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Ein Hauch von Europa

Vor einem Jahr entschied sich Zypern in zwei Volksabstimmungen gegen die Wiedervereinigung der Insel. 76 Prozent der griechischen Süd- Zyprioten stimmten gegen den Plan von UNO-Generalsekretär Kofi Annan und 65 Prozent der türkischen Nord-Zyprioten stimmten dafür. Trotzdem trat Zypern der Europäischen Union bei. Seitdem bereitet die Insel den Europäern Kopfschmerzen: die neue EU-Außengrenze verläuft de facto entlang der löchrigen "Greenline" zwischen Nord- und Südzypern. Die Feindschaft zwischen der Republik Zypern und der Türkei erschwert zusätzlich die Beitrittsverhandlungen mit Ankara. Doch jetzt gibt es in dem alten Konflikt wieder neue Hoffnung: Seit einer Woche hat Nordzypern einen neuen Präsidenten, der sowohl an der Wiedervereinigung als auch an einer vollen Integration in die EU interessiert ist.

Von Kristin Helberg |
    Im Zentrum von Pafos, einem Touristen-Ort im griechischen Westen Zyperns, wartet Taxifahrer Andreas auf Kundschaft. Die Taxizentrale liegt in der Nähe des Marktes, Urlauber kommen zwangsläufig hier vorbei. Mehr seien es durch den EU-Beitritt allerdings nicht geworden, meint Andreas.

    "Ich habe noch keine Veränderungen gesehen, nur Gesetze, die sie mir auferlegen. Du musst jetzt dein Auto auf bestimmte Art registrieren lassen und dich auf der Strasse korrekter verhalten. Das ist besser."

    Nur die gestiegenen Benzinpreise machen dem Taxifahrer zu schaffen. Wegen der europäischen Vorschriften sei alles teurer geworden, sogar der zyprische Hallumi-Käse, sagt Cris, ein Fotograf aus Pafos. Die Produzenten müssten jetzt in weiße Schürzen und getrennte Personaltoiletten investieren und deshalb mehr Geld für den Käse verlangen. Cris ist enttäuscht von der Europäischen Union. Sie sollte mehr Druck auf die Türkei ausüben, damit diese ihre Truppen aus Zypern abziehe.

    "Wir sind der EU beigetreten in der Hoffnung, dass sie uns helfen, eine Lösung für die griechischen und türkischen Zyprer zu finden."

    Ein Hauch von Europa weht seit dem EU-Beitritt auch im türkischen Norden von Nikosia, der geteilten Hauptstadt. Im Gegensatz zu seinem Kollegen im Süden spürt Taxifahrer Tuiugúng einen deutlichen Aufschwung. Die EU-Mitgliedschaft habe Europäern das Hin- und Herfahren zwischen Nord und Süd erleichtert, deshalb kämen jetzt mehr Touristen in den türkischen Teil, so der Taxifahrer.

    "Hier ist viel los, das ist sehr gut für die türkische Seite. So verdienen wir mehr Geld als vorher."

    Tuiugung hat am vergangenen Sonntag für Mehmet Ali Talat gestimmt. Der werde den türkischen Teil Zyperns in die EU integrieren, hofft der 29jährige. Talat selbst ist zuversichtlich. Der neue Präsident rechnet mit dem Wohlwollen der Europäer.

    "Noch konnten sie die Isolation nicht aufheben, bis jetzt gibt es keinen direkten Handel, keine direkten Flüge, nichts. Aber weil das Image der türkischen Zyprer viel besser ist als früher, interessieren sich die Europäer mehr für den Norden, als Investoren und als Touristen."

    Die griechische Seite beobachtet das mit Sorge. Sie fürchtet, direkte Handelsbeziehungen zwischen dem türkischen Teil und der EU könnten zu einer Anerkennung des nordzyprischen Staates führen. Um das zu verhindern, verweigert die Regierung im Süden jede Zusammenarbeit mit Behörden im Norden. Das wiederum erschwert eine effektive Kontrolle der Green Line. Regierungssprecher Kypros Crysostomides betont, die Green Line sei ein künstliches, von der türkischen Besatzung geschaffenes Gebilde.

    "Natürlich wollen wir dort keine Grenze etablieren, das wäre unlogisch. Die Grenzen von Zypern sind die Küsten. Dort kann illegale Einwanderung aber nicht gestoppt werden, im Norden gibt es Schmuggel, Drogenhandel und Geldwäsche. Darüber muss sich die EU im Klaren sein."

    Obwohl formal die ganze Insel der EU beigetreten ist, gelten europäische Gesetze bislang nur im Süden Zyperns. Shener Levent, Herausgeber der türkisch-zyprischen Zeitung Afrika, fordert die Einführung des EU-Rechts auch im Norden.

    "Wir wollen nicht das Geld der EU, wir wollen ihre Gesetze, ihre Menschenrechte."

    Salih Irmakli, ein türkisch-zyprischer Journalist, verspricht sich von einem Anschluss an die Europäische Union mehr Freiheit und Vielfalt. Denn die EU helfe privaten Organisationen, liberale Gedanken, Offenheit und Toleranz nach Zypern zu bringen.

    "Diese Leute brauchen europäische Gesetze, Werte und finanzielle Hilfe, um für Unterschiede zu werben."

    Noch machten sich europäische Gedanken leider kaum bemerkbar, sagt Irmakli, der als türkischer Moderator für das griechisch-zyprische Fernsehen arbeitet und dort oft angefeindet wird. Irmakli sieht im Süden bislang nur oberflächliche Veränderungen.

    "Früher gab es dort griechische Flaggen, jetzt gibt es europäische. Als der EU-Kommissar kam, meinte er, was ist denn hier los? Warum hängen hier so viele griechische Fahnen? Das ist doch nicht Griechenland. Daraufhin haben sie mehr EU-Flaggen aufgehängt."