Archiv

Eliteeinheit der Bundeswehr
"Regelrecht durchsetzt von rechten Akteuren"

Die Bundeswehr-Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte locke Rechtsextremisten geradezu an und gehöre abgeschafft, sagte der Verteidigungspolitiker Tobias Pflüger (Linke) im Dlf. Den Militärischen Abschirmdienst hält er für das falsche Gremium um Fälle aufzuklären - dieser habe sich nicht "mit Ruhm bekleckert".

Tobias Pflüger im Gespräch mit Jürgen Zurheide |
Das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr bei einer Vorführung am Tag der Bundeswehr beim Ausbildungszentrum Spezielle Operationen (AusbZSpzlOp) in Pfullendorf.
Informationen seien vom Militärischen Abschirmdienst ans Kommando Spezialkräfte abgeflossen - davon ist Tobias Pflüger (Linke) überzeugt (imago )
Der Militärische Abschirmdienst (MAD) sieht eine "neue Dimension" beim Problem des Rechtsextremismus in der Bundeswehr. Das sagte der Präsident der Behörde, Christof Gramm, am Montag (29.06.2020) in Berlin bei einer öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Nachrichtendienste. Die Verdachtsfälle von Rechtsextremisten und so genannten Reichsbürgern seien erkennbar auf mehr als 600 angestiegen. Schwerpunkt bei der Extremismusabwehr sei das Kommando Spezialkräfte (KSK), wo rund zwanzig Personen im Fokus stünden, so Gramm.
Der geheim operierenden Einheit KSK gehören etwa 1400 Kommandosoldaten und Unterstützungskräfte an. Zu ihren Aufgaben zählt die Rettung Deutscher aus Kriegs- und Krisengebieten, die Festnahme von Kriegsverbrechern und Terroristen, das Gewinnen von Informationen in Krisengebieten, die Ausbildung verbündeter Streitkräfte und die Bekämpfung strategisch wichtiger Stellungen eines Gegners.
Schatten von Menschen, Text: Rechtsextremismus
Rechtsextremismus - das Dossier zum Thema (dpa / Martin Schutt)

Das Interview in voller Länge:
Zurheide: Wenn der MAD schon eine neue Dimension von Rechtsextremismus in der Bundeswehr allgemein sieht, fühlen Sie sich bestätigt?
Pflüger: Ja. – Es ist tatsächlich so, dass wir seit längerem, seit Jahren darauf hinweisen, dass es diese Rechten innerhalb der Bundeswehr gibt, rechtsextreme, Neonazistische Netzwerke. Und über Jahre hinweg wurde uns gesagt: Nein, es sind keine Netzwerke, sondern das sind quasi Einzelfälle, und es ist unangenehm, dass es diese Einzelfälle gibt. Heute hat jetzt Herr Grimm vom Militärischen Abschirmdienst erstmals selbst explizit davon gesprochen, dass es Netzwerke von neonazistischen Rechtsextremisten gibt innerhalb der Bundeswehr, und insofern fühlen wir uns bestätigt. Es ist erschreckend, dass es so ist, aber es ist tatsächlich eine Bestätigung.
Zurheide: Was sagt uns das über die Arbeit? Immerhin sagt der MAD das jetzt. Da könnten Sie doch eigentlich sagen, na endlich hören die auf uns. Oder wie werten Sie das?
Pflüger: Na ja. Man muss gleichzeitig wissen, dass eine ganze Reihe von Informationen aus dem Militärischen Abschirmdienst ans Kommando Spezialkräfte abgeflossen sind, und zwar auch offensichtlich über Jahre wie jetzt gerade. Offensichtlich sind eine ganze Reihe von Kommando Spezialkräfte Soldaten vorgewarnt worden, dass da quasi entsprechende Untersuchungen laufen, und wir hatten die verrückte Situation, dass eine zentrale Hauptperson selbst Quelle des Militärischen Abschirmdienstes beim Kommando Spezialkräfte war. Das heißt, der Militärische Abschirmdienst ist nun tatsächlich nicht die Gruppe, die sich da besonders mit Ruhm bekleckert hat. Nichtsdestotrotz ist es gut, dass da jetzt Stück für Stück tatsächlich die Tatsachen ans Licht kommen. Das hat aber ganz wesentlich einmal mit der Berichterstattung und zum zweiten auch mit dem Druck von uns als Opposition zu tun.
"Ein systemisches Problem des Kommando Spezialkräfte"
Zurheide: Die entscheidende Frage: Trauen Sie dem MAD noch?
Pflüger: Nein. – Es ist tatsächlich so: Wenn jetzt noch in der jetzigen Situation Informationen, die beim MAD sind, an KSK-Soldaten fließen – Ergebnis: Die entsprechenden MAD-Personen werden abgezogen oder entlassen. Aber es ist so, dass offensichtlich da die Bezüge sehr, sehr eng sind, und insofern nein, der Militärische Abschirmdienst ist nicht das richtige Gremium, was sich jetzt mit dem Kommando Spezialkräfte beschäftigen sollte.
08.06.2020, Berlin: Eva Högl (SPD), Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, gestikuliert in einem Gespräch mit einem Journalisten der Deutschen Presse-Agentur. Foto: Kay Nietfeld/dpa | Verwendung weltweit
Wehrbeauftragte: "Viele Einzelfälle deuten auf Strukturen hin"
Die neue Wehrbeauftragte des Bundestags Eva Högl (SPD) hält den Brief eines Hauptmanns über den Umgang mit rechten Umtrieben in der Spezialeinheit KSK der Bundeswehr für besorgniserregend, sagte sie im Dlf.
Zurheide: Wobei immer die Frage ist, Kommando Spezialkräfte auf der einen Seite, Bundeswehr allgemein – vielleicht sollten wir es auseinanderhalten. Aber jetzt wollen wir erst mal beim Kommando Spezialkräfte bleiben, wo Frau Kramp-Karrenbauer sich ja heute auch umgehört hat, ohne dass wir jetzt schon allzu viel darüber wissen, wie gerade der Kollege Panajotis Gavrilis geschildert hat. Sie wollen abschaffen. Warum?
Pflüger: Wir haben ja mehrere Informationen von außerhalb des Kommando Spezialkräfte und jetzt ja auch diesen Brief des Hauptmann J. von innerhalb des Kommando Spezialkräfte, und in diesem Brief schildert er ziemlich genau, wie bei zum Beispiel diesem Bereich der Ausbildung sich rechte Akteure regelrecht festsetzen konnten und diejenigen nicht unwesentlich waren, die quasi ausgesucht haben, wer denn die zukünftigen Kommandosoldaten sein sollen. Und das ganze Bild, was sich da zeigt, ist, dass das Kommando Spezialkräfte regelrecht durchsetzt ist von rechten Akteuren, die dort aktiv sind.
Und dann haben wir ein spannendes Problem. Das Kommando Spezialkräfte selbst nennt sich ja Elitetruppe, hat eine besondere Kampforientierung, und wir haben von Anfang an, von der Gründung gesagt, dass natürlich so eine Truppe besonders Rechte und Rechtsextremisten anzieht, und genau das ist der Fall. Insofern ist das, was jetzt zutage tritt, im Grunde genommen ein systemisches Problem des Kommando Spezialkräfte. Es liegt in gewisser Weise quasi in dem, wie es sich seit 1996 entwickelt hat, und in den Gesamtstrukturen, die es dort gibt. Deshalb sagen wir, das Kommando Spezialkräfte muss aufgelöst werden. Nur dadurch lässt sich tatsächlich das Problem, das spezifische Problem des Rechtsextremismus dort bearbeiten.
Immer an Einstätzen beteiligt, die nicht unproblematisch waren
Zurheide: Wobei dann zwei Fragen auftauchen. Erstens, ob wir so was brauchen, und zweitens, ob man das nicht auch anders hinbekommt. Erstens: Braucht Deutschland so etwas wie ein Kommando Spezialkräfte, eine Art Elite? Wie wir es nennen, ist am Ende egal, oder?
Pflüger: Ich würde sagen, nein. Die Kommando Spezialkräfte Soldaten haben ja inzwischen eine relativ lange Geschichte. Es sollten 25 Jahre gefeiert werden. Ich gehe mal davon aus, so wirklich wird es nicht gefeiert werden. Und es zeigt sich, dass sie immer an Einsätzen beteiligt waren, die durchaus nicht unproblematisch waren. Wir haben zum Beispiel jetzt den Fall von Alexander F., der offensichtlich einer der beiden Akteure war vom Kommando Spezialkräfte, die damals Murat Kurnaz angegriffen haben. Alexander F. hat sich quasi gezeigt, dass er sehr nahe an der Identitären Bewegung dran ist, und war im Ausbildungsbereich des Kommando Spezialkräfte. Das sind die Fälle, die sich da Stück für Stück überall durchziehen, und eine solche Elitekampftruppe ist irgendwie logisch, wenn es eine solche Struktur gibt, was es da anzieht. Und auch rein militärisch ist es so: Ganz am Anfang wurde erklärt, damit müssen Gefangene, die eine deutsche Staatsangehörigkeit haben und in aller Welt irgendwo sind, befreit werden. Das ist nur ein ganz kleiner Bereich von den KSK-Einsätzen. Ich sehe tatsächlich nicht, dass es eine politische oder militärische Notwendigkeit für eine solche Elitekampftruppe gibt.
Zwei Soldaten des Kommandos Spezialkräfte in Kampfuniform und mit Waffen
Rechte Strukturen in der Bundeswehr - Das KSK braucht Hilfe von außen
Ein Offizier beschwert sich in einem Brief über rechtsextreme Tendenzen und deren Vertuschung im Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr. Dazu ein Kommentar von Klaus Remme.
Zurheide: Wobei andere Länder so was haben, aber das ist noch eine andere Diskussion. – Jetzt höre ich und was ich lese: Die GSG9 für die Bundespolizei, die etwas Ähnliches ist, die hat ein völlig anderes Ausbildungssystem, und da scheint – ich sage das bewusst jetzt im Konjunktiv – das nicht so zu sein, weil man anders hinschaut. Ist das nicht das Gegenbeispiel, oder überzeugt Sie dieses Argument?
Pflüger: Teilweise. – Ich würde sagen, wir hatten auch schon das Phänomen, dass es ja gemeinsame Publikationen ehemaliger Kommandeure des Kommando Spezialkräfte – Reinhard Günzel, der inzwischen sich in neonazistischen Kreisen bewegt, und des ehemaligen GSG9-Kommandeurs – gab. Auch da ist durchaus eine gewisse, sagen wir mal, Anfälligkeit vorhanden. Allerdings ist tatsächlich da ein Unterschied, weil so gehäufte Fälle wie jetzt beim Kommando Spezialkräfte, die kennen wir tatsächlich nur aus diesem Bereich, und mit was konkret das zu tun hat, ist vermutlich genau diese Grundausrichtung, die das KSK hat. Insofern ist da tatsächlich teilweise ein Unterschied zu machen.
Zurheide: Aber das würde ja heißen, wenn man es richtig anfasst, könnte es gelingen.
Pflüger: Ja, wobei es gibt ja noch einen Unterschied. Der zweite Unterschied ist ja der: Das eine ist Militär und das andere ist Polizei. Insofern: Auch da gibt es durchaus Unterschiede. Wir wissen halt, dass die KSK-Soldaten durchaus in sehr heftigen Kampfeinsätzen mit beteiligt waren, und insofern ist das ja noch eine zusätzliche Komponente. Es ist eine spezifische Form von Auslandseinsätzen, die durch KSK-Soldaten durchgeführt wird.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.