Donnerstag, 02. Mai 2024

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Einzelhandel hat hohe Ausbildungsquote

Lange: Unter den Top Ten der Ausbildungsberufe ist seit vielen Jahren der Einzelhandelskaufmann zu finden, gleichermaßen gefragt bei jungen Frauen und Männern wie auch bei der Wirtschaft. Insofern darf man davon ausgehen, dass der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels die Gespräche über den Ausbildungspakt mit größter Aufmerksamkeit verfolgt hat. Dessen Hauptgeschäftsführer heißt Holger Wenzel und ist jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Wenzel.

Moderation: Peter Lange | 17.06.2004
    Wenzel: Guten Morgen, Herr Lange.

    Lange: Herr Wenzel, wie viel Stellenwert hat denn der Ausbildungspakt für Ihre Branche?

    Wenzel: Wir hätten das im Einzelhandel wohl auch ohne Ausbildungspakt geschafft, Ende Mai dieses Jahres liegt unser Ausbildungsplatzangebot schon drei Prozent über dem vom vergangenen Jahr. Also, auch ohne Druck und ohne Pakt glaube ich, der Einzelhandel kommt seiner gesellschaftlichen Pflicht nach. Dennoch glaube ich, ist das Ganze eine gute Sache, denn es bindet ja nun mehr Verantwortliche in dieses ganze Thema ein außer den Verbänden, außer den Kammern die Politik, die Kommunen, die Bundesregierung, aber auch die Jugendlichen müssen ihren Teil dazu beitragen, da geht es um das Thema Qualifikation. Wir sind sehr froh, dass es das gibt und wir sind absolut überzeugt, dass der Einzelhandel seine Teil dazu beiträgt, dass das Ding funktioniert.

    Lange: Sie sagen, Sie haben jetzt schon mehr als im vergangenen Jahr, drei Prozent. Was machen Sie denn jetzt konkret zusätzlich, um noch mehr Ausbildungsplätze zu akquirieren?

    Wenzel: Der Einzelhandel hat ohnehin eine hohe Ausbildungsquote, wir liegen schon leicht über sieben Prozent, das war ja das Maß der Dinge, und könnten uns eigentlich zurücklehnen. Das tun wir nicht, denn wir wissen, dass Qualifikation, dass Nachwuchs, dass wirklich gute Mitarbeiter das Einzige sind, mit dem beratungsintensive Einzelhändler überleben können und wir haben auch und das ist ein ganz wichtiger Punkt, neue Berufsbilder bekommen, dank Herrn Clement, der hier endlich den gordischen Knoten durchgeschlagen hat. Wir haben jetzt die Chance in den zweijährigen Berufen, die es bei uns auch gibt, die sicherlich für weniger Qualifizierte geeignet sind, mehr zu tun. Wir reisen gerade mit diesen neuen Berufsbildern durch die ganze Bundesrepublik, machen das bekannt, zeigen den Betrieben die neuen Möglichkeiten, dazu kommen natürlich die üblichen Appelle und Veranstaltungen, also: das wird!

    Lange: Wie reagiert denn so ein Unternehmer, der vor Jahren beschlossen hat, ich bilde nicht mehr aus?

    Wenzel: Da gibt es relativ wenig, man muss dabei sehen, dass im Einzelhandel seit zwölf Jahren der Umsatz durchhängt und wir haben letztlich heute den Umsatz von 1992, also keinerlei Steigerung. Wir haben einen hohen Flächenzuwachs, trotzdem keine Beschäftigungszunahme sondern eher -abnahme, den Betrieben geht es wirklich nicht besonders gut. Wenn man aus diesem Loch herauskommen will, das weiß eigentlich jeder, dann brauche ich qualifizierte Mitarbeiter, von den relativ einfachen Tätigkeiten bis zu den gehobenen und was wir tun müssen und was wir auch tun werden, wir haben ja eine ganze Menge unbesetzter Ausbildungsplätze gehabt noch im vergangenen Jahr, so um die 3000, die Chancen, die der Einzelhandel bietet für junge Leute, sind so riesengroß, sind größer als in vielen anderen Branchen. Die Karriere vom Auszubildenden zum Vorstand, die ist zwar relativ selten, aber wo ist man mit 22 Jahren Filialleiter oder Regionalleiter und verdient schon sehr, sehr gutes Geld? Das müssen wir den Jugendlichen beibringen, der Einzelhandel hat nach wie vor ein relativ schlechtes Image. Das zeigt sich auch daran, dass wir, HDE, letztlich als Vertreter einer der größten Ausbildungsbranchen in diesem Land bei dem Pakt, bei der Unterzeichnung gar nicht dabei waren, sondern durch andere vertreten worden sind.

    Lange: Viele Unternehmen klagen, die Lehrlingsbezüge seien sowieso viel zu hoch. Ist das beim Einzelhandel auch so?

    Wenzel: Wir können und müssen uns da nicht verstecken, es geht ja immer die Mär von dem schlechtbezahlten Einzelhandel, sicherlich ist eine normale Verkäuferin nicht gerade das höchstbezahlte, nur das ist ja nicht das Ende der Leiter, das wir anbieten und bei der Lehrlingsvergütung sind wir absolut im obersten Drittel. Das ist natürlich relativ hoch, aber ich glaube, das ist nicht der richtige Weg hier abzustrippen und zu kürzen, ich würde allerdings schon an die Gewerkschaften appellieren, dass man hier die Kirche im Dorf lässt und nicht bei jeder Tarifverhandlung wieder dicke Beträge draufpackt. Das belastet die Unternehmen, die durch die Ausbildung ohnehin absolut hohe Kosten zu tragen haben. Und zum Thema Gewerkschaften, ich höre ja immer, was so an Zwischentönen zum Pakt jetzt rüberkommt, wenn ich daran denke, welchen Widerstand wir überwinden mussten, um unsere neuen Berufsbilder zu bekommen bei den Gewerkschaften, zum Beispiel gegen ein zweijähriges Berufsbild, dann habe ich wirklich Bedenken, dass diese Seite mitzieht bei dem Pakt und da wird auch Herr Müntefering noch einiges an Widerstand zu überwinden haben, ich hoffe, das gelingt.

    Lange: Haben denn schlechter qualifizierte Jugendliche durch diesen Ausbildungspakt nun auch bessere Zugangschancen zum Einzelhandel?

    Wenzel: Sie haben die Zugangschancen sicherlich durch das neue Berufsbild, die zweijährige Ausbildung Verkäufer/Verkäuferin, die völlig modernisiert worden ist, die eben auch etwas ist für junge Menschen mit zwei rechten Händen, die vielleicht geistig nicht so hochqualifiziert sind. Da gibt es durchaus Chancen, das müssen wir immer wieder sagen und betonen und ein Punkt noch auch gerade in dieser Beziehung: Wir haben in Deutschland in der Zwischenzeit so etwa 35 bis 30.000 türkische Einzelhandelsunternehmen, auch das sehen wir und das ist auch eine große Aktivität, die wir zur Zeit betreiben und die wir noch weiter forcieren werden, da sehen wir ein weites Feld, denn wir wissen, dass gerade im Bereich der Ausländer, auch durchaus der zweiten und dritten Generation, wirklich viele Ausbildungswillige sind, die keinen Ausbildungsplatz finden. Da sind natürlich unsere ausländischen Betriebe, gerade die türkischen Einzelhändler gefordert, die sich mit den Regularien und der Bürokratie in Deutschland nicht so auskennen, das müssen wir denen klarmachen, auch da läuft eine Kampagne, auch da versprechen wir uns viel Erfolg.

    Lange: Herr Wenzel, jetzt haben Sie klargemacht, der Einzelhandel marschiert da gewissermaßen an der Spitze, aber nehmen wir mal die Wirtschaft als Ganzes, es gibt ja nun zwei Möglichkeiten: Entweder der Pakt funktioniert nicht, weil er doch zu unverbindlich oder zu weich formuliert ist, dann kommt diese Ausbildungsabgabe wieder auf den Tisch oder aber der Pakt wird ernst genommen und am Ende die Lehrstellenkrise tatsächlich behoben. Dann könnte ja eine Schlussfolgerung lauten, na siehste, es geht doch, wenn die nur wollen, man muss nur richtig politisch Druck machen. Ist das nicht auch ein Armutszeugnis?

    Wenzel: Ich kann jetzt hier nur in der Tat für den Einzelhandel sprechen, bei uns war der Druck nicht nötig und wir haben trotz unserer wirklich ganz schwierigen Lage gezeigt, dass wir unsere gesellschaftspolitische Verantwortung auch gegenüber den Jugendlichen ernst nehmen. Ich habe auch immer wieder gesagt bei dem Argument dieser Ausbildungsabgabe, die ja ein wirklich wahnsinniges und unsinniges bürokratisches Monster ist, das Argument, dass das den Jugendlichen schadet, weil möglicherweise Betriebe sich frei kaufen, das dürfen und können wir nicht verwenden, denn wir können die Jugendlichen nicht dafür bestrafen, dass die Bundesregierung ein unsinniges Gesetz macht. Das ist wirklich auch bei den Betrieben angekommen, ich kann jetzt nicht für die Industrie sprechen, ich muss allerdings sagen, dass in Deutschland sich ja nun auch etwas geändert hat, was die Wirtschaft anbelangt und wir schon lange kein Industriestaat in dem Sinne mehr sind, sondern das ganze Thema sich in Richtung auf die Dienstleistungen, auf den Handel verlagert. Da sehe ich große Ansatzpunkte mit modernen Berufen etwas zu tun, ich glaube in der Tat, dass letztlich jeder Beteiligte hier in Deutschland diese Aufgabe ernst nimmt und ich bin auch froh, dass das Mal das Thema Nummer Eins ist und nicht mehr der Ladenschluss.

    Wenzel: Holger Wenzel war das, der Hauptgeschäftsführer beim Hauptverband des Deutschen Einzelhandels in den Informationen am Morgen. Danke schön, Herr Wenzel, für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Wenzel: Herzlichen Dank, Herr Lange.