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Elektronische Musik - irgendwie
Gelungenes Comeback von Dani Siciliano

Noch um die Jahrtausendwende war Matthew Herbert ihr Ehemann und Elektroniktüfftler. Doch nun hat die Musikerin Dani Siciliano nach zehn Jahren Pause erstmals ihre Musik ganz alleine produziert. Ein wunderschönes, kunstvoll arrangiertes Album - auf das man sich aber etwas einlassen muss.

Von Eric Leimann | 04.06.2016
    Die US-amerikanische Musikerin und DJane Dani Siciliano
    Die US-amerikanische Musikerin und DJane Dani Siciliano (© Sunny Suits)
    Hier kommt Dani Siciliano - mit ihrem ersten Album seit zehn Jahren. Soviel vorweg: Es ist das vielleicht anspruchsvollste, stilistisch vielseitigste und stimmenreichste Soulalbum des Jahres. Aber ist das überhaupt Soul?
    "Ich würde mich selbst nicht in dieses Genre sortieren. Ich verwende viele Einflüsse - natürlich bin ich irgendwie Elektronik. Es gibt aber so viele akustische Instrumente auf dem Album zu hören - vor allem die Stimme, die natürlich auch ein akustisches Instrument ist und mit der ich viel herumspiele. Im Neo Soul oder R’n’B ist es natürlich seit vier, fünf Jahren unheimlich modern geworden, viel mit der Stimme herumzuspielen. Und der Ursprung von all dem ist natürlich Soul."
    "Dani Siciliano", das Album, ist vor allem die Geschichte einer Emanzipation. Im San Francisco der 90er-Jahre legt die Künstlerin als DJ Platten auf, entdeckt die eigene Stimme und feiert ihren Durchbruch zusammen mit dem britischen Elektroniktüftler und Ehemann Matthew Herbert. Die beiden bringen mit "Around The House" und "Bodily Functions" zwei Alben heraus. Jetzt, nach vielen Jahren, produziert Dani Siciliano ihre Musik erstmals komplett selbst. Das war ein langer und durchaus schmerzlicher Lernprozess, wie sie sagt. Seit ihrer Trennung von Matthew Herbert lebt Dani Siciliano abwechselnd in London und Paris. Mit vielen unterschiedlichen Jobs hielt sie sich über Wasser. Musik für Filme und Modeschauen, aber wohl auch gänzlich unkünstlerische Tätigkeiten waren nötig, um zu überleben.
    "Der Unterschied zu den alten Sachen ist natürlich, dass die Musik nicht von Matthew Herbert ist. Hier traf ich die Entscheidungen, früher gab ich ihm Sachen und die wurden weiterentwickelt. Dieses Element fehlt nun."
    Dani Siciliano hat ihren eigenen Stil gefunden
    Matthew Herbert, Portishead oder Moloko - die Popgeschichte ist voll von Bands, bei denen ein männlicher Elektroniktüftler auf eine Sängerin trifft. So erfolgreich jene Kollaborationen auch sind: Klischeehaft ist diese Rollenverteilung schon. Die Emanzipation hat Dani Siciliano jedenfalls gut getan: Sie hat ihren eigenen Stil gefunden. Während sie mit Matthew Herbert vor allem rhythmisch vertrackte und von schrägen Sounds durchsetzte House Music sang, tut sich nun ein weiteres Feld musikalischer Stile auf: R’n’B, Folk, Jazz, klassischer Popsong. Der durchgehende Beat fehlt und je länger das Album dauert, desto mehr verschwinden komplizierte Sound- und Stimmen-Experimente, es wird Song-orientierter, ruhiger. Das Lied "Together" ist fast schon eine Folk-Ballade, wobei man - und das ist typisch für Dani Siciliano – seinen Ohren nicht immer trauen kann.
    "Auf dieser Platte kann jeder Sound jeden erdenklichen Ursprung haben. Ich benutze zum Beispiel echtes Schlagzeug, aber auch Samples, wie bei "Together", wo der Rhythmus einfach nur aus dem Sound einer Klimaanlage besteht, gegen die ich schlug, als ich in Italien an den Songs arbeitete. Ein toller Sound."
    Verschiedene Stilmittel und Sounds kombiniert
    "Dani Siciliano" ist ein wunderschönes, kunstvoll arrangiertes Album, irgendwo zwischen modernem R’n’B, Elektronik und experimentellem Pop. Synthetische Sounds klingen warm und natürlich, dafür wurden die echten Instrumente auf diesem Album wie Gitarre, Schlagzeug oder eine alte Hammond Orgel oft bis zur Unkenntlichkeit verfremdet. Klingt anstrengend, ist es aber nicht: Verblüffend, wie leicht und luftig Dani Siciliano diese vielfältigen musikalischen Stilmittel und Sounds zusammenbringt – auch wenn sie in ihren Texten mitunter über komplizierte, nicht selten enttäuschende Beziehungsgeflechte singt. Gefällig sind ihre Stücke jedenfalls nicht - der Hörer muss sich auf die Songs von Dani Siciliano einlassen.
    "Wenn du etwas erschaffst und es dann beschränkst, nach dem Motto: 'Ich mache es einfacher!', dann ist es eine Art der Zensur. Ich glaube, die Leute sind zu intelligent für so etwas. Ich weiß natürlich, was man über unsere moderne Gesellschaft sagt: Wir wären überreizt von Millionen von Dingen, die alle gleichzeitig passieren. Natürlich weiß ich, dass man sich Zeit nehmen muss, um meine Musik anzuhören. Trotzdem will ich nicht mitmachen bei dieser Nummer, dass alles einfacher werden muss, damit es dir die Leute abkaufen."