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Ein römischer Gedächtnisort wird geschleift

Die berühmte Gedenkstätte in der Via Tasso ist jetzt verkauft worden. Von den Erben der verstorbenen Besitzer, die nach Kriegsende aus dem Quartier der Deutschen ein kleines Museum machten - ohne allerdings zu ahnen, wie viele Römer in den folgenden Jahrzehnten den sechs Räumen auf rund 250 Quadratmetern einen Besuch abstatten würden. Für zweihundertfünfzig tausend Euro ging die attraktive Immobilie an eine römische Staatsanwältin. Die will in diesen heiligen Hallen des Gedenkens eine Privatwohnung einrichten. Und zwar bald. Dafür muss alles, was an die schreckliche Zeit der deutschen Besetzung erinnert, verschwinden, denn schliesslich wartet das Bauunternehmen der neuen Eigentümerin schon auf seinen Einsatz.

Ein Beitrag von Thomas Migge |
    Mit der geplanten Renovierung wird eines der wichtigsten römischen Denkmäler zur Geschichte des Faschismus verschwinden. Um die Bedeutung diese Wohnung in der Via Tasso zu verstehen muss man einen Blick in die Vergangenheit werfen. 1943 wurde Benito Mussolini abgesetzt. Eine Nachfolgeregierung unter General Badoglio handelte mit den in Süditalien befindlichen Amerikanern einen Waffenstillstand aus. Der Frieden schien zum Greifen nahe. Doch SS und Wehrmacht hielten Mittelitalien besetzt. Sie hatten den Spieß umgedreht: aus den italienischen Verbündeten wurden Feinde. Die Deutschen besetzten Rom und kämpften nicht nur gegen die vorrückenden Amerikaner sondern auch gegen die Partisanen. In der Via Tasso hatten Gestapo und Waffen-SS eines ihrer Hauptquartiere. Ein Ort des Grauens für viele Römer. In der Wohnung wurde gefoltert und gequält, wurde Leid zugefügt, dass viele Römer bis heute nicht vergessen haben. Um dieses Vergessen zu verhindern, werden bis heute Schulklassen hier hergebracht.

    Die Nachricht von dem Verkauf schlägt hohe Wellen. Antifaschistische, jüdische und andere Bürgervereinigungen sind verärgert und sprechen von einem himmelschreienden Skandal. Leone Paserman, Präsident der jüdischen Gemeinschaft von Rom, findet es einen schlechten Scherz, dass eine so angesehene Stätte des Widerstands, wo hunderte von Antifaschisten versuchten, sich den Folterungen der Deutschen zu widersetzen, wie ein x-beliebiges Objekt des Immobilienmarkts verschachert wird. Pasermann kritisiert in diesem Zusammenhang Roms Bürgermeister und das Kulturministerium. Beide hätten nicht einen Finger gerührt, so seine Kritik, um den Verkauf der Wohnung zu verhindern. Besonders hart trifft die Kritik den römischen Bürgermeister Walter Veltroni. Der nämlich ist Linksdemokrat und ein erklärter Antifaschist. Dass ausgerechnet er den Verkauf nicht verhinderte, wird ihm besonders übel genommen. Veltroni entschuldigt sich und behauptet, er hätte von der ganzen Verkaufsaktion nichts erfahren. Seltsam: scheinbar lesen er und seine Mitarbeiter keine Zeitungen. Die berichten seit längeren schon über Verkaufsabsichten. Kritik am Schweigen des Ministers und des Bürgermeisters kommt auch aus den USA. In der University of Long Island bei New York wird derzeit eine Ausstellung mit dem Titel "Graffitti in einem deutschen Gefängnis in Rom" gezeigt. In der Hampsted-University werden zur gleichen Zeit ergreifende Bilder der italienisch-amerikanischen Fotografin Liana Miuccio ausgestellt, die die deutschen Orte des Terrors in Rom zum Thema haben. Die Nachricht vom Verkauf eines der in diesen beiden Ausstellungen behandelten Orte wird in den dortigen Medien scharf kritisiert.

    Jetzt soll der Verkauf rückgängig gemacht werden. Die Staatsanwältin wird unter Druck gesetzt, damit sie ihre Immobilie an die Stadt abgibt. Veltroni will den Schaden für sein Image wiedergutmachen und die Wohnung erwerben - egal zu welchem Preis. Das Kulturministerium schweigt zu der ganzen Angelegenheit, was bei Urbanis politischen - sprich: rechten - Ansichten nicht verwundern darf. In einem Land, dessen Regierungspartei Alleanza Nazionale gegen den Widerstand weiter Teile der deutschsprachigen Bevölkerung einem Platz in Bozen wieder jenen faschistischen Namen gibt - Siegesplatz - den ihm Mussolini nach dem Anschluss Südtirols an Italien gab - in so einem Land ist es nichts ungewöhnliches, wenn ein Museum des Anti-Faschismus zu normalem Wohnraum wird.

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