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Eine Folie auf Siegeszug

Technik. - Das Objekt, das gute Aussichten auf den Deutschen Zukunftspreis 2007 hat, macht optisch nicht viel her: eher unscheinbar kommt die schlichte, mattweiße Folie daher. Doch das dünne Material ist der Kniff, der Lithiumionenakkus entscheidend verbessert.

Von Mathias Schulenburg |
    Konventionelle Lithiumionenakkus können unbeabsichtigt in Brand geraten. Die dafür verantwortliche Schwachstelle ist der so genannte "Separator". In Lithiumionenakkus ist das eine Trennschicht, die zwei unterschiedlich mit Lithiumionen beladene Elektroden einerseits elektrisch trennt, separiert, andererseits im Bedarfsfall Lithiumionen passieren lässt. In einem herkömmlichen Lithiumionenakku besteht der Separator aus einem Plastikmaterial, das durch die Hitze eines punktuellen Kurzschlusses schmelzen kann und so weitere Elektrodenflächen einem Kurzschluss aussetzt – eine Kettenreaktion setzt ein, im Internet demonstriert. Hier kommt die preiswürdige Entwicklung eines Teams der Firma Evonics Industries, vormals Degussa, ins Spiel. Das Team hat ein Polymervlies mit hauchdünnen Schichten aus Aluminiumoxidkeramik entwickelt, was gelingt, weil nanoskalige Sinterhilfsmittel das Verbacken, Sintern, der Aluminiumoxidpartikel schon bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen ermöglichen.

    Das SEPARION® genannte Verbundmaterial ist – anders als der Begriff "Keramik" vermuten lässt – so flexibel, dass es sich in einem Rollenprozess wie Papier herstellen und wickeln lässt, und sehr viel temperaturbeständiger. Es verspricht mithin, Lithiumionenakkumulatoren deutlich sicherer zu machen und die Zyklenfestigkeit – die Zahl der ohne wesentlichen Qualitätsabfall möglichen Lade- und Entladezyklen – drastisch zu erhöhen. Evonics nennt für SEPARION®-bestückte Akkus zehntausend Zyklen, das ist zwanzigmal mehr als einem gegenwärtigen Notebookakku zugetraut werden kann. Im Vergleich sei das exzellent, sagt Gerhard Hölpel, ein Angehöriger des Entwicklerteams:

    "Es kommt in einen Bereich, der sozusagen sowohl für Hybrid-Elektroautos als auch Voll-Elektroautos gebraucht wird und ich habe den Bereich stationäre Energiespeicherung noch ausgeblendet: auch da steht und fällt die Wirtschaftlichkeit einer Batterie mit ihrer Zyklenfestigkeit. Es ist klar, ob ich eine Batterie nach vier, nach acht oder nach sechszehn Jahren wegschmeißen muss, ist ganz entscheidend für die Wirtschaftlichkeit. Und zehntausend Zyklen ist das, was wir mit unseren jetzigen Materialien bereits schon erreichen."

    Und es besteht gute Aussicht, auch die Speicherkapazität noch um den Faktor drei zu erhöhen. Dann läge die Verwendung für Elektrofahrzeuge tatsächlich sehr nahe. Die Riesenflotte an Elektrofahrzeugen, die man sich dann vorstellen kann, interessiert auch die Elektrizitätswirtschaft:

    "Dass man also sagt, die Elektrizitätswirtschaft nutzt regelrecht diese Speicher in den sagen wir mal 20 oder 22 Stunden, wo das Fahrzeug nicht gefahren wird, um Elektrizität zu "atmen", und in den restlichen zwei Stunden fährt man eben mit diesem Fahrzeug."

    Rechnungen des Bundesverbandes Solare Mobilität signalisieren eine potentielle Halbierung des Primärenergiebedarfs. Die Stromindustrie könnte eine so ausgerüstete Flotte von Elektroautos sogar als hochwillkommenen Zwischenspeicher für das naturgemäß schwankende Angebot der alternativen Energien nutzen und so ein Interesse an deren Ausbau entwickeln – alles möglich durch eine ganz und gar unscheinbar aussehende weiße Folie, die eine echte Keramikschicht trägt und trotzdem so lappig ist, dass man mit ihr Quietschen kann wie mit einem Fliederblatt.