Der Himmel über Brüssel ist am 29. Mai 1985 blau, die Sonne scheint und rund 60000 Fußballfans in der belgischen Hauptstadt sind bester Laune und voller Vorfreude auf das Europapokal-Finale der Landesmeister am Abend. Titelverteidiger FC Liverpool spielt gegen Juventus Turin.
Den ganzen Tag über feiern die Fans beider Lager gemeinsam. Juventus-Fan Franco Martelli ruft seine Mutter Beatrice daheim in Italien an und erzählt ihr begeistert von der großartigen Stimmung:
"Er sagte, dass er viele Liverpool-Fans kennengelernt hat und schwärmte davon, wie nett sie seien."
Es ist das letzte Mal, dass Mutter und Sohn miteinander sprechen, Franco Martelli ist einer von 38 Menschen, die Stunden später im Heysel-Stadion ums Leben kommen, ein 39. Opfer stirbt drei Monate später im Krankenhaus.
Dass es rund eine Stunde vor Spielbeginn, in der Nordkurve zur Katastrophe kommt, hat mehrere Gründe. Zum einen ist die Arena fast 55 Jahre alt. An vielen Stellen bröckelt der Beton bereits, die so genannten Wellenbrecher auf den Stehplätzen in beiden Fankurven sind kaum noch verankert und wackeln gewaltig. Die Juventus-Anhänger sind in der Südkurve untergebracht, viele von ihnen haben jedoch auch Karten für den Block Z in der Nordkurve - dieses Areal ist nur durch einen Maschendrahtzaun von den Liverpool-Fans getrennt und eigentlich für neutrale belgische Zuschauer vorgesehen. Ein korrupter UEFA-Offizielle hatte jedoch Karten für Block Z an italienische Reisebüros weitergegeben.
Als die Situation eskaliert und die Liverpooler den Block stürmen, halten sie weder der Zaun, noch nie wenigen und überforderten Polizisten auf. Terry Wilson ist damals 18 Jahre und gibt die Schuld am Ausbruch der Randale bis heute den Italienern:
"Niemand wollte Ärger machen, wir haben gesungen und plötzlich sahen wir, wie ein junger Liverpool-Fan nebenan von Italienern regelrecht verprügelt wurde. Das hat uns wütend gemacht und wir haben sofort gesagt, reißt den Zaun runter und rüber da, um ihm zu helfen."
Wilson gibt später vor Gericht an, mit seinen Fäusten auf Turiner eingeschlagen zu haben. Wegen Totschlags bekommt fünf Jahre Gefängnis, ist aber nach neun Monaten bereits wieder frei. 13 weitere Engländer werden ebenfalls zu Haftstrafen verurteilt.
Als das ZDF seine Fernseh-Übertragung beginnt, schildert Kommentator Eberhard Figgemeier keine Tore, sondern eine Tragödie, die sich kurz zuvor abgespielt hat:
"Da wurde zunächst mit Flaschen geworfen, dann stürmte Liverpool wie ein Menschenwall in diese italienische Kurve, da brachen Beton-Trenn-Mauern nieder, darunter sollen eine Reihe von Zuschauern begraben gewesen sein."
In ihrer Panik flüchten die Menschen zum anderen Ende des Block Z, drängen hier gegen eine Mauer, die für viele zur Todesfalle wird. Sie ersticken, werden erdrückt oder sterben, als die Wand wenig später unter dem Druck zusammenbricht. Fausto Moschini ist mitten in diesem Chaos:
"Ich war gefangen - wie lange genau, weiß ich nicht, die Minuten fühlten sich an wie eine Ewigkeit. Ich konnte nichts sehen, nicht atmen. Mir sind viele Gedanken durch den Kopf gegangen und ich dachte nur - ich bin nach Brüssel gekommen, um bei einem Fußballspiel zu sterben."
Auf der Tribüne herrscht Chaos, Fans, teilweise Blut überströmt, laufen vor Panik in den Innenraum der Haupttribüne, wo die Spieler beider Teams in ihren Kabinen sitzen. Hier hat noch niemand etwas von der Katastrophe mitbekommen. Erst als ein Offizieller Liverpool ausrichtet, die Mannschaft solle noch in der Kabine bleiben, da draußen etwas passiert sei, wird Torhüter Bruce Grobbelaar unruhig:
"Ich bin zur Tür gegangen und da kamen auch schon Leute angelaufen, auch Italiener. Sie weinten und sagten, dass Menschen getötet wurden und da wir Liverpooler waren, bespuckten und beschimpften einige uns auch."
Liverpool-Trainer Joe Fagan entscheidet sich, zu den eigenen Fans zu gehen, um mit ihnen zu reden. Doch niemand hört ihm zu. In der anderen Kurve versuchen Juventus-Spieler, ihre Anhänger zu beruhigen - ebenfalls vergebens.
Hektik herrscht auch bei den Offiziellen der UEFA. Wie soll es weitergehen? Und kann die Partie aufgrund der Vorkommnisse und vor allem wegen der Toten überhaupt ausgetragen werden?
Für die Turiner Vereinsspitze ist klar, dass der Verein auf keinen Fall zum Spiel antreten wird. Den UEFA-Verantwortlichen gelingt es jedoch, die Italiener zu überreden. Das Finale muss ausgetragen werden, um ein noch größeres Chaos zu verhindern.
Als beide Mannschaften mit knapp 90-minütiger Verspätung den Rasen betreten, beendet das ZDF seine Übertragung - Eberhard Figgemeier ist endlich erlöst:
"Ich hätte natürlich am liebsten gar nicht kommentiert, denn das war genau das, was kein Mensch auf der Welt sehen wollte. Ich bin, nachdem ich diese schrecklichsten anderthalb Stunden meines Lebens kommentiert habe, ohne Fußball dann aus dem Stadion gegangen. Und die schlimmsten Bilder habe ich dort gesehen. Denn hinter dem Stadion war ein Lazarett aufgebaut, nach meiner Vorstellung war das so, wie irgendwie das im Zweiten Weltkrieg gewesen sein muss."
Mehr als 500 Menschen werden bei der Heysel-Katastrophe verletzt, 42 davon schwer. Juventus Turin gewinnt das unbedeutendste aller Europapokal-Endspiele durch einen verwandelten Foulelfmeter von Michel Platini mit 1:0.
Den ganzen Tag über feiern die Fans beider Lager gemeinsam. Juventus-Fan Franco Martelli ruft seine Mutter Beatrice daheim in Italien an und erzählt ihr begeistert von der großartigen Stimmung:
"Er sagte, dass er viele Liverpool-Fans kennengelernt hat und schwärmte davon, wie nett sie seien."
Es ist das letzte Mal, dass Mutter und Sohn miteinander sprechen, Franco Martelli ist einer von 38 Menschen, die Stunden später im Heysel-Stadion ums Leben kommen, ein 39. Opfer stirbt drei Monate später im Krankenhaus.
Dass es rund eine Stunde vor Spielbeginn, in der Nordkurve zur Katastrophe kommt, hat mehrere Gründe. Zum einen ist die Arena fast 55 Jahre alt. An vielen Stellen bröckelt der Beton bereits, die so genannten Wellenbrecher auf den Stehplätzen in beiden Fankurven sind kaum noch verankert und wackeln gewaltig. Die Juventus-Anhänger sind in der Südkurve untergebracht, viele von ihnen haben jedoch auch Karten für den Block Z in der Nordkurve - dieses Areal ist nur durch einen Maschendrahtzaun von den Liverpool-Fans getrennt und eigentlich für neutrale belgische Zuschauer vorgesehen. Ein korrupter UEFA-Offizielle hatte jedoch Karten für Block Z an italienische Reisebüros weitergegeben.
Als die Situation eskaliert und die Liverpooler den Block stürmen, halten sie weder der Zaun, noch nie wenigen und überforderten Polizisten auf. Terry Wilson ist damals 18 Jahre und gibt die Schuld am Ausbruch der Randale bis heute den Italienern:
"Niemand wollte Ärger machen, wir haben gesungen und plötzlich sahen wir, wie ein junger Liverpool-Fan nebenan von Italienern regelrecht verprügelt wurde. Das hat uns wütend gemacht und wir haben sofort gesagt, reißt den Zaun runter und rüber da, um ihm zu helfen."
Wilson gibt später vor Gericht an, mit seinen Fäusten auf Turiner eingeschlagen zu haben. Wegen Totschlags bekommt fünf Jahre Gefängnis, ist aber nach neun Monaten bereits wieder frei. 13 weitere Engländer werden ebenfalls zu Haftstrafen verurteilt.
Als das ZDF seine Fernseh-Übertragung beginnt, schildert Kommentator Eberhard Figgemeier keine Tore, sondern eine Tragödie, die sich kurz zuvor abgespielt hat:
"Da wurde zunächst mit Flaschen geworfen, dann stürmte Liverpool wie ein Menschenwall in diese italienische Kurve, da brachen Beton-Trenn-Mauern nieder, darunter sollen eine Reihe von Zuschauern begraben gewesen sein."
In ihrer Panik flüchten die Menschen zum anderen Ende des Block Z, drängen hier gegen eine Mauer, die für viele zur Todesfalle wird. Sie ersticken, werden erdrückt oder sterben, als die Wand wenig später unter dem Druck zusammenbricht. Fausto Moschini ist mitten in diesem Chaos:
"Ich war gefangen - wie lange genau, weiß ich nicht, die Minuten fühlten sich an wie eine Ewigkeit. Ich konnte nichts sehen, nicht atmen. Mir sind viele Gedanken durch den Kopf gegangen und ich dachte nur - ich bin nach Brüssel gekommen, um bei einem Fußballspiel zu sterben."
Auf der Tribüne herrscht Chaos, Fans, teilweise Blut überströmt, laufen vor Panik in den Innenraum der Haupttribüne, wo die Spieler beider Teams in ihren Kabinen sitzen. Hier hat noch niemand etwas von der Katastrophe mitbekommen. Erst als ein Offizieller Liverpool ausrichtet, die Mannschaft solle noch in der Kabine bleiben, da draußen etwas passiert sei, wird Torhüter Bruce Grobbelaar unruhig:
"Ich bin zur Tür gegangen und da kamen auch schon Leute angelaufen, auch Italiener. Sie weinten und sagten, dass Menschen getötet wurden und da wir Liverpooler waren, bespuckten und beschimpften einige uns auch."
Liverpool-Trainer Joe Fagan entscheidet sich, zu den eigenen Fans zu gehen, um mit ihnen zu reden. Doch niemand hört ihm zu. In der anderen Kurve versuchen Juventus-Spieler, ihre Anhänger zu beruhigen - ebenfalls vergebens.
Hektik herrscht auch bei den Offiziellen der UEFA. Wie soll es weitergehen? Und kann die Partie aufgrund der Vorkommnisse und vor allem wegen der Toten überhaupt ausgetragen werden?
Für die Turiner Vereinsspitze ist klar, dass der Verein auf keinen Fall zum Spiel antreten wird. Den UEFA-Verantwortlichen gelingt es jedoch, die Italiener zu überreden. Das Finale muss ausgetragen werden, um ein noch größeres Chaos zu verhindern.
Als beide Mannschaften mit knapp 90-minütiger Verspätung den Rasen betreten, beendet das ZDF seine Übertragung - Eberhard Figgemeier ist endlich erlöst:
"Ich hätte natürlich am liebsten gar nicht kommentiert, denn das war genau das, was kein Mensch auf der Welt sehen wollte. Ich bin, nachdem ich diese schrecklichsten anderthalb Stunden meines Lebens kommentiert habe, ohne Fußball dann aus dem Stadion gegangen. Und die schlimmsten Bilder habe ich dort gesehen. Denn hinter dem Stadion war ein Lazarett aufgebaut, nach meiner Vorstellung war das so, wie irgendwie das im Zweiten Weltkrieg gewesen sein muss."
Mehr als 500 Menschen werden bei der Heysel-Katastrophe verletzt, 42 davon schwer. Juventus Turin gewinnt das unbedeutendste aller Europapokal-Endspiele durch einen verwandelten Foulelfmeter von Michel Platini mit 1:0.