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Eishockey beim Despoten?

Geht es nach dem Welt-Eishockeyverband (IIHF) ist Weißrussland und somit auch Präsident Alexander Lukaschenko Gastgeber der Weltmeisterschaft. Der glühende Eishockey-Fan regiert das Land aber seit Jahren mit Willkür und Brutalität. Vor ein paar Wochen erst, ließ Lukaschenko zwei junge Männer hinrichten, die einen Terroranschlag verübt haben sollen. Stichhaltige Beweise dafür gab es nicht.

Von Robert Kempe | 28.04.2012
    Zur politischen Situation im zukünftigen Gastgeberland Weißrussland will sich der Welt-Eishockey-Verband aber nicht äußern. Der Generalsekretär der IIHF Horst Lichtner.

    "Der Sport soll Menschen zusammenbringen. Der Sport hat es nicht zur Aufgabe Regierungen zu kritisieren, Regierungen zu verändern oder Regierungen auf andere Wege zu bringen. Das kann nicht Aufgabe des Sportes sein."

    Seit Monaten fordern Menschenrechtsorganisationen und internationale Politiker die IIHF auf Weißrussland die WM zu entziehen. Für die sportpolitische Sprecherin der Grünen, Viola von Cramon, zeugt die WM-Vergabe an Weißrussland 2009 von einer Ignoranz des Weltverbandes an den dort herrschenden politischen Zuständen. Zusammen mit der SPD bereiten die Grünen einen Antrag an die Bundesregierung vor um jetzt mehr Druck auf den Verband auszuüben.

    "Unsere einzige Forderung ist, dass die Bundesregierung sich dafür einsetzen soll, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, auf den Eishockeyverband oder Eishockeybund einzuwirken, den Austragungsort – das Gastgeberland – zu wechseln. Es darf keine Eishockey-WM am Ende in Weißrussland stattfinden. Solange die Menschenrechtssituation sich nicht geändert hat."

    Beim organisierten Sport stoßen solche Aussagen bekanntlich auf wenig Verständnis. Die IIHF will zwar auf ihrem Kongress Mitte Mai noch einmal über den Austragungsort Weißrussland diskutieren, doch werde man eine Entscheidung nicht auf politischen Druck hin revidieren, so Generalsekretär Horst Lichtner.

    "Wir sind ein autonomer politischer Verband, der sich um die Organisation des Sports kümmert. Wir würden auch nicht beantragen in unserem Kongress, auf das Parteiprogramm der Grünen oder der SPD oder wen auch immer einzugehen. Das steht uns genauso wenig zu, wie es denen zusteht uns zu zwingen oder zwingen zu wollen, etwas zu tun. Da soll man wirklich die Kirche im Dorf lassen.""

    Lichtner vertritt das bekannte Mantra der Sportfunktionäre, wonach Sport mit Politik nichts zu tun habe. Er pocht auf die Autonomie und Neutralität des Sports. Der Kölner Sportphilosoph Prof. Volker Schürmann hingegen meint, dass der Sport immer eine politische Position ausdrücke.

    "Die Idee der olympischen Charta ist, dass er seine politische Funktion dann und nur dann ausfüllen kann, wenn er nicht instrumentalisiert wird. Also auch die Sportfunktionäre treffen etwas, wenn Sie sagen, er muss neutral sein – im Sinne er darf nicht instrumentalisiert werden. Aber er darf nicht instrumentalisiert werden um seine politische Funktion zu erfüllen. Das mag ein wenig Wirr klingen. Das ist bei jeder Kunst so. Jede Kulturpolitik muss die Kunst unterstützen, aber sie darf in die Kunst nicht hineinreden."

    Doch die Kriterien nach denen Sportverbände die Austragungsorte sportlicher Großveranstaltungen auswählen wirft Fragen auf, die mehr und mehr die Politik beschäftigen. Die Vorsitzende des Bundestagssportausschusses, Dagmar Freitag, SPD.

    "Wir sehen ja auch in vielen anderen Bereichen wie eng der Schulterschluss vom Sport zur Politik ist. Wenn Sie an die Vergabe von internationalen Meisterschaften denken, wissen sie, dass es Regierungsgarantien geben muss. Es gibt in vielen, vielen Bereichen einen ganz engen Schulterschluss zwischen Sport und Politik – zumindest ganz enge Abstimmungen zwischen Sport und Politik. Und die lösen sich doch nicht an der Frage von Menschenrechten auf – das kann doch nicht sein."

    Dennoch verkündete der Weltradsportverband erst vor kurzem die Bahnrad-WM 2013 im weißrussischen Minsk zu veranstalten. Zur politischen Situation in Weißrussland schweigt auch er. Im Umgang der Sportverbände mit der Menschrechtssituation, wie zum Beispiel aktuell die UEFA im Fall der Ukraine, des Co-Gastgeberlandes der Fußball-EM in diesem Sommer, sieht Sportphilosoph Schürmann die Gefahr, dass der Sport sich mehr und mehr unglaubwürdig mache.

    "Es ist für alle Beteiligten klar, dass es pure Ideologie ist und für alle Beteiligten ist klar, dass es nur dazu dient das Geschäft weiter zu betreiben. Das heißt, das was da tatsächlich auch als Wert dahinter steht, geht völlig verloren, weil niemand nach außen den Unterschied zwischen Instrumentalisierung und politischer Funktion kenntlich macht, sondern beides mit demselben Wort belegt und dadurch genau der Wert des Sports und die gute Absicht und das Anliegen, was dahinter steht, einfach verloren geht, weil es überhaupt nicht mehr sichtbar ist."