Archiv


Einatomiger Quantenspeicher

Technologie.- In der sogenannten Quanteninformation sieht so mancher Physiker die Computertechnik der Zukunft. Allerdings steckt sie noch in den Kinderschuhen. Immerhin vermelden Münchner Physiker nun einen bemerkenswerten Fortschritt: einen Quantenspeicher, der mit einem einzelnen Atom funktioniert.

Von Frank Grotelüschen |
    An oder aus, null oder eins. Das ist die Sprache, die ein ordinärer Computer versteht. Anders bei einem neuen Rechnertypus, an dem die Physiker derzeit fieberhaft basteln – dem Quantencomputer.

    "Bei Quantenzuständen ist es so, dass nicht nur einer dieser beiden Zustände möglich ist, sondern auch Überlagerungen zwischen diesen beiden. Das führt zu einer erhöhten Kapazität der Quanteninformation gegenüber der klassischen Information, wodurch Quanteninformation reichhaltiger ist als klassische Information",

    sagt Stephan Ritter, Physiker am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching bei München. Simulationsrechnungen, Datenbank-Abfragen, Geheimcodes knacken – all das könnte ein Quantencomputer womöglich viel schneller erledigen als die schnellsten Superrechner heute. Doch wie ein gewöhnlicher PC braucht auch der Quantencomputer einen Arbeitsspeicher. Einen viel versprechenden Prototypen dafür haben nun Stephan Ritter und seine Leute gebaut. Das Besondere: Er basiert auf einem einzelnen Atom.

    "Die Quanteninformation ist zunächst einmal eingeschrieben in einem schwachen Lichtpuls, der aus einzelnen Photonen besteht. Diesen Zustand übertragen wir auf ein einzelnes Atom, speichern ihn dort und lesen ihn nach einer gewissen Speicherzeit wieder aus, indem wir ein neues Photon produzieren. Und dieses neue Photon ähnelt dem eingeschriebenen."

    Ein Quantenbit mit Licht in ein Atom einspeichern, um es dann – ebenfalls mit Licht – wieder auszulesen. Das klingt gar nicht so aufwendig. Doch der Blick in Ritters Labor spricht eine andere Sprache.

    "Da gibt's einen sehr verblüffenden Gegensatz zwischen der geringen Größe eines einzelnen Atoms und der Größe des Labors. Wir haben eine Vakuumkammer, in der extrem niedriger Druck herrscht. Und die gesamte Manipulation des Atoms findet statt mit Laserstrahlen, die wir durch Fenster in diese Vakuumkammer einstrahlen."

    In der luftleeren Vakuumkammer halten elektromagnetische Felder ein Atom des Elements Rubidium in der Schwebe – und zwar genau zwischen zwei Spiegeln. Zwischen diesen Spiegeln läuft dann das Laserlicht zigtausend mal hin und her, wobei es jedes Mal das Atom touchiert. Ein Trick, der gewährleistet, dass das Quantenbit auch wirklich vom Laserlicht auf das Atom überspringt. Und wie lange lässt sich das Quantenbit im Atom festhalten, wie groß ist also die Speicherzeit?

    "Die beträgt bei uns zurzeit ungefähr 180 Mikrosekunden. Das mag jetzt sehr niedrig erscheinen."

    Ist aber für die fragile Quantenwelt ziemlich lange – ein neuer Weltrekord in der Forschung. Und mit einigen Tricks hofft Ritter, die Speicherzeit noch deutlich zu verlängern.

    "Damit sollte man in der Lage sein, einen Quantenzustand in einem Atom für Sekunden speichern zu können."

    Was für Anwendungen völlig ausreichend wäre. Und dabei denken die Forscher nicht nur an den Speicher für einen Quantencomputer, sondern auch an einen Zwischenverstärker für die Quantenkryptographie. So nennen die Experten eine Methode, mit der sich absolut sicher Daten übertragen lassen. Zwar gibt es erste Quantenkryptographie-Systeme schon zu kaufen. Doch ihre Reichweite ist auf einige Dutzend Kilometer begrenzt, dann werden die Signale, die sie austauschen, schlicht zu schwach. Ein Quantenspeicher könnte die Signale verstärken und dadurch die Reichweite deutlich steigern, hofft Stephan Ritter. Doch bis es soweit ist, dürfte es noch einige Zeit dauern.

    "Ich denke, dass es 10 bis 20 Jahre sein werden, bis das Ganze Einsatz in der Technologie findet. Wir sind hier am Anfang. Aber die Erfolge sind da. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg."