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Eisfreie Zeiten?

Klima.- In seinem vierten Weltklimabericht sagt der Weltklimarat voraus, dass die Gletscher des Himalaja bereits in 25 Jahren fast komplett verschwunden sein könnten. Glaziologen hingegen beurteilen diese Prognose als völlig abwegig und fehlerhaft.

Von Volker Mrasek |
    Rajendra Pachauri in einer seiner Reden auf einer Fachkonferenz im vergangenen Jahr. Der Vorsitzende des IPCC hat wiederholt betont, wie streng die wissenschaftlichen Kriterien sind, nach denen der Weltklimarat seinen jüngsten, inzwischen vierten Sachstandsbericht von 2007 verfasste.

    "Wir präsentieren die beste Wissenschaft, die verfügbar ist. Gestützt auf die Bewertung der vorliegenden Fachliteratur. Eine der Stärken des vierten IPCC-Berichtes ist es, dass alle Entwürfe durch Experten detailliert und umfassend begutachtet wurden."

    Heute weiß man: Eine so strikte Qualitätskontrolle gab es nicht immer. Teil 2 des Reports über die Auswirkungen des Klimawandels enthält Fehler. Dafür musste sich der IPCC inzwischen entschuldigen. Auf einer Seite im Regionalkapitel über Asien heißt es, die Gletscher des Himalaja könnten schon in 25 Jahren fast ganz verschwunden sein. Das sei völlig abwegig, sagen Glaziologen, die an Teil 1 mitgearbeitet haben. Darin geht es um die wissenschaftlichen Grundlagen der Klimaerwärmung. Doch offenbar hat keiner der Gletscherforscher aus Arbeitsgruppe 1 den zweiten Teil des IPCC-Reports vor der Drucklegung gegengelesen. So etwas solle sich beim fünften Weltklimabericht nicht wiederholen, sagt einer von Rajendra Pachauris Stellvertretern, der belgische Physiker Jean-Pascal van Ypersele. Schon auf seiner letzten Plenarsitzung im Oktober habe der IPCC Änderungen beschlossen:

    "Wir werden den Prozess der Begutachtung verbessern. Und sicherstellen, dass es eine übergreifende Zusammenarbeit der Arbeitsgruppen gibt. Wir hatten hier schon im Oktober die Regionalkapitel über die Auswirkungen des Klimawandels im Blick. Wir werden den zweiten Teil des nächsten Weltklimareports deshalb aufteilen, in einen globalen und einen regionalen Abschnitt. Und der Regionalteil wird ausdrücklich unter Mitarbeit der Experten aus Arbeitsgruppe 1 geschrieben."

    Die Arbeitsgruppe 1 besteht aus den eigentlichen Klimaforschern. Darunter sind viele Physiker und Meteorologen. In Arbeitsgruppe 2 dagegen dominieren andere Disziplinen. Da gibt es Biologen, Geografen, auch Ökonomen und Sozialwissenschaftler. In den Regionalkapiteln stützen sie sich zum Teil auf sogenannte graue Literatur, also auch auf nicht begutachtete Studien. Das führte zu dem Himalaja-Fehler, den auch van Ypersele "bedauerlich" nennt:

    "Ich stimme mit Ihnen völlig überein: Eine Aussage über die Gletscher des Himalaja hätte sich nicht auf graue Literatur stützen sollen. Aber das Ganze ändert nichts an der Tatsache, dass die Gletscher des Himalaja wirklich schmelzen. Bedenken Sie bitte auch: Es geht hier um einen Fehler auf einer einzigen von insgesamt 1000 Seiten in dem Report. Selbst wenn man hier und da noch weitere findet, heißt das nicht, dass der ganze Bericht keine solide Wissenschaft mehr darstellt."

    Englische Zeitungen wollen in der Tat weitere Fehler gefunden haben. So soll die Arbeitsgruppe zwei auch die Auswirkungen des Klimawandels auf den Amazonas-Regenwald überschätzt haben, wiederum gestützt auf graue, nicht begutachtete Literatur. Und eine neuerliche Bestätigung dafür, dass der Weltklimarat seine interne Qualitätskontrolle verbessern sollte.

    Wobei man sagen muss: In den IPCC-Veröffentlichungen, die wirklich gelesen werden, tauchen die Fehler nicht auf. Das sind die sogenannten Zusammenfassungen für politische Entscheidungsträger und der Teil 1 über die wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels.

    Ausgerechnet ein ausgewiesener Kritiker des IPCC warnte denn auch am Wochenende vor übereilten Schlüssen. Der Weltklimarat sei zwar reformbedürftig, betonte Hans von Storch vom GKSS-Forschungszentrum in Geesthacht bei Hamburg. Aber die aktuelle Fehlerdiskussion ändere nichts an der Tatsache, dass sich das Klima unter dem Einfluss des Menschen weiter erwärmen werde.