der üblichen Verdächtigen in Sachen Klimaveränderung gesellt sich jetzt auch ein weiteres Gas - einfacher Wasserdampf.

    Zwar von Medien und Öffentlichkeit kaum beachtet, ist Wasserdampf eines der wichtigsten Treibhausgase überhaupt: Allerdings bestimmt das Gas jenen Teil der Klimabilanz, der vordergründig natürlichen Ursachen entspringt und somit nicht anthropogen ist: Wasserdampf und manifestes Wasser der Wolken sind zusammen für insgesamt 85 Prozent der planetaren Aufheizung verantwortlich. Dagegen nehmen sich die durch den Menschen freigesetzten Atmosphären-Dämmstoffe, wie etwa Kohlendioxid, Lachgas und Methan, eher bescheiden aus. Allerdings entwickelt sich die Wirkung von Wasserdampf in der Atmosphäre alarmierend, entdeckten jetzt Klimatologen im Rahmen einer Studie des Kernforschungszentrums Jülich zusammen mit US-Kollegen der Hampton-Universität. In der zweiten Etage unserer Gashülle, der sogenannten Stratosphäre in sechs bis zwölf Kilometer Höhe, nimmt der Gehalt an gasförmigem Wasser seit 50 Jahren um ein Prozent jährlich zu.

    Hochgerechnet stieg damit die Wasserdampfmenge im letzten halben Jahrhundert um rund 75 Prozent an. Britische Wissenschaftler modellierten aus diesen Daten einen Temperatureffekt von alleine einem Achtel Grad Celsius. Diese beachtliche Zunahme entspricht etwa der Hälfte jener Erwärmung, die durch Kohlendioxidemissionen hervorgerufen wird. Warum aber der Wassergehalt der irdischen Gashülle derart rapide ansteigt, ist weitgehend unklar. Möglicherweise sei daran Methan zur Hälfte beteiligt, denn das beispielsweise in der Tierhaltung stark anfallende Gasteilchen zerfällt in der Atmosphäre, und es entstehen unter anderem zwei Wassermoleküle. Allerdings könne dieser Prozess nicht die gesamte Wasserdampfsteigerung erklären, meinen Klimatologen. Weiter ist rätselhaft, wie der Wasserdampf in die große Höhe der Stratosphäre gelangt.

    Wasserdampf ist noch immer eine unbekannte Variable im globalen Klimazusammenspiel und bedingt so auch die große Spanne in der prognostizierten Zunahme der oberflächennahen Globaltemperatur, die zwischen 1,5 und sechs Grad Celsius angegeben wird. Dabei erschwert die Vielgestaltigkeit des Wassers, das in der Atmosphäre rasch zwischen seinen Elementarzuständen fest, flüssig und gasförmig wechselt, die Aufklärung des wichtigsten Treibhausfaktors zusätzlich. Durch internationale Vergleiche der Klimadaten wollen Wissenschaftler zukünftig die schwarzen Flecken auf den Karten des wasserdampfbedingten Treibhauseffektes schließen und mehr Licht in die mysteriöse Wasservermehrung in luftiger Höhe bringen.

    [Quelle: Volker Mrasek]