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Ein Radiosender, der Geschichte machte

Den 15. Mai hat das serbische Radio B92 groß gefeiert. 18 Jahre on air für einen Sender, der zunächst als Musik-Jugendradio gedacht war, sich dann aber schnell zur mächtigsten Stimme für Freiheit und Demokratie unter Milosevic entwickelte. Heute ist B92 der meist gehörte und gesehene kommerzielle Sender in Serbien - und kämpft weiter gegen Korruption und Machtmissbrauch.

Von Jutta Schwengsbier | 19.05.2007
    Bei B92 arbeiten die Redakteure von Hörfunk, Fernsehen und Internet eng zusammen. In allen Räumen steht modernste Technik. Der heutige kommerzielle Erfolg des einstigen Untergrundsenders ist nicht mehr zu übersehen. B92 hat sich mit objektiven und journalistisch professionell recherchierte Geschichten zum Marktführer in Serbien entwickelt. Und das, obwohl der Sender mit seiner kritischen Berichterstattung immer noch vielen politisch und wirtschaftlich Mächtigen ein Dorn im Auge ist, so Programmdirektor Sasa Mirkovic.

    "Ein Teil der Bevölkerung sieht nur B92. Unser Publikum hat das höchste Einkommen und einflussreiche Positionen im Management. (...) Wer im Geschäft erfolgreich sein will, kann B92 nicht ignorieren."

    Der unabhängige Sender ist nach wie vor in Serbien eine Ausnahmeerscheinung. Sonst wird die Medienlandschaft immer noch weitgehend vom Staat gelenkt oder von superreichen Wirtschaftstycoonen manipuliert, die sich als Gefolgsleute Milosevic große Teile des ehemaligen Staatseigentums angeeignet haben. Medienfreiheit heiße in Serbien bislang noch, andere ungestraft verleumden und diffamieren zu können, urteilt Sasa Mirkovic.

    "Unsere Boulevardmedien zeigen nicht die im Westen üblichen Pin-up Girls oder Skandale im Showbusiness. Einige unserer Politiker und Wirtschaftsbosse bezahlen Medienkampagnen, die ihre Gegner zerstören sollen. Niemand kontrolliert, was veröffentlicht werden darf. Das ist ein Desaster."

    Antisemitische Hetzschriften, nationalistische Hassprogaganda gegen ethnische Minderheiten, gezielte Angriffe gegen Einzelne. Serbischen Medien veröffentlichen alles, was bezahlt wird, sagt Sasa Mirkovic.

    "In dieser Umwelt ist die Existenz von B92 extrem schwierig. Wir sind die einzige seriöse Nachrichtenquelle. Wir berichten über Kriegsverbrecher oder andere Kriminelle, über Drogenschmuggel oder Finanzdelikte. Deshalb haben wir viele Feinde."

    B92 war schon immer das Symbol für jenes andere Serbien, das für eine demokratische Zukunft eintritt. Für viele Hörer und Mitarbeiter war der Sender der einzige Grund nicht auszuwandern, erinnert sich Musikredakteur Tomislav Gruic mit einem Lachen. Ihm machte es einfach Spaß, mit Provokationen die Mächtigen herauszufordern.

    "B92 war immer mehr als nur eine Radiostation. Es war eine kulturelle Bewegung, die für Freiheit eintrat und Widerstand leistete. B92 war immer ein Gravitationszentrum für Regime Gegner und deshalb wurde B92 so wichtig."

    Neben dem Wort war auch die Musik bei B92 schon immer außergewöhnlich. Zunächst nur Stilmittel der musikalischen Avantgarde, wurden die Songs schließlich die letzte verbleibende Ausdrucksform des von Zensur geknebelten Senders. Als das B92 Nachrichtenprogramm unter Milosevic verboten wurde, spielte Tomislav Gruic Titel, die die revolutionäre Stimmung weitertrugen.

    "Während der Studentenproteste von 1996/97 spielten wir Lieder wie 'Lärm ist die Mode'. Gleichzeitig zogen Tausende durch Belgrad, klapperten mit Kochtöpfen oder benutzten Trillerpfeifen. Unsere Musik entsprach ganz dieser Atmosphäre.

    Vor sieben Jahren zwangen Massendemonstrationen, Generalstreik und ein Sturm auf das Parlament Milosevic zum Rücktritt. Wenige Jahre später wurde der erste frei gewählte Ministerpräsident von einem Scharfschützen ermordet. Mit ihm starb für viele die Hoffnung auf schnelle Veränderungen. Auch B92 kann mit seinem Programm keine Wunder bewirken. Doch der Sender gibt vielen die Kraft, weiter um Demokratie und Freiheit zu ringen.