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Ein Modell sucht Nachahmer

Jühnde in Niedersachsen ist als erstes Bio-Energiedorf in Deutschland bekannt geworden. Die kleine Ortschaft versorgt sich selbst mit Energie aus erneuerbaren Quellen - und das Modell könnte Schule machen. Die Wissenschaftliche Begleitforschung zum Bio-Energiedorf hat jetzt Bilanz gezogen, ein Thema dabei war die Übertragbarkeit dieses Konzeptes auf andere Gemeinden.

Von Elke Drewes | 18.02.2008
    Das Bioenergiedorf Jühnde hat die Erwartungen der Wissenschaftler sogar übertroffen: Die Energie für Warmwasser und Heizung wird zu 100 Prozent in der genossenschaftseigenen Biogasanlage und im Blockheizkraftwerk produziert. Bei Spitzenverbrauchszeiten im Winter verbrennt ein Kleinkraftwerk zusätzlich Holzschnitzel. Über ein Nahwärmenetz werden alle angeschlossenen Haushalte
    100 Prozentig mit Wärme aus Bioenergie versorgt. Und nicht nur das, sagt Hans Ruppert vom Interdisziplinären Zentrum für Nachhaltige Entwicklung der Uni Göttingen. Er hat das Projekt von Beginn an begleitet.

    "Wir produzieren doppelt soviel Strom wie Jühnde selber braucht. Aber da Jühnde ein sehr großer Stromverbraucher ist, durch die landwirtschaftlichen Betriebe, könnten wir 4 normale Dörfer mit der gleichen Einwohnerzahl mit Strom versorgen. "

    Hinzukommt: neue Berechnungen zeigen, dass die Jühnder durch die Umstellung auf Bioenergie auch beträchtliche Mengen des Treibhausgases CO2 einsparen, bilanziert der Geologe Hanz Ruppert.

    "Das Ziel der Bundesregierung bis zum Jahr 2020 sind 20 Prozent und jeder Jühnder, der angeschlossen ist hat knapp 80 Prozent eingespart. Wir sind auch ganz stolz auf die Zahlen."

    75 Prozent der Jühnder haben ihren Haushalt auf Bio-Energie umgestellt und sind an das Nahwärmenetz angeschlossen. Dadurch spart jeder Haushalt im Schnitt 3000 Liter Öl im Jahr und damit Kosten von 500 bis 600 Euro. Inzwischen sind etwa 80 weitere Bioenergiedörfer in Deutschland in der Planungsphase. 15 sind sogar schon umgesetzt, zum Beispiel im thüringischen Göhren, im bayrischen Altershausen, in Rai-Breitenbach im Odenwald sowie in Mauenheim und Bonndorf in Baden-Württemberg. Dort hat Siggi Duffner die Interessengemeinschaft Bioenergiedorf mit gegründet.

    "Unsere Bedingung war ähnlich wie in Jühnde: Wir haben uns festgelegt auf 71 Prozent Wärme aus erneuerbaren Energiequellen und mindestens 100 Prozent Strom. "

    Peter Schmuck vom Institut für Nachhaltigkeit der Umweltpolitik in Potsdamm hat die Erfolgsfaktoren für den Transfer in andere Dörfer untersucht. Am wichtigsten sei der Zusammenhalt im Dorf, sagt er. Es müssen genügend Bürger mitmachen, damit sich ein Nahwärmenetz lohnt. Und es müssen genügend Landwirte bereit sein, Energiepflanzen für die Biogasanlage zu liefern. Und genau hier liegt zur Zeit das größte Überzeugungsproblem.

    "Im Moment ist es so, dass die Landwirte schwierig zu gewinnen sind, weil die Weizenpreise stark gestiegen sind. Insofern sind sie kaum bereit, zu einem geringeren Betrag ihre Pflanzen für das Dorf zu liefern, da muss man jetzt Kompromisse finden."

    Landwirt Reinhard von Werder liefert mit drei anderen Landwirten Mais und Getreide für die Biogasanlage in Jühnde. Gleichzeitig ist er im Vorstand der Genossenschaft, die die Anlage betreibt.

    "Das tut natürlich den Biogasanlagen schon weh, aber wir haben in Jühnde einen Kompromiss gefunden. Das ist ja das Schöne an dieser genossenschaftlichen Anlage, wir verkaufen die Wärme an uns selbst. "

    Das heißt der Landwirt spart selbst Energiekosten ein und:

    "Es ist sicherlich nicht unbedingt so, dass wir durch den Biomasseanbau bei den gestiegenen Getreidepreisen mehr verdienen, aber wir haben mehr Sicherheit: Wir sind unabhängiger vom Weltmarkt und von der Politik. "

    Hinzu kommt: Durch die gestiegenen Ölpreise können Landwirte künftig mehr Geld verlangen, wenn sie Mais und Getreide als Energiepflanzen verkaufen. Dadurch wird Bioenergie für die Verbraucher zwar nicht billiger. Aber es gibt genug andere Gründe, sich dafür einzusetzen, dass die eigene Gemeinde Bioenergiedorf wird, sagt Klaus Eilert aus Barlissen im Kreis Göttingen.

    "Das ist uns sehr wichtig, damit wir unabhängig von den Ölmultis werden und für unsere Kinder und Kindeskinder eine lebenswerte Umwelt haben. "

    Das Bundesministerium für Landwirtschaft startet jetzt einen "Wettbewerb zum Aufbau regionaler Bioenergie-Netzwerke". Von 2009 bis 2011 sollen insgesamt 16 Bioenergieregionen in Deutschland mit jeweils 400 000 Euro gefördert werden.

    Weitere Infos unter: bioenergie-regionen.de