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Ein Jahr Science March
Willkür im Weißen Haus hält an

Gegen Wissenschaftsfeindlichkeit, Populismus, Missachtung des Klimawandels: Samstag folgt die Fortsetzung des Protestes, der vor einem Jahr Zehntausende beim March for Science auf die Straße brachte. Der Kahlschlag beim Forschungsetat blieb zwar aus, doch der Ausschluss von Wissenschaftlern unter Trump hält an.

Von Volker Mrasek | 13.04.2018
    Teilnehmer des "March for Science" in New York fordern: "Glaubt wissenschaftlichen Fakten, nicht alternativen Fakten"
    Teilnehmer des "March for Science" im vergangenen Jahr in New York forderten: "Glaubt wissenschaftlichen Fakten, nicht alternativen Fakten" (AFP / Bryan R. Smith)
    Wem wollte Donald Trump nicht alles den Geldhahn zudrehen? Der Umweltbehörde EPA zum Beispiel. Oder auch den Nationalen Gesundheitsinstituten mit ihrer ganzen medizinischen Forschung. Was wollte er nicht alles komplett streichen? Staatliche Programme zur Weiterentwicklung erneuerbarer Energieträger etwa. Oder diverse Satelliten-Missionen zur Klima- und Umweltüberwachung.
    Kein finanzieller Kahlschlag
    Doch nichts davon tritt ein! Bei der Vergabe der Haushaltsmittel in den USA hat nämlich nicht der Präsident das Sagen, sondern der Kongress. Und der entschied jetzt ganz anders. Aufatmen auch bei Rush Holt. Der Physiker leitet die weltgrößte Wissenschaftsgesellschaft, die amerikanische AAAS:
    "Die Haushaltspolitiker im Kongress sind erfahrene Leute und keine Unterstützer von Trumps radikalen Plänen. Sie glauben, dass sich die staatliche Förderung der Wissenschaft bezahlt gemacht hat, und wollen sie beibehalten. Ende März hat der Kongress den Forschungsetat für das laufende Haushaltsjahr deshalb sogar um über zehn Prozent erhöht."
    Trump-Regierung entfernt unabhängige Fachleute
    Also doch kein finanzieller Kahlschlag in staatlichen Fachbehörden und Forschungsinstituten der USA. Und das so kurz vor dem geplanten zweiten March for Science an diesem Wochenende. Haben US-Wissenschaftler also gar keinen Grund mehr, auf die Straße zu gehen?
    Doch, doch, sagt Andrew Rosenberg. Der verlorene Kampf ums Budget ändere ja nichts an der wissenschaftsfeindlichen Politik des Weißen Hauses. Die Trump-Regierung dränge den Einfluss unabhängiger Fachleute weiterhin konsequent zurück. Rosenberg arbeitet für die Union of Concerned Scientists, eine politisch engagierte Vereinigung von Umweltwissenschaftlern.
    "Wir beobachten, dass Universitätsforscher aus Beratungsgremien der Umweltbehörde oder des Innenministeriums entfernt werden. Man ersetzt sie durch Forscher, die für die Industrie arbeiten und zum Beispiel dafür bekannt sind, dass sie Luftverschmutzung für kein großes Problem halten. Einer von ihnen wurde neulich mit der Aussage zitiert, die heutige Luft sei wahrscheinlich zu gesund für uns."
    Industrie hat freie Hand
    Wohin so etwas führt, lässt sich auch an konkreten Entscheidungen ablesen, die die Regierung von Donald Trump zuletzt traf:
    "Nach dem Unglück der 'Deepwater Horizon' im Golf von Mexiko vor acht Jahren gab es eine Untersuchungskommission und Empfehlungen, die Sicherheit auf solchen Bohrinseln zu erhöhen. Vor rund einem Monat entschied die Trump-Regierung aber, das sei alles gar nicht nötig. Sie will auch keine unabhängigen Inspektionen auf den Plattformen - mit der Begründung, das könne die Industrie schon selbst erledigen. Unglaublich nach einer solchen Ölpest!"
    Freie Hand lässt Trumps Weißes Haus der Öl- und Gasindustrie auch bei einem anderen Umweltproblem. In Staatsterretorien sollte es ihr eigentlich nicht mehr erlaubt sein, Erdgas einfach abzulassen oder abzufackeln. Das geschieht an Standorten, wo die Förderung von Öl lukrativer ist. Das Verbot des sogenannten gas flarings hatte die vormalige Regierung von Barack Obama beschlossen, weil Erdgas vor allem Methan enthält, ein potentes Treibhausgas.
    "Die Trump-Administration hat diese Regelung ohne jede Begründung ausgesetzt. Dadurch kann die Öl-Industrie einfach weiter Methan ablassen oder verbrennen, wenn es ihr nur auf das geförderte Öl ankommt. Ein Richter hat zwar entschieden, dass es nicht rechtens war, die Regel außer Kraft zu setzen. Aber jetzt wird das Ganze erstmal eine ganze Weile vor Gericht hin- und hergehen."
    Klimaforscher werden drangsaliert
    Nicht zu vergessen schließlich, dass viele Wissenschaftler in Staatsdiensten ihre Arbeit nicht mehr richtig machen dürfen und drangsaliert werden. Das gilt insbesondere für Forscher, die mit dem Klimawandel zu tun haben. Denn von dem will Trumps Regierung nach wie vor nichts wissen, ja sie schweigt ihn am liebsten einfach tot. Auch hierfür kennt Andrew Rosenberg ein aktuelles Beispiel:
    "In der vergangenen Woche veröffentlichte das Innenministerium einen Fachbericht über Herausforderungen für US-Nationalparks. Politische Beamte hatten vorher jeden Hinweis auf den Klimawandel entfernt. In Berichten für die staatliche Katastrophenschutzbehörde durfte der Begriff 'Extremhitze' nicht auftauchen. Wir wissen von Forschern, denen untersagt wurde, an Fachkonferenzen teilzunehmen oder dort vorzutragen. Und dann gibt es noch die vielen Fälle von Selbstzensur, weil staatliche Wissenschaftler ihren Job nicht verlieren wollen."
    Wenn man das so hört, gibt es wohl keinen Zweifel: In den USA haben Wissenschaftler allen Grund für einen zweiten March for Science.