Freitag, 19. April 2024

Archiv

Einfluss auf österreichische Medien
"Wir sind schon am Weg nach Budapest"

Nach anderthalb Jahren endet der sogenannte Ibiza-Untersuchungsausschuss in Österreich. Ausgangspunkt war ein Video, in dem es auch um staatliche Einflussnahme auf Medien ging. Sebastian Kurz distanzierte sich damals schnell. Doch auch der Kanzler steht zunehmend in der Kritik, Berichterstattung beeinflussen zu wollen.

Von Stephan Ozsváth | 15.07.2021
Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (l.) steht neben Heinz-Christian Strache
Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (l.), hier ein knappes halbes Jahr vor der "Ibiza-Affäre" mit Heinz-Christian Strache, seinem damaligen Vize (picture alliance/AP Photo | Ronald Zak)
Ein schmuckloser Bau im Wiener Arbeiterbezirk Favoriten. Besuch in der Redaktion von ZackZack.at – einem Online-Medium, das von einem ehemaligen Aufklärer der Grünen-Partei gegründet wurde. Thomas Walach ist Chefredakteur, in Sakko und Hemd führt er durch die Sicherheitsschleuse.
Vorbei geht es an einem Podcast-Studio und einer Handvoll Computern, an denen getippt wird: Der Newsroom einer 18-köpfigen Redaktion, die sich über Crowdfunding und Spenden finanziert. Das ist ungewöhnlich, denn Medien in Österreich leben sehr stark von Regierungsinseraten und Presseförderung – die Politik hat dadurch viel Einfluss, meint ZackZack-Chefredakteur Thomas Walach: "Es gibt einige wenige Herausgeber, die große Teile des österreichischen Medienmarktes kontrollieren. Und diese großen wichtigen Medienmacher sind alle konservativ, bzw. stehen der ÖVP nahe."
Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ORF steht demnächst die Neuwahl von Intendant oder Intendantin an. Auch die Machtverhältnisse auf dem Wiener Küniglberg begünstigen derzeit die Konservativen, fügt Wallach hinzu. "Und dann gibt es noch den ORF, der über einen Aufsichtsrat verfügt, den Stiftungsrat, wo die ÖVP über die absolute Mehrheit verfügt."

Ungesunde Nähe durch Inserate der Regierung

Die Anzeichen verdichten sich, dass Alexander Wrabetz den ORF-Chefsessel nach 14 Jahren an eine politisch genehmere Person abgeben muss. Wrabetz ist Sozialdemokrat. Bei der Wiener Tageszeitung "Kurier" wurde die Führung der Redaktion schon neu besetzt. Helmut Brandstätter war dort früher Chefredakteur, im Podcast der Wiener Wochenzeitung "Falter" erzählt er, wie er auf die Abschussliste von Kanzler Kurz geriet: "Der hat mich regelmäßig bei Hammeseder vernadert. Hat den regelmäßig angerufen. Hat gesagt, da ist schon wieder was falsch, das Bild ist nicht gut etc. Das geht ja nicht, dass man immer den Aufsichtsratsvorsitzenden anruft."
Die Pressearbeit von Sebastian Kurz
Wie gezielt die österreichische Regierung den Boulevard für ihre Zwecke nutzt, hat gerade ein ehemaliger "Krone"-Journalist enthüllt. Österreich erlebe die Rückkehr von "Partei-Propaganda", warnte Florian Klenk, Chefredakteur der Wochenzeitung "Falter" im Dlf.
Brandstätter wurde durch Martina Salomon ersetzt, die durch regierungsfreundliche Leitartikel auffällt. Wichtigster Machtfaktor in Österreichs Medienlandschaft ist der Boulevard – allen voran die "Kronenzeitung" mit einer Auflage von etwa 700.000 Exemplaren. Sie bekommt auch am meisten vom Inseratenkuchen ab, 8,4 Millionen Euro alleine im vergangenen Jahr. Das schafft eine ungesunde Nähe.

28 Millionen Euro, 59 Pressesprecher

"Die Verhaberung hat ja schon lange vorher begonnen, wo eine unglaubliche Nähe zwischen Ministern und leitenden Redakteuren aufgebaut worden ist. Und der Sebastian Kurz hat es verstanden, das zu perfektionieren", beschreibt der frühere Krone-Ressortleiter Thomas Schrems im "Falter"-Interview das Abhängigkeitsverhältnis von Politik und Medien. Wer zahlt, bestimmt die Musik, meint der frühere Boulevardjournalist Schrems.
"Wir hatten einmal eine tagelange Kampagne gegen ‚Wiener Wohnen‘, und nach drei oder vier Tagen kam dann der "junge" (Verleger) zu mir ins Büro und sagte: Herr Schrems, die Geschichten sind alle sehr schön – aber jetzt ist Schluss, weil die Stadt Wien schaltet bei uns Inserate um 400.000 Euro."
In Österreichs Hauptstadt regieren traditionell die Sozialdemokraten. Im Land Österreich derzeit Konservative und Grüne. Vor allem der als "Narziss" verschriene Kanzler will das Bild kontrollieren, das in den Medien von ihm gezeichnet wird. Dafür gab die schwarz-grüne Regierung in Wien im letzten Jahr pro Tag 200.000 Euro aus. Am meisten das Kanzleramt mit 28 Millionen Euro. Helmut Brandstätter: "Ein Bundeskanzler Vranitzky hatte zwei Pressesprecher, der Herr Kurz hat 59. Also dieser Riesenaufwand an Pressesprechern, dann die zig Millionen Inseratenkorruption und in den Qualitätszeitungen immer weniger Leute. Also wir sind schon am Weg nach Budapest."

"Eine Spielart der Orbanisierung"

Von Inseraten – letztes Jahr gab die Öffentliche Hand in Österreich mehr als 200 Millionen Euro dafür aus – profitiert überproportional der Boulevard. Zu kritische Berichte werden sogar bestraft. Der Verlagsholding VGN strich das Finanzministerium 200.000 Euro Inseratengeld, erzählte Verleger Helmut Pirker, im "Falter"-Interview: "Das Finanzministerium hat sich entschieden, in der ganzen VGN-Medienholding nicht mehr zu inserieren unter Bezug auf eine kritische Geschichte über Türkis. Ich erlebe das schon als eine Spielart der Orbanisierung."
In unliebsamer Gesellschaft
Seit Jahren wird Ungarns Premierminister Orbán massiv kritisiert für seinen repressiven Umgang mit kritischen Medien – die Organisation Reporter ohne Grenzen bezeichnet ihn sogar als einen der größten Feinde der Pressefreiheit weltweit. Doch in Ungarn bleibt das weitgehend ungehört.
In die Zeitungen "Krone" und "Kurier" hat sich Immobilien-Investor Rene Benko eingekauft, Österreichs Kanzler steht ihm nah – nicht die vermeintliche Oligarchin aus dem Ibiza-Video, der der frühere FPÖ-Politiker Strache vor zwei Jahren geraten hatte, sich in die Krone einzukaufen.