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Ein neues Berufsfeld für Frauen

Am 11. Januar hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg eine für die Bundeswehr folgenreiche Entscheidung gefällt: Die bisherige deutsche Praxis, dass Frauen in den Streitkräften nur im Bereich der Sanitätstruppe, der Militärmusik und der Sportfördergruppen eingesetzt werden dürfen, verstößt gegen das Prinzip, dass alle Berufe Männern wie Frauen gleichermaßen offen stehen müssen. In einer vorherigen Entscheidung, die die britische Armee betraf, hat der Gerichtshof allerdings deutlich gemacht, dass es Bereiche in Streitkräften geben kann, die aufgrund besonderer Anforderungen für Frauen nicht offen stehen müssen. Seit heute sind die ersten Frauen, die nicht zu den Sanitätern, den Musikern und den Sportlern wollen, in den Auswahlverfahren. 16 Frauen sind heute bei der Zentrale für Nachwuchsgewinnung in Hannover - sie wollen Unteroffiziere werden -, und 10 bei der Offiziersprüfungszentrale in Köln angekommen - dort stellen sie die Hälfte derjenigen, die sich dem Eignungstest unterziehen. Der Spruch aus Luxemburg hat die Bundeswehr auf drei Ebenen beschäftigt: Es gibt verfassungsrechtliche Fragen, Fragen der Umsetzung dieses Spruchs in einfache Gesetze und rein praktische Probleme. Wenden wir uns zunächst kurz den verfassungsrechtlichen Fragen zu.

Rolf Clement |
    In der verfassungsrechtlichen Diskussion spielt die Frage eine Rolle, ob europäisches Recht deutsches Verfassungsrecht brechen kann, auch dann, wenn es sich auf Bereiche bezieht, die der europäischen Gesetzgebung noch nicht unterliegen. Die Organisation der Streitkräfte unterliegt noch nicht der europäischen Gesetzgebung. Einige argumentieren, dass der Europäische Gerichtshof gar nicht zuständig ist, die Zugangsvoraussetzungen für den Dienst in den Streitkräften zu regeln.

    Dem halten andere entgegen, es gehe nicht um eine Regelung, die die Streitkräfte betrifft, sondern um die Gleichberechtigung. Da es in den Streitkräften zahlreiche Tätigkeiten und Berufe gibt, die nicht streitkräftespezifisch seien, unterliege der prinzipielle Zugang zu diesen Berufen durchaus der allgemeinen europäischen Gesetzgebung.

    In Deutschland war diese Diskussion dadurch sehr schnell beendet, dass die Bundesregierung sofort mitgeteilt hat, sie wolle diesen Spruch aus Luxemburg umsetzen. Viele sahen jetzt die Chance, ein lange beabsichtigtes Ziel zu erreichen: Die Bundeswehr für Frauen zu öffnen.

    Eine zweite verfassungsrechtliche Debatte drehte sich um die Frage, ob für diese neue Öffnungspolitik eine Änderung des Grundgesetzes nötig sei. Bis zum Spruch aus Luxemburg gingen fast alle von dieser Notwendigkeit aus, nach dem 11. Januar wandelte sich diese Position. Die wortgenaue Interpretation des entsprechenden Artikels des Grundgesetzes hat zu diesem Meinungsumschwung geführt. Dieser Artikel 12 a lautet in seinem hier einschlägigen Absatz 4:

    "Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an zivilen Dienstlei-stungen im zivilen Sanitäts- und Heilwesen sowie in der orts-festen militärischen Lazarettorganisation nicht auf freiwilliger Grundlage gedeckt werden, so können Frauen vom vollendeten 18. bis zum vollendeten 55. Lebensjahr durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zu derartigen Dienstleistungen herangezogen wer-den. Sie dürfen auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten."

    Die jetzt von den meisten vertretene Interpretation des Wortlauts des Grundgesetzes verweist darauf, dass sich das Verbot des Waffeneinsatzes nur auf den Bereich zwangsweise rekrutierter Krankenschwestern bezieht, nicht aber auf den Einsatz von Frauen, die freiwillig den Dienst bei der Bundeswehr antreten.

    Nach dieser Interpretation, die im politischen Bereich kaum noch umstritten ist, muss das Grundgesetz nicht geändert werden. Für diese Argumentation haben auch taktische Gründe eine Rolle gespielt: Wenn heute eine parlamentarische Zweidrittel-Mehrheit für eine Grundgesetzänderung zusammengetragen werden muss, werden einige das mit der Frage nach der Wehrpflicht verknüpfen, die wir in dieser Sendung ausklammern wollen. Daran hatten weder die SPD noch die Union ein Interesse. Von daher schwenkte man schnell auf den beschriebenen Kurs ein. Somit müssen lediglich das Soldatengesetz und einige weitere Verordnungen sowie Ausbildungsvorschriften geändert werden.

    Das Gesetzgebungsverfahren ist eingeleitet, es soll bis zum Herbst abgeschlossen sein. Während des Gesetzgebungsverfahrens werden die internen Richtlinien, z.B. für die Ausbildung, überarbeitet. Im kommenden Jahr sollen dann die ersten Frauen eingestellt werden, im Frühjahr die Unteroffiziersanwärterinnen, im Sommer die Offiziersanwärterinnen.

    Verteidigungsminister Scharping hat schnell angedeutet, dass die Beschränkungen für die Öffnung der Bundeswehr sehr gering sein sollten, wenn es überhaupt welche geben sollte. Die völlige Öffnung der Bundeswehr, so schien es zunächst, würde auch von den Teilstreitkräften angestrebt. Aber dann wurden erste Bedenken formuliert.

    Vor allem im Heer wurde über mögliche Ausnahmen nachgedacht. Zunächst sollte das Kommando Spezialkräfte KSK, eine Elitetruppe, die z.B. für die gewaltsame Evakuierung von gefangengenommenen Deutschen vorgesehen ist, ausgenommen werden. Dann wurde der Kreis noch weiter gezogen: Alle Tätigkeitsfelder, in denen es zu einer Auseinandersetzung "Mensch gegen Mensch" kommen kann, sollten für Frauen verschlossen blieben. Dieses Kriterium trifft nicht nur auf die KSK zu, sondern auch auf Bereiche der Infanterie und auf die Besatzung eines Kampfpanzers.

    Als das Heer sich so zugeknöpft zeigte, wollten auch die anderen Teilstreitkräfte nicht nachstehen. Die Marine wollte daraufhin ihre Spezialverbände, vor allem die Kampfschwimmer, für Fraueneinsätze ausschließen. Bei der Luftwaffe kamen die neu einzurichtenden Sicherungsverbände und die Jet-Piloten auf den Index für Frauen.

    Verteidigungsminister Scharping hat dann entschieden, dass es keine Beschränkungen für Frauen in den Streitkräften geben soll. Er wollte, dass der Zugang der Frauen in die verschiedenen Laufbahnen der Bundeswehr ausschließlich über die Qualifikationsmerkmale geregelt werden sollten: Wenn eine Frau diese erfüllt, sollte ihr alle Tätigkeitsfelder offen stehen, ein Teil der großen Bundeswehrreform.

    Scharping: "Beispielsweise werden wir ab dem Jahr 2001 alle Laufbahnen und Verwendungen innerhalb der Bundeswehr für Frauen öffnen."

    Die Frauen in den Streitkräften stehen hinter dieser Politik. Beim Treffen der weiblichen Soldaten mit Minister Scharping haben sie deutlich gemacht, dass sie keine Beschränkungen wollten, dass sie damit einverstanden sind, dass die Zugangsvoraussetzungen für die einzelnen Tätigkeitsfelder für sie ohne jede Veränderung übernommen werden. Sogar im Sport wollen sie sich den bisher für die Männer geltenden Normen unterwerfen. Damit wären die Anforderungen für die Bundeswehr-Bewerberinnen schwerer als für die Frauen "draußen" im Zivilleben. Dort müssen Frauen z.B. für das Sportabzeichen leichtere Normen erfüllen als die Männer. In den Streitkräften sollen, so die Frauen auf diesem Treffen, solche Unterschiede nicht gelten. Feldwebel Papproth macht deutlich, wie sie und ihre Kameradinnen das meinen:

    "Ganz einfaches Beispiel: Hammelburg, Vorausbildung für UN-Einsatz. Da steht ein kleiner Unteroffizier, der nicht mal so groß war wie ich, noch schmaler als ich, und hat den Jäger-Unteroffizier. So, jetzt erklären Sie mir: Wie hat der das geschafft?"

    Auch sie stellt ausschließlich auf Einstellungskriterien ab:

    "Durch die Einstellungskriterien kommen halt nur die Frauen und Männer dazu, die dafür körperlich geeignet sind, so einfach ist das, und ansonsten eben nicht, weil es eine Tatsache ist, dass im Einsatzfalle oder in bestimmten Situation die Frauen genauso reagieren müssen wie die Männer."

    Scharping: "Frau darf verletzten Kameraden aus dem Minenfeld nicht raus-holen, weil Frau kann Mann nicht tragen, geht nicht. Gemeinsa-mer Einsatz, gemeinsame Leistungsfähigkeit, gemeinsame Krite-rien zum Nachweis der Leistungsfähigkeit, völlig klar."

    Auch mit den Dienst an der Waffe haben die Frauen kein Problem.

    Feldwebel Papproth: "Ich bin stellvertretender Zugführer, Zugführer allgemeine Grundausbildungskompanie. Was denken Sie, was ich ausbilde? Was denken Sie, an was ich seit 6 1/2 Jahren ausgebildet bin, an einer Waffe. Vielleicht nur zur Selbstverteidigung, aber ich bin an einer Waffe ausgebildet, an mehreren Waffen ausgebildet. Schwere Waffen sind mir natürlich untersagt, weil die zur Selbstverteidigung nicht geeignet sind dabei. Aber ob ich nun für die Selbstverteidigung an einer Waffe ausgebildet worden bin bis jetzt oder darauf, auf jemanden zu schießen, das sind trotzdem Pappkameraden, die da vorne gestanden haben. Ich bin ausgebildet an einer Waffe, und ich bilde aus an einer Waffe."

    Die ausschließliche Orientierung an den Leistungskriterien für bestimmte Verbände weckte bei einigen in der Bundeswehr die Spekulation, dass Frauen auf diese Art aus den Spezialverbänden ferngehalten werden könnte, weil man die Zugangsvoraussetzungen so gestalten könnte, dass Frauen sie nicht erfüllen. Offen-sichtlich wurde dann aber doch bedacht, dass in vielen, auch in sportlichen Bereichen, Frauen vielleicht leistungsfähiger sein könnten als Männer und so diese heimliche Rechnung einiger nicht aufgehen würde.

    Allerdings wird diese Diskussion zur Zeit von den Frauen bestimmt, die schon in der Bundeswehr ihren Dienst versehen. Von den weiblichen Unteroffizieren, die in der Sanitätstruppe dienen, wollen einige in andere Bereichen der Bundeswehr überwechseln, weil ihnen dort weitergehende Karrierechancen offenstehen könnten. Für sie mag eine Rolle gespielt haben, dass es Auswirkungen auf Karrierechancen hat, wenn bestimmte Truppenteile für den Dienst von Frauen ausgeschlossen werden sollen. Es gibt z.B. in der Luftwaffe nur wenige Soldaten, die Karriere machen, die nicht Piloten gewesen sind.

    Auf einer Tagung der Konrad-Adenauer-Stiftung im Luftwaffenamt in Köln-Porz stand eine junge Ärztin auf und wandte sich dagegen, dass Frauen wegen der Kinderbetreuung nicht voll einsatzfähig sein könnten. Sie sei selbst mit einem Soldaten verheiratet und habe ein Kind. Für sie sei klar, dass sie mit ihrem Lazarett in den Einsatz gehe, und dass dann der Mann für das Kind zu sorgen hätte. Von daher sei es nicht gerechtfertigt, Fragen der Kindererziehung immer wieder ins Feld zu führen, wenn Probleme bei der Integration der Frauen in die Streitkräfte ausgelotet werden.

    Frauen wollen als Soldaten akzeptiert werden. Deswegen müssen sich die Frauen umstellen, wenn sie in der Armee Dienst tun wollen.

    Feldwebel Papproth: "Ganz einfach, fangen wir mal damit an, Sie stellen sich mor-gens früh vor den Spiegel und machen sich hübsch, wenn Sie zur Arbeit gehen. Das ist bei der Bundeswehr vollkommen irrelevant. Da interessiert es nicht, ob Sie hübsch lächeln können oder nicht. Das ist mal Punkt eins. Sie werden also nicht als Frau behandelt, sondern als Soldat. Genau das ist richtig, daran muss man sich gewöhnen. Der Umgangston ist ganz anders als im Zivilleben, das ist ganz klar. Nicht jetzt dermaßen negativ, aber er ist anders, es herrscht Befehlston, zuerst einmal. Daran muss man sich gewöhnen. Und die körperliche Belastung, wie es denn nachher wirklich physisch und psychisch empfunden wird, wenn man da im Gelände liegt... Es ist kalt, es ist nass, und ich komme da innerhalb der nächsten Stunden aus diesem Loch nicht mehr raus, das muss man live erleben, um dann sehen zu können, ist das etwas für mich oder nicht. Es gibt nicht das 'Über-einen-Kamm-Scheren', das ist ganz klar, aber man muss den Frauen, auch den männlichen Anwärtern ganz klar aufzeigen, worum es geht."

    Die rund 4.400 weiblichen Soldaten der Bundeswehr wehren sich gegen jede Sonderbehandlung. Sie begegnet ihnen aber immer wieder. Normalität im Umgang mit den Soldaten des anderen Geschlechts gibt es in der Bundeswehr noch lange nicht überall - übrigens auch nicht in den Armeen, in denen schon länger Frauen eingesetzt werden.

    Dabei fallen die Verhaltensmuster weit auseinander. Ein Teil der männlichen Soldaten wird schnell zum Gentleman, wenn ein weiblicher Kamerad auftaucht: Der Umgangston wird zivilisierter, die Hilfsbereitschaft gegenüber dem sog. schwachen Geschlecht größer.

    Wieder andere werden burschikos. So wehrte sich in Süddeutschland eine Stabsärztin dagegen, von ihren männlichen Kameraden immer mit "Schätzchen" angeredet zu werden.

    Das Bemühen um besonders korrektes Verhalten deutet auf Unsicherheiten im Umgang hin, die dann zu Sonderbehandlungen werden. Dabei ist dies ein Problem der männlichen Soldaten. Frauen in Uniform gehen davon aus, dass sie in erster Linie als Soldat gesehen werden und dann als Frau. Macho-Manieren seien die Ausnahme.

    Oft entwickeln Männer ihren Beschützerinstinkt, wenn weibliche Soldaten in der Nähe sind. Dies kann im Einsatz kritisch werden. Weibliche Soldaten müßten eigentlich wie Kameraden behandelt und gesehen werden. Eine solche Forderung scheint aber übermenschlich. Die israelische Armee, die Frauen lange Zeit in Kampfverbänden eingesetzt hat, ist davon wieder abgekommen: Männer, so deren Erfahrung, demotiviert eine schwer verletzte oder gar getötete Kameradin nebenan im Schützengraben deutlich mehr als ein männliches Opfer. Sie kümmern sich kollektiv um die Verletzte, wo die Hilfe eines einzelnen ausreichen könnte. Unter Einsatzbedingungen kann dies sehr negative Folgen haben.

    Vereinzelt sehen Offiziere noch eine weitere Gefahr: Durch die emotional andere Haltung gegenüber weiblichen Opfern im Einsatz besteht das Risiko gewagter Vergeltungsaktionen. Die Argumentation dieser Gruppe kommt zu dem Schluss: "Eine solche Gruppe ist nur begrenzt kampffähig."

    Der Europäische Gerichtshof hat - wohl auch wegen dieser Erkenntnisse - gewisse Elitetruppen den männlichen Soldaten vorbehalten. Fast alle NATO-Partner, die Frauen bereits jetzt auch in Kampftruppen einsetzen, verwehren ihnen die Zugang zu jenen Truppenteilen, die für den direkten Einsatz gegen gegnerische Bodentruppen vorgesehen sind.

    Frauen fühlen diesen Unterschied nicht in dieser Form. Für die meisten ist es gleichgültig, ob ein Mann oder eine Frau erschossen wird. Beides ist schlimm, beide Male stirbt ein Kamerad, wird eine von ihnen zitiert. Von daher sehen viele Frauen kein Argument, das sie von den Kampfverbänden weghalten könnte. Es soll keine Schutzzäune geben.

    Minister Scharping: "Das Zusammentreffen mit den Soldatinnen aus dem Musik- und Sanitätswesen hat mir ja auch noch einmal sehr deutlich die Auffassung bestätigt, dass die Frauen auf Schutzzäune keinen Wert legen und sie im Gegenteil ablehnen. Das deckt sich übrigens mit den Anforderungen dieses Berufes."

    Wird es leicht sein, die Frauen zu integrieren? Tanja Goldstein, eine Sanitätssoldatin:

    "Am Schluss überzeugt Kompetenz, und letztendlich ist diese Sache 'Frauen in der Bundeswehr' auf jeden Fall eine Typenfrage. Das wird in einigen Bereichen sehr gut funktionieren, weil es Frauen gibt, die ihren Beruf ernst nehmen, die versuchen, mit Kompetenz und Leistung wird es nicht gut gehen, weil vielleicht Frauen schlecht informiert und mit falschen Voraussetzungen in die Truppe gehen. Also, man kann nicht sagen, das wird so und so laufen, das wird in manchen Bereichen gut funktionieren, wird eine Bereicherung sein, in manchen Bereichen vielleicht nicht."

    Minister Scharping will sensibel an die Einstellung von Frauen herangehen:

    "Ich greife da auf die Schilderung der Frauen selbst zurück, die sagen, es sei für sie eher eine Belastung, wenn sie in sehr, sehr kleiner Zahl in einem größeren Verband Dienst täten, weil sie sich dann in bestimmter Hinsicht isoliert fühlten und Dinge, die sich nicht als Soldat, sondern als Person weiblichen Geschlechts kaum erörtern können. Ich sehe eher solche, ich sehe keine systematischen Fragen, ich sehe praktische Fragen, die auch etwas mit der Pflicht zur Fürsorge zu tun haben."

    In den Blauhelmeinsätzen, an denen die Bundeswehr beteiligt ist, werden Frauen im Sanitätsbereich wie Männer eingesetzt. Dort ist der Gewöhnungsprozeß weiter fortgeschritten, schwinden die beschriebenen Unterschiede. Auch nach vier Monaten im Einsatzland, weg von Frau und Freundin, kommt es nicht zu Anzüglichkeiten oder gar Übergriffen gegenüber Kameradinnen. Dort sind die weiblichen Soldaten zum Kameraden geworden. Wer dort erleben kann, wie selbstverständlich männliche und weibliche Soldaten miteinander umgehen, dem müssen manche Berichte und Erlebnisse aus der Heimat wie von einem anderen Stern erscheinen.

    Es gibt einige Bereiche, in denen Spannungen entstehen können. So kommen Frauen oft mit einer Ausbildung in die Bundeswehr, die sie mit besseren Noten abgeschlossen haben als die Männer. Damit sind ihre Aufstiegschancen zunächst einmal besser. Später kehrt sich das um: Die Stellenkegel in der Sanitätstruppe sind nicht ausreichend, um allen Soldaten eine dem Truppendienst vergleichbaren Karriere zu eröffnen. Die männlichen Sanitätssoldaten haben die Möglichkeit, in die Truppe zu wechseln, die Frauen müssen ihre Dienstzeit beenden oder mit niederen Dienstgraden zufrieden sein. Bis jetzt hat es erst eine Frau zur Generalärztin gebracht. Auch die Kommandeurstellen in der Sanitätstruppe sind mit dieser einen Ausnahme alle durch Männer besetzt.

    Frauen in der Bundeswehr steht der Mutterschutz ebenso zu wie ihren Geschlechtsgenossinnen im Zivilleben. Aber sie müssen wie ihre männlichen Kameraden in den Einsatz. Für die meisten Frauen ist dies weniger ein Diskussionsthema als für Männer: Sie wissen, auf was sie sich einlassen, wenn sie "beim Bund" unterschreiben. Aber nach dem vierten Vier-Monats-Einsatz fällt es manchen schwer, die Unterbringung der Kinder zu organisieren, wenn die Männer auch berufstätig sind. Hier müssen die internen Regelungen überarbeitet werden. Gedacht ist u.a. an eine Einsatzreserve, aus der dann diejenigen ersetzt werden können, die in den Mutterschutz oder Erziehungsurlaub gehen.

    Zudem eröffnet die Bundeswehr sehr viel weniger Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit als andere Arbeitgeber - es entspricht nicht den Einsatzerfordernissen.

    Es ist erstaunlich, dass über dieser Fragen eher die Männer diskutieren als die Frauen in Uniform. Sie haben sich mit den Anforderungen dieses Berufs auseinandergesetzt und sind bewusst in die Armee eingetreten. Von daher sind sie oft motivierter, einsatzbereiter als die Männer. Im Bundeswehr-Informationsdienst heißt das dann:

    "Die weiblichen Sanitätssoldaten haben sich von Anfang an gut in die militärische Gemeinschaft integriert. Sie zeichnen sich durch hohe Motivation sowie einen ausgeprägten Lern- und Leistungswillen aus."

    Eben das ist für viele Männer in der Bundeswehr das Problem.

    Und dann ärgert manche Männer, dass Frauen in der Bundeswehr dezenten Schmuck tragen dürfen: Der Ohrsticker ist für Frauen in Uniform erlaubt, für Männer nicht. Männer dürfen den Goldschmuck nur nach Dienst anlegen, wenn sie zivil tragen. Das wiederum empfinden Männer als ungerecht.

    Die häufige Betonung der Normalität weiblicher Soldaten in der Bundeswehr durch männliche Kameraden, mehr noch durch Vorgesetzte, verdeutlicht gerade die Besonderheit. Auch 25 Jahre nach dem Eintritt der ersten Frauen in die Bundeswehr haben manche noch Probleme mit dieser nicht mehr so neuen Wirklichkeit.

    Dies ist im wesentlichen ein West-Problem. Die Nationale Volksarmee der DDR kannte keine verfassungsmäßige Einschränkung für den Einsatz der Frauen. Trotzdem wurden sie dort vornehmlich im Sanitäts- und Fernmeldebereich eingesetzt, und auch das in relativ geringer Zahl. Zur Zeit liegt die Bundeswehr mit ihrem Frauenanteil von 1,3 Prozent in der NATO an fünftletzter Stelle. Polen und die Türkei haben einen geringeren Anteil, Luxemburg und Italien ließen Frauen nicht in die Armee, wobei Italien ein recht breites Einsatzspektrum für Frauen gerade beschlossen, aber noch nicht umgesetzt hat. Nun wird sich nach dem Spruch des Europäischen Gerichtshofes auch in Deutschland einiges ändern müssen. In den Armeen der NATO-Partner sind sehr häufig die Bereiche für Frauen gesperrt, die einen Einsatz auf sehr engem Raum erforderlich machen. So werden Frauen z.B. fast nirgendwo auf U-Booten eingesetzt.

    Jetzt haben sich 4.500 Frauen als Interessentinnen für den Soldatenberuf in der Bundeswehr gemeldet, 650 haben sich konkret beworben. Es gibt keine genauen Zahlen darüber, in welche Bereiche sie gerne möchten, aber der Eindruck der damit befaßten Personalplaner ist, dass es sich vorwiegen um Versorgungs- und Instandsetzungsbereiche, weniger um Kampfverbände geht, für die sich Frauen interessieren.