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Kommentar zu Twitter-Rücktritt
Kein Kontrollverlust für Elon Musk

Elon Musks Twitter-Eskapaden beschädigen Tesla - und damit die Cash-Cow seines Imperiums, kommentiert Sandra Pfister. Deshalb handele Musk nicht erratisch, sondern rational, wenn er formal die Kontrolle bei Twitter abgibt.

Ein Kommentar von Sandra Pfister | 21.12.2022
Elon Musk
Die Aktionäre würden unruhig, da Elon Musk beim Spielen mit Twitter Tesla vernachlässige, meint die Kommentatorin (picture alliance / dpa / dpa-Zentralbild / Patrick Pleul)
Andere Millionäre kaufen sich Yachten. Elon Musk hat sich Twitter als Spielzeug gekauft. Er hat es schnell bereut. Durch erratisches Management hat Musk Twitter binnen acht Wochen so runtergerockt, dass einige private Nutzer und noch viel mehr Unternehmen die Flucht ergreifen.

Jeden Tag Millionen-Verluste

Niemand möchte in dem toxischen Umfeld eines in Zukunft kaum noch moderierten Free-Speech-Paradieses als Werbekunde gesehen werden. Twitter macht jeden Tag Millionen-Verluste. Armer Elon. Und jetzt wurde er auch noch von den Twitter-Nutzern aus seinem eigenen Laden rausgevotet. Der Tech-Milliardär sagt, er werde sich als CEO von Twitter zurückziehen, sobald er jemand gefunden habe, der „blöd genug“ sei, den Job machen zu wollen.
Klingt beleidigt? Ach was. Make no mistake: Das ist keine Niederlage und kein Kontrollverlust, sondern clever eingefädelt: Von Anfang an hat Musk angekündigt, dass er nur kurze Zeit Twitter-Chef bleiben wolle. Jetzt kommt er gesichtswahrend dort raus und kann das auch noch als basisdemokratisch verkaufen.
Und jetzt? Es ist unwahrscheinlich, dass Musks Nachfolger es schaffen wird, seinen Traum zu verwirklichen: aus Twitter eine allumfassende App zu machen, mit der man einkauft, chattet, spielt, quasi lebt - wie sie es sie in China mit WeChat gibt. Dazu haben in Europa und den USA die Wettbewerbshüter und Datenschützer Twitter viel zu sehr auf dem Kieker.

Twitter-Eskapaden beschädigen Tesla

Doch selbst, wenn Musk diesen Traum weiterträumt: Für den Moment hat er ein anderes Problem, und zwar ein großes. Musks Eskapaden mit Twitter beschädigen sein eigentliches Baby: Tesla. Und damit die Cash-Cow seines Imperiums. Denn Tesla gilt auf einmal nicht mehr als visionäres Überflieger-Unternehmen.
Vor allem, weil Musk beim Spielen mit seinem Lieblingsspielzeug Twitter Tesla vernachlässigt hat. Die Aktionäre werden unruhig, klar: Denn der Aktienkurs von Tesla hat sich in diesem Jahr halbiert. Das hängt auch mit Twitter zusammen. Weil Musk dieses Jahr mehrere fette Tesla-Aktienpakete verkaufen musste, um für Twitter bezahlen zu können. Und weil Tesla-Fahrzeuge Musk nicht mehr aus der Hand gerissen werden, weder in China noch im Westen.
Deshalb handelt Musk nicht erratisch, sondern komplett rational, wenn er zumindest formal die Kontrolle bei Twitter abgibt. Sonst möchte der linksliberale Teil des Bürgertums im Westen, der Musk teilweise bewundert hat als grünen Öko-Unternehmer, nach all den Twitter-Eskapaden vielleicht lieber nicht mehr in einem Tesla gesehen werden.
Sandra Pfister
Sandra Pfister
Sandra Pfister, geboren 1975 im Saarland, ist Redakteurin in der Abteilung Wirtschaft und Gesellschaft. Nach einem Geschichtsstudium in Freiburg, Düsseldorf, Aix-en-Provence und Brüssel hat sie in Düsseldorf die Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten absolviert. Im Anschluss an ihr Volontariat beim Deutschlandfunk hat sie regelmäßig Sendungen in Deutschlandfunk und WDR moderiert und zuletzt fünf Jahre als freie Autorin und Moderatorin in London gelebt.