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Einblick in den Selbstbedienungsladen

Der Fußball-Weltverband (FIFA) und der nordamerikanische Fußballverband CONCACAF haben im Rahmen einer Untersuchung hinreichend Beweise zusammengetragen, um den ehemaligen FIFA-Spitzenfunktionär Jack Warner vor Gericht zu bringen. Doch der ist einer der mächtigsten Politiker des Inselstaats Trinidad und ignoriert Anordnungen der örtlichen Justiz seit Jahren.

Von Jürgen Kalwa | 20.04.2013
    Es war ein trostloses Fazit, das der Chef des Integritätskomitees am Freitag zog: Der nordamerikanische Fußballverband CONCACAF sei jahrelang gleich von zwei Männern an der Spitze massiv gemolken worden. Von seinem Präsidenten und seinem Generalsekretär. Sir David Simmons – im Hauptberuf Oberster Richter von Barbados – war sogar nach etwas präziser. Er sprach von Betrug.

    Für diese Mitteilung hätten die Delegierten der 40, weitestgehend über die Inselwelt der Karibik verstreuten Kleinstverbände eigentlich nicht nach Panama City fliegen müssen – zum turnusmässigen Kongress ihrer finanziell äußerst schwach ausgestatteten Kontinental-Föderation. Aber Vergangenheitsbewältigung in den Reihen des internationalen Fußballsports ist ein umständliches Unterfangen.

    So war etwa der mannigfache Machtmissbrauch des ehemaligen FIFA-Vizepräsidenten Jack Warner schon seit Jahren bekannt. Nun liegen erstmals Details – zusammengetragen von einer Anwaltskanzlei und einem Wirtschaftsprüfer – Schwarz auf Weiß auf dem Tisch. Das Dossier belegt unter anderem, wie Warner bei einem Immobiliengeschäft in seiner Heimat Trinidad auf betrügerische Weise rund 26 Millionen Dollar aus Verbandsgeldern in die eigenen Taschen wirtschaftetete.

    Nun ebenfalls nachzuvollziehen: Wie locker der andere Selbstbedienungs-Experte, der Amerikaner Chuck Blazer, jahrelang Courtagen von 10 Prozent aus lukrativen Verträgen mit Werbepartnern für sich abzweigte. Er kam so auf Nebeneinnahmen von 17 Millionen Dollar.

    Was die CONCACAF als nächstes tun wird, um sich etwa im Fall von Jack Warner den Fußballkomplex in Trinidad zurückzuholen, ist unklar. Theoretisch gibt es da den Rechtsweg, um die wahren Besitzverhältnisse des Joao Havelange Center of Excellence zu klären, zu dem ein kleines Hotel, ein großer Veranstaltungssaal und ein Fitness-Center gehört.

    Viel wird sicher von den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden abhängen, die bereits seit mehr als einem Jahr ermitteln. Sowohl Warner als auch Blazer befinden sich im Visier des FBI, das dabei auch auf die umfassenden Unterlagen von Andrew Jennings zurückgreifen kann. Der britische Journalist berichtete über seine Mithilfe unlängst auf seinem Blog "Transparency in Sport”.

    Die amerikanische Bundespolizei hat zunächst einmal dafür gesorgt, einen einen Geschäftspartner und Mitwisser festzusetzen. Es ist Daryan Warner, einer der Söhne von Jack. Seine Zwangsunterkunft in Miami ist nicht gerade karg. Es handelt sich um das Penthouse der Familie in einem Wolkenkratzer mit Blick auf den Atlantik.

    Ihm und seinem Vater drohen theoretisch weitere Sanktionen in der Heimat. Camini Marajh, die leitende investigative Reporterin der Zeitung "Trinidad Express”, hat in den letzten Tagen in einer mehrteiligen Serie mit eigenen Recherchen die schattigen Geschäftspraktiken der Familie umfassend dokumentiert. Sie sagt:

    ""If FIFA, the benefactor in terms of the funds, and CONCACAF file a complaint with the local authorities and say, ‘I have been defrauded’, it can transcend into a criminal fraud investigation.”"

    ""Falls FIFA als der Hauptfinanzier und CONCACAF den Behörden sagen: "Wir sind betrogen worden”, dann kann daraus ein strafrechtliches Betrugsverfahren werden.”"

    Die spannendste Frage ist allerdings nicht, ob FIFA und CONCACAF endlich bereit sind, gegen den ehemaligen Funktionär ins Feld zu ziehen. Die lautet eher: Wie korrupt ist Trinidad? Und wieviel Schutz genießt Jack Warner? Denn der ist inzwischen einer der mächtigsten Politiker des Landes. Sein Aufstieg zum Vorsitzenden der Regierungspartei United National Congress und zuletzt zum Minister für Nationale Sicherheit hatte etwas Unwiderstehliches. Und das obwohl seine Praktiken in Trinidad jedem Fußballfan geläufig sind.

    Zu den Leidtragenden gehörten unter anderem die Spieler der Nationalmannschaft, die sich 2006 zum ersten Mal für eine Weltmeisterschaft qualifiziert hatte. Sie warten seitdem auf ihren mit Warner ausgehandelten Prämienanteil. Ein Beitrag in Millionenhöhe. Doch sowohl eine Schiedsgerichtsentscheidung in London und das Urteil eines ordentlichen Gerichts in Trinidad vermochte Warner einfach zu ignorieren.

    Öffentlich verteidigt er sich im Stil eines Märtyrers. Vor den Kameras des Fernsehens in Trinidad verglich er sich am Osterwochende mit Jesus. Kein anderer Politiker sei so oft gekreuzigt worden wie er. Er habe deshalb keine Lust, auf Vorwürfe konkret zu reagieren, sagte er einem Sender auf Trinidad.

    ""Ich antworte nicht mehr. Gestern war die Kreuzigung. Heute ist meine. Lass sie weitermachen. Ich mache, was ich tun muss. Ich habe keine Angst und schlafe nachts sehr gut.”"