Von Frank Grotelüschen
Ein Zwillingsbruder hat den Astronautenberuf erwählt, der andere bleibt brav auf der Erde. Der Astronaut geht auf Weltallreise mit einem Raumschiff, das fast so schnell fliegt wie das Licht. Doch die Rückkehr zur Erde gerät zum Schock: Der Weltraumfahrer zählt gerade mal seine ersten grauen Haare. Sein Bruder hingegen ist inzwischen zum Greis gealtert. Dieses berühmte Zwillingsparadoxon ist die wohl verrückteste Konsequenz von Einsteins Relativitätstheorie. Deren Ausgangspunkt lautet: Zeit und Raum sind relativ. Konstant ist allein die Geschwindigkeit des Lichtes. Überall und immer hat sie einen Wert - knappe 300.000 Kilometer pro Sekunde, sagt Holger Müller, Physiker an der Universität Konstanz:
Einstein wusste intuitiv, dass die Lichtgeschwindigkeit immer dieselbe ist - egal wie schnell ich mich bewege oder in welche Richtung ich schaue. Und wenn man daraus die Konsequenzen zieht, bekommt man die spezielle Relativitätstheorie.
Nur: Stimmt sie denn auch, die Relativitätstheorie? Ja, sagen alle bisherigen Experimente. Doch Müller und seine Leute wollten es genau wissen und ließen sich einen neuen Versuchsaufbau einfallen:
Es geht also darum, die Lichtgeschwindigkeit zu messen, und zwar höchst genau. Dafür sperren wir einen Lichtstrahl zwischen zwei Spiegel. Der geht dann hin und her. Das nennt sich ein optischer Resonator. Und jetzt messen wir ganz einfach die Zeit, die das Licht braucht, um zwischen den Spiegeln hin und her zu gehen.
Das Prinzip ist alt. Doch um es mit bis dato unerreichter Genauigkeit ausführen zu können, mussten sich Müller und Co. manche technische Finesse einfallen lassen. So müssen die Spiegel stets auf genau dem gleichem Abstand gehalten werden. Schon kleinste Schwankungen würden einen falschen Wert für die Lichtgeschwindigkeit vortäuschen. Müller:
Aus diesem Grund haben wir den optischen Resonator aus Saphir gebaut. Das ist ein sehr harter Edelstein. Und wir haben ihn bei vier Kelvin betrieben. Das ist eine Temperatur gerade über dem absoluten Nullpunkt. Das hat den Vorteil: Bei Raumtemperatur ändert sich die Länge von Objekten, wenn sie warm oder kalt werden. Es gibt also eine Wärmeausdehnung. Und bei vier Kelvin friert diese Wärmeausdehnung quasi ein auf einen etwa tausendmal kleineren Wert als bei Raumtemperatur.
Zwar sind die Saphirspiegel nur drei Zentimeter voneinander entfernt. Aber da das Licht 100.000 Mal zwischen ihnen hin und herläuft, legt es insgesamt drei Kilometer zurück - was die Messgenauigkeit enorm steigert. Nun wollte Holger Müller feststellen, ob sich das Licht wie von Einstein gefordert in alle Richtungen gleich schnell ausbreitet. Deshalb hat er einen zweiten optischen Resonator gebaut. Und der ist gegenüber dem ersten genau rechtwinklig aufgebaut. Müller:
Und wir vergleichen jetzt die Laufzeiten in diesen beiden Resonatoren und machen das den ganzen Tag lang. Innerhalb von 24 Stunden dreht sich die Erde, d.h. die Apparatur dreht sich mit der Erde. Und wenn eine Richtungsabhängigkeit der Erde besteht, müsste sich innerhalb von 24 Stunden die Abweichung zwischen beiden Resonatoren ändern. Und das haben wir versucht nachzuweisen und keine Abweichung gefunden. Das bedeutet: Die Relativitätstheorie wurde bestätigt. Wir haben sozusagen auf der 15. Stelle hinterm Komma keine Abweichung von Einsteins Vorhersagen gefunden. Und das ist der genauste Test bislang der speziellen Relativitätstheorie.
In Zahlen: Drei Mal genauer als alle älteren Experimente konnte Müller nachmessen, dass Einstein tatsächlich richtig lag. Nur: Zweifelt daran heute überhaupt noch jemand? Haben die Forscher aus Konstanz also eine Theorie bestätigt, die schon lange als gesichert gilt? Ganz und gar nicht, meint Holger Müller:
Es gibt Theorien heutzutage, die sagen, die spezielle Relativitätstheorie ist möglicherweise nur eine Näherung an eine fundamentalere Theorie. Und die sagen voraus, dass wenn man genügend genau schaut, man eventuell Abweichungen findet.
Stringtheorie, so heißt diese neue fundamentale Theorie. Sie geht davon aus, dass sämtliche Materieteilchen aus winzigen, schwingenden Fädchen bestehen, den Strings. Und würde man Abweichungen von Einsteins Relativitätstheorie finden, so wäre das ein starkes Indiz dafür, dass tatsächlich etwas dran ist an diesen Strings. Also wollen Müller und seine Leute weitermachen mit ihren Präzisionsexperimenten und deren Messgenauigkeit um noch einmal das Dreifache steigern. In einigen Jahren dann soll's sogar in den Weltraum gehen, mit einem Satelliten namens OPTIS. Müller:
Im All ist man nicht beeinträchtigt durch Schwingungen, die es auf der Erde gibt und kann den Satelliten so schnell rotieren lassen, dass es optimal ist fürs Experiment. Und nicht in 24 Stunden, was eigentlich ein bisschen langsam ist für unsere Anordnung.
Das Ziel: eine zehntausend Mal höher Messgenauigkeit. Dann - so hofft Müller - könnte endlich klar werden, ob Einsteins Relativität nicht doch einer größeren, fundamentalen Theorie weichen muss.
Ein Zwillingsbruder hat den Astronautenberuf erwählt, der andere bleibt brav auf der Erde. Der Astronaut geht auf Weltallreise mit einem Raumschiff, das fast so schnell fliegt wie das Licht. Doch die Rückkehr zur Erde gerät zum Schock: Der Weltraumfahrer zählt gerade mal seine ersten grauen Haare. Sein Bruder hingegen ist inzwischen zum Greis gealtert. Dieses berühmte Zwillingsparadoxon ist die wohl verrückteste Konsequenz von Einsteins Relativitätstheorie. Deren Ausgangspunkt lautet: Zeit und Raum sind relativ. Konstant ist allein die Geschwindigkeit des Lichtes. Überall und immer hat sie einen Wert - knappe 300.000 Kilometer pro Sekunde, sagt Holger Müller, Physiker an der Universität Konstanz:
Einstein wusste intuitiv, dass die Lichtgeschwindigkeit immer dieselbe ist - egal wie schnell ich mich bewege oder in welche Richtung ich schaue. Und wenn man daraus die Konsequenzen zieht, bekommt man die spezielle Relativitätstheorie.
Nur: Stimmt sie denn auch, die Relativitätstheorie? Ja, sagen alle bisherigen Experimente. Doch Müller und seine Leute wollten es genau wissen und ließen sich einen neuen Versuchsaufbau einfallen:
Es geht also darum, die Lichtgeschwindigkeit zu messen, und zwar höchst genau. Dafür sperren wir einen Lichtstrahl zwischen zwei Spiegel. Der geht dann hin und her. Das nennt sich ein optischer Resonator. Und jetzt messen wir ganz einfach die Zeit, die das Licht braucht, um zwischen den Spiegeln hin und her zu gehen.
Das Prinzip ist alt. Doch um es mit bis dato unerreichter Genauigkeit ausführen zu können, mussten sich Müller und Co. manche technische Finesse einfallen lassen. So müssen die Spiegel stets auf genau dem gleichem Abstand gehalten werden. Schon kleinste Schwankungen würden einen falschen Wert für die Lichtgeschwindigkeit vortäuschen. Müller:
Aus diesem Grund haben wir den optischen Resonator aus Saphir gebaut. Das ist ein sehr harter Edelstein. Und wir haben ihn bei vier Kelvin betrieben. Das ist eine Temperatur gerade über dem absoluten Nullpunkt. Das hat den Vorteil: Bei Raumtemperatur ändert sich die Länge von Objekten, wenn sie warm oder kalt werden. Es gibt also eine Wärmeausdehnung. Und bei vier Kelvin friert diese Wärmeausdehnung quasi ein auf einen etwa tausendmal kleineren Wert als bei Raumtemperatur.
Zwar sind die Saphirspiegel nur drei Zentimeter voneinander entfernt. Aber da das Licht 100.000 Mal zwischen ihnen hin und herläuft, legt es insgesamt drei Kilometer zurück - was die Messgenauigkeit enorm steigert. Nun wollte Holger Müller feststellen, ob sich das Licht wie von Einstein gefordert in alle Richtungen gleich schnell ausbreitet. Deshalb hat er einen zweiten optischen Resonator gebaut. Und der ist gegenüber dem ersten genau rechtwinklig aufgebaut. Müller:
Und wir vergleichen jetzt die Laufzeiten in diesen beiden Resonatoren und machen das den ganzen Tag lang. Innerhalb von 24 Stunden dreht sich die Erde, d.h. die Apparatur dreht sich mit der Erde. Und wenn eine Richtungsabhängigkeit der Erde besteht, müsste sich innerhalb von 24 Stunden die Abweichung zwischen beiden Resonatoren ändern. Und das haben wir versucht nachzuweisen und keine Abweichung gefunden. Das bedeutet: Die Relativitätstheorie wurde bestätigt. Wir haben sozusagen auf der 15. Stelle hinterm Komma keine Abweichung von Einsteins Vorhersagen gefunden. Und das ist der genauste Test bislang der speziellen Relativitätstheorie.
In Zahlen: Drei Mal genauer als alle älteren Experimente konnte Müller nachmessen, dass Einstein tatsächlich richtig lag. Nur: Zweifelt daran heute überhaupt noch jemand? Haben die Forscher aus Konstanz also eine Theorie bestätigt, die schon lange als gesichert gilt? Ganz und gar nicht, meint Holger Müller:
Es gibt Theorien heutzutage, die sagen, die spezielle Relativitätstheorie ist möglicherweise nur eine Näherung an eine fundamentalere Theorie. Und die sagen voraus, dass wenn man genügend genau schaut, man eventuell Abweichungen findet.
Stringtheorie, so heißt diese neue fundamentale Theorie. Sie geht davon aus, dass sämtliche Materieteilchen aus winzigen, schwingenden Fädchen bestehen, den Strings. Und würde man Abweichungen von Einsteins Relativitätstheorie finden, so wäre das ein starkes Indiz dafür, dass tatsächlich etwas dran ist an diesen Strings. Also wollen Müller und seine Leute weitermachen mit ihren Präzisionsexperimenten und deren Messgenauigkeit um noch einmal das Dreifache steigern. In einigen Jahren dann soll's sogar in den Weltraum gehen, mit einem Satelliten namens OPTIS. Müller:
Im All ist man nicht beeinträchtigt durch Schwingungen, die es auf der Erde gibt und kann den Satelliten so schnell rotieren lassen, dass es optimal ist fürs Experiment. Und nicht in 24 Stunden, was eigentlich ein bisschen langsam ist für unsere Anordnung.
Das Ziel: eine zehntausend Mal höher Messgenauigkeit. Dann - so hofft Müller - könnte endlich klar werden, ob Einsteins Relativität nicht doch einer größeren, fundamentalen Theorie weichen muss.