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Ein Vater der Fotografie

Louis Daguerre gelang es, das erste fotografische Verfahren zu perfektionieren, das auch vermarktet werden konnte. Das Problem allerdings war: Jedes Bild entstand als Unikat und konnte nicht vervielfältigt werden.

Von Björn Stüben | 18.11.2012
    Louis Jacques Mande Daguerre
    Louis Jacques Mande Daguerre (picture alliance / dpa)
    Auf den ersten Blick wirkt es beinahe wie eine Radierung, die die Ansicht des Boulevard du Temple in Paris zeigt. Doch das Bild entstand nicht durch ein Druckverfahren, sondern mithilfe einer versilberten Kupferplatte: Es ist eine der ersten Fotografien, die Louis Daguerre 1839 erstellte, indem er eine gezielte chemische Reaktion hervorrief. Als Daguerreotypien sollten seine Arbeiten Fotografie-Geschichte schreiben. Die Daguerre-Spezialistin des Louvre, Dominique de Font-Réaulx, blickt zurück auf die Anfänge des neuen Mediums:

    "Die Technik der Fotografie ist sehr alt: Sie geht auf die Camera obscura zurück, die bereits in der Renaissance entwickelt wurde. Es ging jetzt nur noch um die passende Zusammenstellung der entsprechenden Chemikalien. Eine wirklich bahnbrechende Erfindung gab es hierbei aber nicht. Eine absolute Innovation war der Versuch, die mit der Camera obscura geschaffenen Bilder dauerhaft zu fixieren. Nicht die Erfindung der Fotografie stellte daher etwas völlig Neues dar, sondern die Idee, die dahinter steckte."

    Louis Daguerre, am 18. November 1787 in Cormeilles bei Paris geboren, hatte zunächst eine Lehre bei einem Architekten absolviert, bevor er sein Zeichentalent als Dekorationsmaler am Theater entfaltete. In Paris gelang ihm der künstlerische Durchbruch mit der Gründung eines sogenannten Dioramas, das mit illusionistisch gemalten Stadtansichten, für die Daguerre auch auf die Projektionen der Camera obscura zurückgriff, Schaulustige anlockte. Gleichzeitig begann er, mit der Fixierung der projizierten Bilder zu experimentieren. Er knüpfte enge Kontakte mit dem eine Generation älteren Nicéphore Nièpce, der zeitgleich ähnliche Versuche unternahm und dem es 1826 gelang, die weltweit erste lichtbeständige Fotografie, einen Blick aus dem Fenster seines Arbeitszimmers, zu realisieren. Nach Nièpce’s Tod 1833 perfektionierte Daguerre seine eigene Methode.
    "Die Fotografie wurde 1839 von dem Physiker und Politiker Francois Arago der Pariser Akademie der Wissenschaften als Erfindung vorgestellt. Genau 50 Jahre nach der Französischen Revolution feierte Arago die Fotografie und ihren Erfinder Louis Daguerre als Geschenk Frankreichs an die Welt. Es war eine Art Kampf unter den Nationen, aber ein Kampf ohne Waffen, denn es ging um den Wettstreit der Ideen und letztlich immer ums Geschäft."

    Daguerre war es gelungen, das erste fotografische Verfahren zu perfektionieren, das auch vermarktet werden konnte. Doch seine Daguerreotypien, die Porträts ebenso zeigten wie Architekturansichten oder Stillleben, entstanden als Unikate. Eine Vervielfältigung schloss sein Konzept nicht mit ein, worunter der weltweite Erfolg seiner neu entwickelten Methode zunächst jedoch nicht litt.

    "Daguerre hatte es verstanden, sein fotografisches Verfahren exakt zu beschreiben, sodass auch andere es nachvollziehen konnten. Denn eine der größten Schwierigkeiten mit der Nièpce, aber auch der Engländer Talbot zu kämpfen hatten, war, dass sie beide nicht in der Lage waren, ihre Vorgehensweisen detailliert aufzuzeichnen. Tatsächlich hatte nur Daguerre seine Methode so strukturiert, dass er sie anderen auch vermitteln konnte."

    Daguerre hatte somit zunächst den Wettkampf um die Erfindung der Fotografie gewonnen und erhielt dafür eine lebenslange Rente. Die staatliche Förderung seiner Methode sollte die Vormachtstellung Frankreichs auf dem Gebiet der jungen Fotografie zementieren. In den 1840er-Jahren öffneten zahlreiche Dageurreotypie-Ateliers, vor allem in Paris.
    "Die Daguerreotypie hat die Ästhetik der Fotografie entscheidend geprägt mit ihrer formalen Klarheit, ihrer Schärfe im Detail und ihrer Nähe zur Malerei. Interessanterweise waren es dann aber zwei völlig unterschiedliche Bereiche, in denen die Daguerreotypie bevorzugt wurde: zum einen in der Wissenschaftsfotografie und zum anderen kurioserweise in der Aktfotografie. So sind es Daguerreotypien, die uns heute den Blick auf die weibliche Nacktheit in der damaligen Epoche überliefern."

    Daguerre starb im Sommer 1851. Sein nach ihm benanntes Verfahren sollte ihn nur um etwa zwei Jahrzehnte überleben. Danach entwickelte sich die Fotografie hin zu günstigeren Negativ/Positiv-Verfahren, die beliebig viele Bildabzüge erlaubten. Daguerre’s Erfindung sollte ein Intermezzo in der Geschichte der Fotografie bleiben - wenngleich ein entscheidendes.