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Einprägsame Bilder aus Elektro-Schlägen

Biologie. - Fliegen sind oft äußerst lästig, aber naturgemäß auch meist schneller als die Klatsche. Ob das Geheimnis ihrer flotten Reaktion Ergebnis einer genetischen Auslese der Langsamen ist, oder ob die Plagegeister einfach ihre Reflexe gut trainiert, also erlernt, haben, erörtern Wissenschaftler unter anderem auf dem 6. Internationalen Kongress über Neuroethologie vom 29. Juli bis 3. August in Bonn.

    Seelenruhig drehen die Elefantenrüsselfische in ihrem Aquarium im Keller des Poppelsdorfer Schlosses in Bonn ihre Runden und pflügen dabei mit ihrem "Rüssel" - einem seltsam verformten Unterkiefer - den Boden. Einen alten Bekannten scheinen sie nicht wiederzuerkennen: Gerhard von der Emde ließ seine Fische vor einem Jahr in Bonn zurück, als er nach Seattle umzog. "Das verlängerte Kinn der Fische ist beweglich und trägt viele Elektrorezeptoren. Wie mit einer Sonde tasten die Tiere den Grund ab und suchen nach Mückenlarven", berichtet von der Emde. Die Elefantenrüsselfische gehören zu den so genannten "schwach elektrischen" Fischen, die ihr elektrisches Organ nur zur Ortung, nicht aber zum Beutefang benutzen und daher auch mit geringen elektrischen Strömen auskommen. Eine Vielzahl von Elektrorezeptoren in der Haut der Tiere dient ihnen als Antenne für das elektrische Bild der Umwelt.

    Gerät etwa eine Mückenlarve in das elektrische Feld der Fische, so werden die Feldlinien verformt und geben den Jägern Hinweise auf die Art des Objektes. Besonders vorteilhaft ist dieses "Elektroradar" bei der Jagd im Dunklen. "Jedes Mal, wenn ein Elefantenrüsselfisch einen elektrischen Impuls aussendet, bekommt der Fisch nicht nur Informationen aus seinen Sinneszellen über die Objekte in seiner Umgebung, sonder auch Signale aus anderen Teilen des zentralen Nervensystems", erklärt Curtis Bell, Neuroethologe aus Portland, Oregon. Dieses zweite Signal entspreche etwa dem vorherigen elektrischen Messbild und sei damit quasi eine Erinnerung. Im Gehirn des Tieres werden die Angaben dieser Erinnerung von den aktuellen Informationen abgezogen und so die Unterschiede ermittelt. Mit dieser Methode kann der Elefantenrüsselfisch etwa die Bewegung einer Made ausmachen.

    Der Ort der neurologischen Mathematik ist das Kleinhirn - das so genannte Cerebellum. Beim elektrischen Fisch ist es verhältnismäßig groß ausgebildet und brachte ihm die Bezeichnung "Gigantocerebellum" ein. Es enthält spezialisierte Zellen, die sowohl Impulse aus den Elektrorezeptoren des Rüsselkiefers als auch aus den Gedächtnisspeichern des Gehirns erhalten. Je nachdem, wie sich die verschiedenen Informationen zueinander verhalten, führen sie zu charakteristischen Veränderungen an diesen Zellen. Ähnliche Veränderungen finden auch im menschlichen Gehirn statt, wenn es lernt, auch wenn Menschen- und Fischhirn nur entfernte Ähnlichkeit haben. "Die Ähnlichkeit genügt aber, um vom elektrischen Fisch zu lernen, wie das Abspeichern von Erinnerung funktioniert", so Bell. Überdies erhelle diese Forschung, wie das Kleinhirn grundsätzlich bei höheren Tieren und dem Menschen arbeite.

    [Quelle: Kristin Raabe]