Sonntag, 05. Mai 2024

Archiv


Einigung ohne Richterspruch

Ob sich der Chef und der Angestellte über Abfindungen, den Urlaubsanspruch oder den Tarifvertrag streiten - stehen die gegnerischen Parteien erst einmal vor Gericht, lässt sich das gestörte Arbeitsverhältnis kaum mehr kitten. Deswegen versuchen Arbeitsrechtler in Thüringen nun, außerhalb des Gerichtssaals zu schlicht: Mediation statt Konfrontation hieß es auf den Deutschen Mediationstagen in Jena.

Von Ulrike Greim | 24.04.2009
    Löhne, Urlaub, Tarifverträge, Kündigungen - das deutsche Arbeitsrecht kennt viele potenzielle Konfliktfelder. Nicht selten landen sie vor Gericht. Doch wenn ein Richter urteilt, gibt es immer einen Sieger und einen Verlierer. Das muss so nicht sein. Denn nach etlichem Zögern öffnen sich nun auch die Arbeitsrechtler einer alternativen Streitbeilegung, der Mediation. Jakob Joussen ist Professor für Arbeitsrecht in Jena, und Gastgeber des Deutschen Mediationstages.

    "Insgesamt - wie es bei der Mediation im Rechtsleben ist - ist es auch im Arbeitsrecht ein recht junges Thema. Und wahrscheinlich ist es im Arbeitsrecht noch am jüngsten in der gesamten Rechtsordnung."

    Dabei liegt es nahe, gerade hier, wo die Streitparteien hinterher weiter miteinander zu tun haben, eine Schlichtung durch einen unbeteiligten Dritten zu bevorzugen. Jakob Joussen plädiert für ein gesundes Nebeneinander.

    "Wenn beide Parteien einen Richterspruch hören wollen, bringt Mediation nichts. Aber es gibt auch viele Sachverhalte, wo die Parteien sagen: Wir versuchen es noch einmal, wo ein Gespräch nützt. Und wo die Haupteigenschaft einer Mediation, nämlich dass die Parteien selber zu einer Einigung kommen sollen, indem sie begleitet werden, wo das Sinn macht. Und dann glaube ich, dass beide Streitbeilegungen dauerhaft - vor Gericht oder nicht vor Gericht, mediativ - Sinn haben."

    Viele Unternehmen machen es schon vor: Die Deutsche Bahn AG setzt bereits auf Mediation, auch viele Versicherer, zum Beispiel im Rechtsschutz. Sie sparen Geld und viel Zeit für aufwändige Verfahren durch alle Instanzen.

    Thüringen probiert es gerade aus. In einem Modellprojekt helfen 15 Güterichter, einen Streit zu schlichten, ohne dass ein Urteil fallen muss. Der Präsident des Thüringer Oberlandesgerichts, Stefan Kaufmann, macht es plastisch. Als Richter könne er nur nach Aktenlage urteilen. Als Güterichter komme er an die emotionaleren Themen.

    "Das ist meistens so, dass die eigentlichen Gründe eines Rechtsstreits nicht in den Akten stehen."

    Deswegen sei der Güterichter eine Chance, am runden Tisch und ohne Robe einer Einigung aufzuhelfen. Das Gericht biete den seriösen Rahmen, auch der habe sich bewährt.

    "Es ist eine Erkenntnis der Modellversuche, dass die gerichtsinterne Mediation den einen Vorteil hat, dass eben die Amtsautorität und die Fachautorität des Richters dahinter steht, und viele Leute gerade das auch wollen."

    Der Arbeitsrechtler Jakob Joussen will die Praxisbeispiele hören und sie in Forschung und Lehre begleiten. Er weiß um die Vorteile, ist allerdings vorsichtig.

    "Das Hauptargument, was immer gegen die Mediation vorgebracht wird, ist, dass die Mediation im Ergebnis nicht garantiert, dass es eine gerechte Lösung oder eine Lösung gefunden wird, die an Recht und Gesetz ausgerichtet ist. Denn das ist auch gar nicht Ziel der Mediation. Mediation soll den Streit beilegen."

    Subjektiv hätten beide Streitparteien gewonnen. Zweifelhaft wird es nur, wenn ein schlichter Arbeitnehmer beispielsweise schon mit einer geringen Abfindung zufrieden ist, weil er 1000 Euro für viel Geld hält, er hätte aber bei Richterspruch 3000 bekommen können - dann ist es nicht gerecht. Außerdem fragt der Arbeitsrechtler:

    "Wo sind die Grenzen des Mediators? Darf er aktiv werden? Oder darf er wirklich nur vermitteln? Man ist sich nicht ganz klar darüber, ob der Mediator auch Vorschläge unterbreiten darf - oder ob er wirklich nur moderiert."

    Erste Erfahrungen mit Mediation zwischen Beschäftigten und Chefs, zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sollen in Jena diskutiert werden.

    Langfristig könnte Mediation nicht nur eine Zusatzqualifikation sein, sondern einen festen Platz in der Juristenausbildung bekommen.