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"Eine hat eine gute Frisur!"

In Deutschland dürfte das Zuschauerinteresse an der Frauen-WM nach dem Aus im Viertelfinale abflachen - aber wie sieht es in anderen Ländern aus. In Ländern wie Japan, deren Team eher überraschend ins Halbfinale eingezogen ist? Oder in den USA, die ihr Ticket fürs Halbfinale am Wochenende buchstäblich in letzter Sekunde gelöst haben.

Von Julia Möckl | 12.07.2011
    Der US-amerikanische Sportsender ESPN fasst sie noch einmal zusammen: die Highlights aus dem Viertelfinale USA gegen Brasilien am Sonntag. Der Sender erreichte an diesem Tag gute Einschaltquoten - die besten seit der Frauen-Fußball-WM 1999 im eigenen Land. Und das bei den ungünstigen Anstoßzeiten. In den nächsten Tagen rechnet Grant Wahl mit noch mehr Zuschauern in seiner Heimat USA. Er berichtet für die "Sports Illustrated" über das WM-Turnier in Deutschland:

    "In der Basketball- und Football-Liga wird gestreikt, im Baseball läuft gerade eine eher ruhigere Phase im Jahr und es gibt gerade keinen College-Sport - also wird sich in dieser Woche alles auf den Fußball konzentrieren in den amerikanischen Medien. Das sehen wir ja schon jetzt, nach dem Viertelfinale: Viele Spielerinnen geben von Deutschland aus Interviews im US-Fernsehen. Die Highlights des Spiels wurden überall im Land gezeigt - es war die größte Sport-Story des Wochenendes."

    Dabei sah es anfangs nicht danach aus, als würde die diesjährige Fifa-Frauen-WM in den USA ein Quoten-Hit. Zwar übertrug der Sportkanal ESPN alle Spiele live. Aber bis zum Wochenende sahen dem US-Team zuhause im Durchschnitt nicht mal zwei Millionen Zuschauer zu. Immerhin mehr als 2003 und 2007. Doch Frauen-Fußball hat es in Amerika nach wie vor schwer, meint Grant Wahl:

    "1999, als die USA die Frauen-Fußball-WM gewonnen haben, war das eine ziemlich große Geschichte. 40 Millionen Menschen sahen das Finale im TV, die Spielerinnen wurden zu richtigen Stars. Ein Jahr später starteten sie die Liga, aber es lief nicht so gut und sie mussten die Liga 2003 schließen. 2008 starteten sie eine neue Liga und das ist die, die immer noch existiert. Es ist eine Herausforderung - nicht nur Frauenfußball, sondern Fußball insgesamt. Es gibt einfach soviel Sport in Amerika."

    Auch in den Heimatländern der anderen drei Halbfinalisten fanden die ersten beiden Wochen des Turniers nur wenig Beachtung - außer in Schweden. Dort ist Frauenfußball schon seit längerem "in" und der größte Fernsehsender TV4 überträgt alle Spiele. In Japan dagegen wird die WM überhaupt erst seit dem Sieg über Deutschland so richtig wahrgenommen. Die Menschen auf den Straßen Tokios sind zwar interessiert - aber nicht wirklich euphorisch:

    "Es ist schön, die Japanerinnen in Deutschland zu sehen, die sich sehr anstrengen. Das gibt uns Mut und Energie."

    "Kein Interesse."

    "Alle Leute auf der Welt unterstützen zur Zeit Japan - auch die Frauenfußballmannschaft. Ich bitte die Deutschen: Feuern Sie unser Team an."

    "Ich kenne die Namen gar nicht, aber die eine hat eine gute Frisur! Aber jetzt erwarte ich natürlich den Titel."

    Das Viertelfinale vom Sonntag lief zwar nicht im Hauptprogramm, aber immerhin live im japanischen Satellitenfernsehen. Auch das Halbfinale gegen die Schwedinnen wird übertragen - allerdings gegen vier Uhr morgens. In Frankreich sahen im Durchschnitt etwa 1,4 Millionen Zuschauer das Viertelfinale gegen England. Verglichen mit den Spielen der Männer sind diese Zahlen mickrig - allerdings übertragen bei der Frauen-WM auch nicht die großen Sender, sondern nur die beiden Spartenkanäle Direct8 und Eurosport Frankreich. Und Eurosport verzeichnete am Samstag seinen sendereigenen Zuschauerrekord in Sachen Frauenfußball.