Es fängt schon bei der Stellenanzeige an, in der Zeitung oder im Internet, daraus geht meist nur das nötigste hervor: das Fachgebiet, und die Gehaltsstufe. Aber: Welche fachlichen Schwerpunkte sind erwünscht, wie ist die Ausstattung an der Fakultät, wie setzt sich die Berufungskommission zusammen. Vor allem aber: wer ist überhaupt der Ansprechpartner für all solche Rückfragen?
Hier beginnt das große Rätselraten. Es setzt sich fort in den Berufungsvorträgen und den persönlichen Gesprächen. Die meisten Berufungskommission gäben sich nicht einmal die Mühe, die Stelle den Bewerbern schmackhaft zu machen, sagt Christian Große von der Initiative Zukunft Wissenschaft, vielmehr werde man oft behandelt wie ein Bittsteller. Wenn der Bewerber Glück hat, wird er für zwei, drei Stunden an die Uni eingeladen. In anderen Ländern nimmt man sich zwei Tage Zeit zum Kennenlernen.
"Wenn man es vergleicht mit dem Ausland. da wird sehr viel freundlicher mit einem umgegangen und vor allem hat man das Gefühl, dass die Leute sehr viel interessierter sind an einem selber, an der Person, auch an dem, was man macht und auch an dem, was man machen will dort. "
Christian Große hat ein zehnseitiges Papier geschrieben, in dem er die wichtigsten Defizite aufzählt. Er versteht nicht, warum die Hochschulen so wenig Interesse an ihren Bewerbern zeigen. Schließlich binden sie sich mit einer Stellenbesetzung auf 20 Jahre oder länger, investieren mehrere Millionen Euro in die Professur und treffen eine Entscheidung, die eine ganze Studierendengeneration betrifft. Bewerber in Deutschland, sagt Große, können sich nicht einmal darauf verlassen, dass Standards, wie sie in der freien Wirtschaft gelten, eingehalten werden. Etwa dass eine Bewerbung vertraulich behandelt wird.
"Viele wollen ja vielleicht gar nicht, dass der aktuelle Arbeitgeber erfährt, dass man sich woanders beworben hat, das ist ein ganz wesentlicher Punkt, der schon einige der Kollegen schockiert, die sich in Deutschland beworben haben, dass es so völlig - in vielen Fällen - so unprofessionell läuft. "
Auch andere - eigentlich - Selbstverständlichkeiten, gelten nicht. In der Wirtschaft etwa werden die Reisekosten der Bewerber in der Regel erstattet. An den Hochschulen jedoch gilt schon die Nachfrage als unanständig. Große schildert den Fall eines Bewerbers, dem mitgeteilt wurde, dass er zwar im Prinzip einen Anspruch auf Reisekostenerstattung habe, er diesen Wunsch jedoch im eigenen Interesse besser nicht vortragen solle. Fazit: Statt sich in einem positiven Licht zu zeigen, vergraulen die Hochschulen auf diese Weise gerade die besten Köpfe – diejenigen nämlich, die es am wenigsten nötig haben, sich so behandeln zu lassen. Dabei kommt neben dem eher atmosphärischen noch ein weiterer wichtiger Faktor hinzu: Die Berufungsverfahren ziehen sich einfach viel zu lang hin.
"Über zwei Jahre im Schnitt, das ist viel zu lang, wenn Sie überlegen, vergleichbare Positionen in der Industrie, da wird innerhalb von Wochen entschieden, aber hier wird für den Entscheidungsprozess über zwei Jahre gebraucht, so dass wir hier bei Berufungen häufig den Fall haben, dass Leute in der Zwischenzeit den Ruf schon woanders angenommen haben, weil die einfach viel schneller waren und dann nicht mehr wechseln wollen oder nicht mehr wechseln können. "
Christian Große steht mit seiner Meinung nicht alleine. Der Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes Michael Hartmer teilt seine Kritik.
"Ja, voll und ganz!"
Doch so leicht ändern lasse sich der jetzige Zustand nicht.
"Wichtigster Punkt ist Unterfinanzierung. Also es ist nicht immer böser Wille, sondern Hochschullehrer, die dieses Geschäft betreiben müssen, sind völlig überlastet, das ist ein Punkt, der zweite ist, dass es auch bisweilen an dem entsprechenden Bewusstsein fehlt, dass es sich hier um das akademische Kernstück handelt, nämlich neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu gewinnen. Wir haben in der Pipeline ein Ranking über Berufungskulturen, das ist aber noch in der Mache."
Beim Präsidenten der TU München, Wolfgang Herrmann scheint dieses Bewusstsein schon vorhanden zu sein. Die Besetzung von Lehrstühlen, findet auch er, könnte sehr viel professioneller vonstatten gehen.
"Das ist ein ganz großes Thema, ich behaupte nicht, dass wir hier schon die besten internationalen Standards haben. Ich finde, das System muss sich hier verbessern."
Zu viel Bürokratie und zu große Berufungskommissionen, sagt auch er, ziehen die Verfahren in die Länge, zumal in einigen Bundesländern noch der zuständige Minister zustimmen muss. Auch Herrmann wünscht sich, dass die Hochschulen ihre Kandidaten genauer kennenlernen, an seiner eigenen Uni versuche er da schon einiges zu bewegen.
"Bei uns schreiben die Studenten auch Gutachten, und ich schicke die Studenten auch regelmäßig dahin, wo der Kandidat herkommt, um incognito zu gucken, wie ist die Vorlesung, da zahl ich den Studis halt die Reise, wenn’s mal nach Valencia geht, da freuen die sich und da gehen die dorthin und gucken sich den Kandidaten an, aber dann kommt der Punkt Persönlichkeit: Was kennen wir von diesen Menschen? Der ist zum Vortrag da, der ein oder andere mag ihn schon bei Kongressen gesehen haben, wir wollen in der Zukunft dazu übergehen, dass jemand, der bei uns Professor werden will, mindestens 14 Tage durchgehend an der Universität ist."
Um das Bewusstsein an den Hochschulen weiter zu schärfen, arbeitet der Hochschulverband derzeit an einem Ranking über die Berufungskulturen an deutschen Hochschulen. Geschäftsführer Michael Hartmer geht davon aus, dass es in etwa einem Vierteljahr erscheinen wird.
Hier beginnt das große Rätselraten. Es setzt sich fort in den Berufungsvorträgen und den persönlichen Gesprächen. Die meisten Berufungskommission gäben sich nicht einmal die Mühe, die Stelle den Bewerbern schmackhaft zu machen, sagt Christian Große von der Initiative Zukunft Wissenschaft, vielmehr werde man oft behandelt wie ein Bittsteller. Wenn der Bewerber Glück hat, wird er für zwei, drei Stunden an die Uni eingeladen. In anderen Ländern nimmt man sich zwei Tage Zeit zum Kennenlernen.
"Wenn man es vergleicht mit dem Ausland. da wird sehr viel freundlicher mit einem umgegangen und vor allem hat man das Gefühl, dass die Leute sehr viel interessierter sind an einem selber, an der Person, auch an dem, was man macht und auch an dem, was man machen will dort. "
Christian Große hat ein zehnseitiges Papier geschrieben, in dem er die wichtigsten Defizite aufzählt. Er versteht nicht, warum die Hochschulen so wenig Interesse an ihren Bewerbern zeigen. Schließlich binden sie sich mit einer Stellenbesetzung auf 20 Jahre oder länger, investieren mehrere Millionen Euro in die Professur und treffen eine Entscheidung, die eine ganze Studierendengeneration betrifft. Bewerber in Deutschland, sagt Große, können sich nicht einmal darauf verlassen, dass Standards, wie sie in der freien Wirtschaft gelten, eingehalten werden. Etwa dass eine Bewerbung vertraulich behandelt wird.
"Viele wollen ja vielleicht gar nicht, dass der aktuelle Arbeitgeber erfährt, dass man sich woanders beworben hat, das ist ein ganz wesentlicher Punkt, der schon einige der Kollegen schockiert, die sich in Deutschland beworben haben, dass es so völlig - in vielen Fällen - so unprofessionell läuft. "
Auch andere - eigentlich - Selbstverständlichkeiten, gelten nicht. In der Wirtschaft etwa werden die Reisekosten der Bewerber in der Regel erstattet. An den Hochschulen jedoch gilt schon die Nachfrage als unanständig. Große schildert den Fall eines Bewerbers, dem mitgeteilt wurde, dass er zwar im Prinzip einen Anspruch auf Reisekostenerstattung habe, er diesen Wunsch jedoch im eigenen Interesse besser nicht vortragen solle. Fazit: Statt sich in einem positiven Licht zu zeigen, vergraulen die Hochschulen auf diese Weise gerade die besten Köpfe – diejenigen nämlich, die es am wenigsten nötig haben, sich so behandeln zu lassen. Dabei kommt neben dem eher atmosphärischen noch ein weiterer wichtiger Faktor hinzu: Die Berufungsverfahren ziehen sich einfach viel zu lang hin.
"Über zwei Jahre im Schnitt, das ist viel zu lang, wenn Sie überlegen, vergleichbare Positionen in der Industrie, da wird innerhalb von Wochen entschieden, aber hier wird für den Entscheidungsprozess über zwei Jahre gebraucht, so dass wir hier bei Berufungen häufig den Fall haben, dass Leute in der Zwischenzeit den Ruf schon woanders angenommen haben, weil die einfach viel schneller waren und dann nicht mehr wechseln wollen oder nicht mehr wechseln können. "
Christian Große steht mit seiner Meinung nicht alleine. Der Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes Michael Hartmer teilt seine Kritik.
"Ja, voll und ganz!"
Doch so leicht ändern lasse sich der jetzige Zustand nicht.
"Wichtigster Punkt ist Unterfinanzierung. Also es ist nicht immer böser Wille, sondern Hochschullehrer, die dieses Geschäft betreiben müssen, sind völlig überlastet, das ist ein Punkt, der zweite ist, dass es auch bisweilen an dem entsprechenden Bewusstsein fehlt, dass es sich hier um das akademische Kernstück handelt, nämlich neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu gewinnen. Wir haben in der Pipeline ein Ranking über Berufungskulturen, das ist aber noch in der Mache."
Beim Präsidenten der TU München, Wolfgang Herrmann scheint dieses Bewusstsein schon vorhanden zu sein. Die Besetzung von Lehrstühlen, findet auch er, könnte sehr viel professioneller vonstatten gehen.
"Das ist ein ganz großes Thema, ich behaupte nicht, dass wir hier schon die besten internationalen Standards haben. Ich finde, das System muss sich hier verbessern."
Zu viel Bürokratie und zu große Berufungskommissionen, sagt auch er, ziehen die Verfahren in die Länge, zumal in einigen Bundesländern noch der zuständige Minister zustimmen muss. Auch Herrmann wünscht sich, dass die Hochschulen ihre Kandidaten genauer kennenlernen, an seiner eigenen Uni versuche er da schon einiges zu bewegen.
"Bei uns schreiben die Studenten auch Gutachten, und ich schicke die Studenten auch regelmäßig dahin, wo der Kandidat herkommt, um incognito zu gucken, wie ist die Vorlesung, da zahl ich den Studis halt die Reise, wenn’s mal nach Valencia geht, da freuen die sich und da gehen die dorthin und gucken sich den Kandidaten an, aber dann kommt der Punkt Persönlichkeit: Was kennen wir von diesen Menschen? Der ist zum Vortrag da, der ein oder andere mag ihn schon bei Kongressen gesehen haben, wir wollen in der Zukunft dazu übergehen, dass jemand, der bei uns Professor werden will, mindestens 14 Tage durchgehend an der Universität ist."
Um das Bewusstsein an den Hochschulen weiter zu schärfen, arbeitet der Hochschulverband derzeit an einem Ranking über die Berufungskulturen an deutschen Hochschulen. Geschäftsführer Michael Hartmer geht davon aus, dass es in etwa einem Vierteljahr erscheinen wird.