Archiv


Ein Minimalist in Düsseldorf

Action-Painting, Popart, abstract expressionism, das war die US-amerikanische Kunstavantgarde der sechziger Jahre, die heftig und mit grellen Effekten zu Werke ging. Zugleich gab es aber auch die Reduktion, die Begrenzung und Minimierung, die minimal art eben. Keine Ornamente mehr, keine Illusionen, sondern reine Grundformen ohne Hierarchien. Einer der Protagonisten der minimal art war Donald Judd. 1928 in Missouri geboren und vor zehn Jahren in New York gestorben. Der ehemalige Bauhäusler Joseph Albers mit seiner Erfahrung oder Ehrung an das Quadrat war das erklärte Vorbild von Donald Judd. Eine Retrospektive seiner Kunst ist jetzt in der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf zu sehen.

Christiane Vielhaber im Gespräch |
    Christoph Schmitz: Christiane Vielhaber, Retrospektiven zeigen gewöhnlich die chronologische Entwicklung eines Werkes, bei der minimal art, die ja schon reduziert ist, geht das eigentlich gar nicht. Wie ist das bei Donald Judd in Düsseldorf gelungen?

    Christiane Vielhaber: Ja, ich meine, man wird ja nicht als Minimalist geboren, Herr Schmitz. Und es braucht ja doch eine Entwicklung in einem Künstlerhirn, noch dazu war Judd ein studierter Philosoph und er war einer der polemischsten Kollegen, die ich kenne. Also, es braucht ja eine Weile bis man da hinkommt und das heißt, ich muss ja vorher etwas anderes gemacht haben, um dann diese minimalistischen Strukturen, von denen Sie eben gesprochen haben, um die als Kunst in den Raum zu stellen und vielleicht, dann sind wir gleich bei dieser Ausstellung, vielleicht ist es ja doch am Ende eines Lebens, er ist mit 65 gestorben, das muss nicht das Ende sein, aber vielleicht denkt man ja am Ende auch darüber nach, ob es doch der richtige Weg war und ob es nicht doch vielleicht irgendetwas Neues, Sinnliches gäbe mit dem man diesen Minimalismus aufpeppen könnte.

    Schmitz: Ja, jetzt haben Sie mich neugierig gemacht. Gibt es denn diesen Bogen, dieses Nachdenken am Ende und auch die Hinführung zum Minimalismus theoretisch und konkret in der Kunst in dieser Ausstellung zu sehen?

    Vielhaber: Das gelingt in Düsseldorf eigentlich sehr schön. Diese Ausstellung ist chronologisch gegliedert in einer Abfolge von Räumen über zwei Etagen. Man hat sogar oben den so genannten Amerikaner-Saal ausgeräumt. Sie fangen also unten an mit dem Werk der sechziger Jahre und da sehen Sie, dass er noch fast so wie die deutschen Informellen mit so ein bisschen Sand in der Farbe oder so, das hat so was Sinnliches in der Oberfläche, so, und dann packt er da aber schon so Kuchenbackförmchen rein, in die Mitte des Bildes. Also da auch schon eine Harmonie letztlich, eine Symmetrie und diese Kuchenbackform, wie für einen Rührkuchen, ist ja auch eine sehr geometrische Form, also eingegliedert rein. Dann finden Sie Bilder aus dieser Zeit, das sind noch Wandbilder, wo er zum Beispiel ein O hineinlegt, das wäre dann also eine runde Backform, das ist eine gelbe Backform auf cadmiumroten Grund, auch das noch gemalt und dieses O könnte genauso gut auch eine null bei Jasper Jones sein auf diesen Zahlenbildern. Und dann geht es eigentlich Schlag auf Schlag. Dann kommen schon die Bodenskulpturen, wo fest gefügte Kuben stehen und dann ist so eine Rille ausgefräst und in dieser Rille liegt ein Rohr. Man hat immer das Gefühl, dass Judd so ein bisschen Angst hat, die Rille allein trägt noch nicht, ich muss also etwas füllen, damit das ganze eine Form bekommt. Das zieht sich eine Weile weiter. Dann kommen die nächsten Räume, da haben Sie diese Wandskulpturen, diese Reliefs, die ein bisschen aussehen, wenn Sie vorhin gesagt haben, es gibt kein Ornament, natürlich gibt es die Lust am geometrischen Ornament, ein bisschen wie die Zahnschnittleiste in der römischen Baukunst. Aber das ist eben nicht Zahn raus, Zahn rein, sondern es sind jeweils Module, und die Abschnitte zwischen diesen einzelnen Zähnen sozusagen, die von der Wand herunterhängen, variieren also von klein bis groß.

    Schmitz: Das haben Sie sehr schön beschrieben. Aber welche Anmutung oder welche ästhetische Erfahrung macht man heute oder haben sie gemacht mit diesen Objekten, die Sie heute im Jahr 2004 sehen, die in den sechziger Jahren, siebziger Jahren entstanden sind?

    Vielhaber: Gut, wäre nicht das Frühwerk, Herr Schmitz, hätte ich gedacht, mein Gott, irgendwann wird es langweilig. Im unteren Teil in Düsseldorf, der endet mit, ich sage jetzt mal, vorgefertigten Kleiderschränken aus Sperrholz, die nicht im Raum stehen sondern an der Wand stehen, so dass sie das Gefühl haben, hinten die Rückwand von dieser Halle ist die Rückwand des Schrankes, dabei sind es offene Kuben. Und da habe ich gedacht, jetzt fällt ihm dann doch nicht mehr ein. Und dann in der zweiten Etage kommt es dann doch dazu, das ist so, als hätte er eine spätkindliche Lust an Lego-Bausteinen oder so, an Fisher-Bausteinen, ich habe das als Mädchen natürlich nicht gekannt, aber wo man so einzelne kleine Bauteile aneinander schraubt und jetzt kommt auch wieder die Farbe ins Bild. Das sind nicht diese vorgefertigten farblosen oder monochromen, glänzenden Aluminiumkästen oder Regale an der Wand oder dieser Holzkästen sondern jetzt sind es wieder lackierte oder angestrichene einzelne Form-Module aus denen er wieder seine Wandregale baut oder dann eine ganze Wand voll. Da hat man so das Gefühl, mich hat das erinnert so an Zeitschriftenständer, wissen Sie, wo so eine Schräge drin ist, wo Sie das schräg rein tun können. Und das hat er dann auch variiert, mal mehr mal weniger schräg und hat mit diesen Modulen gespielt. Also doch schon das Gefühl für mich, dass er am Ende doch Lust hatte noch mal zu etwas anderem aufzubrechen.

    Schmitz: Christiane Vielhaber, vielen Dank für das Gespräch über die Donald Judd Retrospektive in der Düsseldorfer Kunstsammlung NRW.