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Ein Reaktor für Algen

Verfahrenstechnik. - Algen könnten Rohstoff für eine Vielzahl von Produkten sein. Vor allen Dingen mit den genügsamen Mikroalgen lässt sich eine ganze Menge produzieren: Gesunde Lebensmittel, Medikamente, Biodiesel oder Tierfutter. Damit aber die kleine Alge groß ins Geschäft kommen kann, muss sie massenhaft zu möglichst geringen Kosten produziert werden. Genau dafür haben Wissenschaftler des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik einen Reaktor entwickelt.

    Algen sind ausgesprochen genügsame Organismen. Viel mehr als etwas Licht, natürlich Wasser, ein bisschen Kohlendioxid, eine Prise Phosphor garniert mit ein wenig Stickstoff brauchen die kleinen Dinger nicht, um enorm schnell zu wachsen. Der Effekt ist bei Landschaftsgärtnern wenig beliebt. Denn schnell wachsende Algen werden leicht zur Algenpest und lassen eine zauberhaft angelegte Seelandschaft unansehnlich werden. Gern gesehen sind Algen aber als Ausgangsstoff für eine Reihe von Produkten, erläutert Professor Walter Trösch vom Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik: "Es gibt eine ganze Menge von Naturfarbstoffen, die für die Kosmetikindustrie hochinteressant sind, daneben Inhaltsstoffe wie Kohlenhydrate, Proteine und Fette, etwa die Omega-Fettsäuren, die ernährungsphysiologisch wichtig sind."

    Voraussetzung für die Nutzung ist allerdings, dass Algen günstig und in großer Zahl produzierbar sind. Diese Aufgabe war Ausgangspunkt für ein Reaktorprojekt, das Trösch und seine Mitarbeiter vor fünf Jahren begannen. Zunächst war eine einfache Frage zu lösen, erzählt Trösch: "Wie bringt man möglichst viel Licht in einen Reaktor hinein. Es wurden mehrere Möglichkeiten untersucht, ob man das Licht zu den Algen bringt, oder die Algen zum Licht." Man entschied sich, dass es energetisch günstiger sei, die Algen zum Licht zu bringen. Dafür wurde in Zusammenarbeit mit den Physikern des Fraunhofer-Instituts für solare Energietechnik in Freiburg ein spezielles Lichtmanagement entwickelt.

    Der Photosyntheseprozess besteht aus zwei Reaktionsfolgen: Zunächst wird Strahlungsenergie in chemische Energie umgewandelt, dafür braucht die Alge Licht. Danach produziert die Alge Zucker aus Kohlendioxid. Hier kann zu viel Licht nur schaden. Die Algen werden deshalb im Bioreaktor der Stuttgarter Wissenschaftler mit Gasblasen in eine schlaufenartige Bewegung, in eine gesteuerte Turbulenz versetzt, die so eingestellt ist, dass die Alge alle zehn Sekunden ans Licht kommt. Die Algenproduktion im Bioreaktor erreicht so 200 Tonnen pro Jahr und Hektar. Zum Vergleich: Beim Raps liegt diese Zahl bei zehn bis 20 Tonnen. Die Algen könnten sogar Erdöl oder Erdgas als Energieträger ablösen, schätzt Professor Trösch. Auch in der Lebensmittelproduktion lassen sich die Algen gut einsetzen. Die Produktionstechnologie für die dafür notwendige Biomasse ist nun verfügbar und wird in einer eigens ausgegründeten Firma von ehemaligen Mitarbeitern des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts vermarktet.

    [Quelle: Peter Welchering]