Worum es geht, ist nichts Geringeres als eine Hommage an den Humor, ein Lob des Lachens, genauer Lob, Beleuchtung und Kommentierung jener schelmischen Aktivität, jener Verwandlungskunst und -kraft, die im Humor zum Vorschein kommt und ihm als einem elementaren Wert menschlicher Kultur, menschlicher Gemeinschaft ein neues Renommee verschaffen mag.
Aber, so möchte man fragen, steht es denn so schlecht um das Lachen und den Humor, dass sie tatsächlich eine erneute Fürsprache brauchen? Zwar ist im Laufe abendländischer Geschichte so manches Regalmeter gegen das Lachen gefüllt worden, doch stets wurde auch mit klugem Witz zugunsten des Lachens plädiert.
Ganz abgesehen davon, dass sich das Lachen selbst, dass sich der Humor im Menschen zu allen Zeiten und Kulturen nach eigenem Belieben auf vitale Weise durchzuschlagen und zu bekunden wussten. Hier also ein neuerliches "Lob des Lachens", eine "Hommage an den Humor", die - denkt man nur an den jüngsten Karikaturenstreit - vielleicht doch wieder einmal am Platze sind. Sehen wir also zu, was "jene Verwandlungskunst und -kraft, die im Humor zum Vorschein kommt", unter heutigen Verhältnissen auszurichten vermag.
Doch zunächst führt uns die Autorin kenntnisreich und begleitet von einer Fülle witziger Anekdoten, Aphorismen, literarischer wie philosophischer Zitate durch eine Kulturgeschichte des Humors, die in Griechenland mit Homer und seinem Hymnus auf den "göttlichen Schelm" Hermes, den findigen Götterboten, beginnt und in einem großen Bogen mit den deutschen Romantikern, Jean Paul, E.T.A. Hoffmann, den Gebrüdern Schlegel, ihre hochreflektierte Spitze erreicht. Natürlich treffen wir unterwegs Cervantes, Rabelais, Shakespeare, Swift, Sterne und so manchen humorvollen Geist aus dem Morgenland.
Die wesentliche Ausformung des Humors allerdings findet die Autorin in der Tradition jüdischen Humors, wie er in den unzähligen Rabbi-Anekdoten überliefert ist, aber ebenso Wort und Sprache eines Heinrich Heine, Franz Kafka, Walter Benjamin oder Woody Allen prägt. Welche Wesenszüge aber sind es, die durch alle Schattierungen von hell bis tiefschwarz, von heiter bis melancholisch dessen Naturell ausmachen?
Vor allem ist es jene tief im Humor verwurzelte Fähigkeit, gewitzt und geistesgegenwärtig eine banale oder schicksalsschwere Niederlage im Leben in etwas, so die Autorin, "Selbstgewolltes, eine Opfer-Situation in deren zumindest verbale Auflösung" zu verwandeln. Mit Sigmund Freud gesprochen ist es die Fähigkeit des Humors, Mittel zu finden, "der bereitgehaltenen Unlustentbindung ihre Energie zu entziehen und diese durch Abfuhr in Lust zu verwandeln". Oder wie es im Volksmund heißt: "Humor ist, wenn man trotzdem lacht."
Als kulturellen Archetypos macht die Autorin die Gestalt des sogenannten "Tricksters" aus, jene ambivalente Figur - jenseits von Gut und Böse, listig und tölpelhaft zugleich -, deren Spur sich durch die Mythen der unterschiedlichsten Weltkulturen verfolgen lässt. Ein Erzgauner, ein Schelm, ein professioneller Tabubrecher einerseits, der sich frech über alle gesellschaftlichen Konventionen und moralischen Normen hinwegsetzt, ein Kulturstifter andererseits, der die Dinge aus anderer Perspektive zu sehen vermag und somit frei ist, sie gewitzt und einfallsreich zu verwandeln.
Schalk, Clown, Possenreißer, Hanswurst, Leichtfuß, Bajazzo, die vielen Narrengestalten abendländischer wie morgenländischer Couleur - sie alle sind die zivilisierten Nachfahren dieses Tricksters oder "göttlichen Schelms", wie er auch genannt wird, dessen archetypische Züge freilich in jedem von uns aufblitzen können. Sei es im "subversiv-listigen Lachen 'von unten'", sei es im "versöhnend-souveränen Lächeln 'von oben'". Denn, so die Autorin, "ohne die Resonanz der schelmischen Töne in uns erstickte jeglicher Humor", und wir würden damit die "geistvollste und zugleich humanste Waffe" verlieren, die wir zu besitzen vermögen: Nämlich die Kunst des Humors trotz aller Widrigkeiten, Härten und Zwänge unserer Lebenswirklichkeit, diese geschickt zu unterlaufen, zu verkehren, ad absurdum zu führen und gleichsam in nichts - das heißt in Lachen - aufzulösen.
Daher gilt es, den Schelm in uns zu bewahren. Kein bloß kulturgeschichtliches Phänomen braucht es gerade in Zeiten wachsender Fundamentalismen, religiöser, kultureller wie sozialer Abgrenzungen, um so nötiger diesen humorvoll Gewitzten, der das Andere, das ins Abseits Gedrängte und Ausgeschlossene, im Blick behält, um es subversiv lachend oder souverän lächelnd gegen die herrschenden Wirklichkeitsmächte auszuspielen. Nicht zuletzt in diesem Sinne ist Marleen Stoessels neuerliches "Lob des Lachens", ihre überzeugend geglückte "Hommage an den Humor", in unserer heutigen Zeit allemal am Platze.
Denn die Selbstdistanzierung und Selbstrelativierung, zu der Humor befähigt, verhilft mit allem Schelmenwitz zu jener Selbstbegegnung, die zuallererst in sich selbst das Fremde, Unverständliche, das so unbehaglich werden kann, anzuerkennen, aufzunehmen und im Wissen um die Zerbrechlichkeit aller menschlichen Verhältnisse in ein Lächeln zu verwandeln weiß.
Marleen Stoessel: Lob des Lachens
Eine Schelmengeschichte des Humors
Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2008, 218 Seiten, 15,00 Euro
Aber, so möchte man fragen, steht es denn so schlecht um das Lachen und den Humor, dass sie tatsächlich eine erneute Fürsprache brauchen? Zwar ist im Laufe abendländischer Geschichte so manches Regalmeter gegen das Lachen gefüllt worden, doch stets wurde auch mit klugem Witz zugunsten des Lachens plädiert.
Ganz abgesehen davon, dass sich das Lachen selbst, dass sich der Humor im Menschen zu allen Zeiten und Kulturen nach eigenem Belieben auf vitale Weise durchzuschlagen und zu bekunden wussten. Hier also ein neuerliches "Lob des Lachens", eine "Hommage an den Humor", die - denkt man nur an den jüngsten Karikaturenstreit - vielleicht doch wieder einmal am Platze sind. Sehen wir also zu, was "jene Verwandlungskunst und -kraft, die im Humor zum Vorschein kommt", unter heutigen Verhältnissen auszurichten vermag.
Doch zunächst führt uns die Autorin kenntnisreich und begleitet von einer Fülle witziger Anekdoten, Aphorismen, literarischer wie philosophischer Zitate durch eine Kulturgeschichte des Humors, die in Griechenland mit Homer und seinem Hymnus auf den "göttlichen Schelm" Hermes, den findigen Götterboten, beginnt und in einem großen Bogen mit den deutschen Romantikern, Jean Paul, E.T.A. Hoffmann, den Gebrüdern Schlegel, ihre hochreflektierte Spitze erreicht. Natürlich treffen wir unterwegs Cervantes, Rabelais, Shakespeare, Swift, Sterne und so manchen humorvollen Geist aus dem Morgenland.
Die wesentliche Ausformung des Humors allerdings findet die Autorin in der Tradition jüdischen Humors, wie er in den unzähligen Rabbi-Anekdoten überliefert ist, aber ebenso Wort und Sprache eines Heinrich Heine, Franz Kafka, Walter Benjamin oder Woody Allen prägt. Welche Wesenszüge aber sind es, die durch alle Schattierungen von hell bis tiefschwarz, von heiter bis melancholisch dessen Naturell ausmachen?
Vor allem ist es jene tief im Humor verwurzelte Fähigkeit, gewitzt und geistesgegenwärtig eine banale oder schicksalsschwere Niederlage im Leben in etwas, so die Autorin, "Selbstgewolltes, eine Opfer-Situation in deren zumindest verbale Auflösung" zu verwandeln. Mit Sigmund Freud gesprochen ist es die Fähigkeit des Humors, Mittel zu finden, "der bereitgehaltenen Unlustentbindung ihre Energie zu entziehen und diese durch Abfuhr in Lust zu verwandeln". Oder wie es im Volksmund heißt: "Humor ist, wenn man trotzdem lacht."
Als kulturellen Archetypos macht die Autorin die Gestalt des sogenannten "Tricksters" aus, jene ambivalente Figur - jenseits von Gut und Böse, listig und tölpelhaft zugleich -, deren Spur sich durch die Mythen der unterschiedlichsten Weltkulturen verfolgen lässt. Ein Erzgauner, ein Schelm, ein professioneller Tabubrecher einerseits, der sich frech über alle gesellschaftlichen Konventionen und moralischen Normen hinwegsetzt, ein Kulturstifter andererseits, der die Dinge aus anderer Perspektive zu sehen vermag und somit frei ist, sie gewitzt und einfallsreich zu verwandeln.
Schalk, Clown, Possenreißer, Hanswurst, Leichtfuß, Bajazzo, die vielen Narrengestalten abendländischer wie morgenländischer Couleur - sie alle sind die zivilisierten Nachfahren dieses Tricksters oder "göttlichen Schelms", wie er auch genannt wird, dessen archetypische Züge freilich in jedem von uns aufblitzen können. Sei es im "subversiv-listigen Lachen 'von unten'", sei es im "versöhnend-souveränen Lächeln 'von oben'". Denn, so die Autorin, "ohne die Resonanz der schelmischen Töne in uns erstickte jeglicher Humor", und wir würden damit die "geistvollste und zugleich humanste Waffe" verlieren, die wir zu besitzen vermögen: Nämlich die Kunst des Humors trotz aller Widrigkeiten, Härten und Zwänge unserer Lebenswirklichkeit, diese geschickt zu unterlaufen, zu verkehren, ad absurdum zu führen und gleichsam in nichts - das heißt in Lachen - aufzulösen.
Daher gilt es, den Schelm in uns zu bewahren. Kein bloß kulturgeschichtliches Phänomen braucht es gerade in Zeiten wachsender Fundamentalismen, religiöser, kultureller wie sozialer Abgrenzungen, um so nötiger diesen humorvoll Gewitzten, der das Andere, das ins Abseits Gedrängte und Ausgeschlossene, im Blick behält, um es subversiv lachend oder souverän lächelnd gegen die herrschenden Wirklichkeitsmächte auszuspielen. Nicht zuletzt in diesem Sinne ist Marleen Stoessels neuerliches "Lob des Lachens", ihre überzeugend geglückte "Hommage an den Humor", in unserer heutigen Zeit allemal am Platze.
Denn die Selbstdistanzierung und Selbstrelativierung, zu der Humor befähigt, verhilft mit allem Schelmenwitz zu jener Selbstbegegnung, die zuallererst in sich selbst das Fremde, Unverständliche, das so unbehaglich werden kann, anzuerkennen, aufzunehmen und im Wissen um die Zerbrechlichkeit aller menschlichen Verhältnisse in ein Lächeln zu verwandeln weiß.
Marleen Stoessel: Lob des Lachens
Eine Schelmengeschichte des Humors
Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2008, 218 Seiten, 15,00 Euro