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Emanzipation am Leder

Die Fußball-WM steht vor der Tür und alle schauen auf das runde Leder. Auch die Filmemacher und Fernsehanstalten wollen nicht nachstehen: Noch nie kamen so viele Filme in deutsche Kinos, in denen König Fußball die Hauptrolle spielt. Dabei dreht sich aber nicht alles um die Männer, auch die Frauen spielen ihre Rollen, und das in Spielfilmen wie "Eine andere Liga", "FC Venus" und dem Dokumentarfilm "Fußballgöttinnen".

Von Katja Lückert |
    Wenn in vier Wochen tatsächlich etwas losginge, das den Graben zwischen den Geschlechtern tiefer werden ließe, dann wären diese Filme sicher hilfreich und sogar nötig – Spielfilme wie "FC Venus" oder "Eine andere Liga" oder der Dokumentarfilm "Fußballgöttinnen". Eine ganze Welle von Frauen-Fußball-Filmen ergießt sich derzeit in die Kinos und mit ihr schwappen alte Vorurteile heran, die diese Filme auszuwaschen vorgeben. Es sind die urzeitlichen Klischees von Frauen, denen eine weltmeisterliche Leidenszeit bevorsteht. Frauen, die für ihre Männer und deren Kumpel größere Mengen Chips und Bier bereitzuhalten haben und je nach Spielbeginn und Halbzeitpause ein frühes oder spätes oder ganz besonders schnelles Abendessen auftischen müssen. Damit nur keine Sekunde von der Übertragung des wichtigsten Ereignisses des Jahres verpaßt werde.

    Diese Klischees kommen in den Filmen selbst nicht vor. Aber die Filme bedienen diese Klischees doch gerade, indem sie so aufdringlich dagegen angehen. Da ist zum Beispiel die Komödie "FC Venus", die auf einer Wette beruht: Gewinnt eine gänzlich unerfahrene Frauenmannschaft gegen eine Männertruppe, dann soll für letztere endgültig Schluss sein mit dem Beziehungskiller Fußball. Der Plot sorgt für einige recht amüsante Szenen, und wie immer im Leben kommen mit den Frauen Liebe und Leidenschaft ins Spiel, denn nichts ist langweiliger als ein Fußballfilm, der sich nur mit der Technik und Akrobatik des Spiels beschäftigt.

    In Büket Alakus Film: "Eine andere Liga" dient Fußball eher als eine Art Therapieersatz für die zwanzigjährige Hayat, die nach ihrer Krebsoperation weiter am Ball zu bleiben versucht. Und der Dokumentarfilm "Fußballgöttinen" der beiden jungen Regisseurinnen Nina Erfle und Frédérique Veith gibt Einblicke in das Leben von vier Frauen zwischen 16 und 60, die auf die eine oder andere Weise aktiv mit Fußball zu tun haben: eine Platzwärterin aus Berlin, ein weiblicher Fan der Offenbacher Kickers, die Spielerin Viola Odebrecht beim Verein Turbine Potsdam und schließlich Beatrix Nieder, mit 16 Jahren eine der jüngsten Schiedsrichterinnen in Deutschland, deren größter Traum es ist, in der ersten Bundesliga der Frauen zu pfeifen.

    All diese Streifen transportieren die heroische Lebensweisheit, dass es beim Fußball darum geht, sich durchzusetzen, und dass Frauen das eigentlich ebenso gut können wie Männer. Umwerfend neu ist das nicht. Die Filme kommen einfach ein paar Jahre zu spät. Auch wenn Angela Merkel in ihrer Neujahrsansprache ein wenig kokett die Leistungen der Frauen im Fußball hervorhob und den Männern vorschlug, sich daran ein Beispiel zu nehmen, hat Frauenfußball nichts Exotisches mehr.

    Im Gegenteil: die WM wird zeigen, dass auch Frauen immer fußballverrückter werden. Schon unter den 3,5 Millionen Kinobesuchern, die das "Wunder von Bern" gesehen haben, befanden sich vermutlich auch etliche Frauen. Das ganze WM-Klischee von den manisch fernsehenden Männern und ihren frustrierten Frauen paßt schon lange nicht mehr. Deshalb ist Aufklärungskino nach dem Motto: "So spielen Frauen Fußball" ziemlich überflüssig.

    Im übrigen kommt Fußball von der Straße, und Frauen können auch nicht viel eloquenter darüber reden als Männer. Und Schiedsrichterinnen und Platzwärterinnen werden durch die bloße Tatsache, dass sie zwei Bälle am Körper tragen, nicht schon zu Theoretikerinnen des Fußballs.